Goldhammer
© Glotzenoff Filmverleih

Goldhammer

„Goldhammer“ // Deutschland-Start: 18. Mai 2023 (Kino)

Inhalt / Kritik

Bei der Frage, wie man sich einen Politiker oder eine Politikerin der AfD vorstellt, mögen die Antworten unterschiedlich ausfallen. Doch selbst mit der größten Fantasie dürfte niemand Marcel Goldhammer auf der eigenen Bingo-Karte haben. Ein schwuler Jude, der früher mal Sexarbeiter war? Ist das in dem Umfeld überhaupt legal? Klar, die Partei ist keine, bei der man mit Argumenten oder Logik zu kommen braucht. Dass dort Regeln zurechtgebogen werden, bis sie passen oder auch nicht passen, gehört dazu. Dennoch, das klingt schon sehr weit hergeholt, dass ein Mensch mit einem solchen biografischen Hintergrund dort Karriere machen kann. Ist aber so, wie Goldhammer zeigt. Der Dokumentarfilm begleitet den jungen Mann auf seinem Weg und zeigt die verschiedenen Stationen, die er zuvor hinter sich gebracht hat.

Ein Leben abseits aller Schubladen

Das bedeutet aber nicht, dass der Film aus diesen besagten Stationen eine Begründung ableitet. Wer sich hiervon erhofft, diesen eigenartigen Wandel erklärt zu bekommen, sodass man diesen nachvollziehen kann, der sieht sich getäuscht, vielleicht enttäuscht. Das muss aber kein Manko sein. Goldhammer versucht sich nicht an einer Küchenpsychologie, die das Leben in einfachen Worten erklären kann. Das Regie-Duo André Krummel und Pablo Ben Yakov ist viel zu fasziniert von diesem Leben und vor allem dem Protagonisten, um das Mysterium entzaubern zu wollen. Das heißt nicht, dass die zwei mit ihrem Film nichts zu sagen haben. Tatsächlich legen sie ein faszinierendes Porträt vor, bringen uns einen Menschen näher, der sich selbst bequemer Schubladen entzieht.

Das liegt auch daran, dass er auf seinem Lebensweg die unterschiedlichsten Richtungen eingeschlagen hat. Er war als Schauspieler tätig, ging zur Armee, konvertierte zum Judentum. Und da ist natürlich seine Zeit als Sexarbeiter, die dem Film auch den internationalen Titel Goldhammer – The Retired Whore beschert hat. Das wird vor allem am Anfang der Dokumentation ausführlicher behandelt, wenn Goldhammer, der eigentlich Goldammer heißt, freimütig von seinen Erfahrungen berichtet. Schlecht scheinen diese nicht gewesen zu sein. Er erzählt von einem Luxusleben, das ihn durch die ganze Welt geführt hat. Natürlich kann bei Prostitution immer darüber gestritten werden, wie viel dort freiwillig geschieht. Die Frage, ob jemand Opfer ist, ist zuweilen schwierig zu beantworten. Hier hat man hingegen keinen wirklichen Zweifel: Das ist ein junger Mann, der sich sehr genau überlegt, was er tut. Er nutzt die Bedürfnisse anderer gnadenlos aus, um voranzukommen.

Zwischen Lust und Frust

Wobei es vermutlich auch damit zusammenhängt, dass er dabei begehrt wird. Denn so unterschiedlich die einzelnen Etappen sind, die er zurücklegt, eines bleibt immer gleich: Er genießt die Aufmerksamkeit anderer und sucht diese gezielt. Immer wieder wird er sich im Laufe des Films selbst inszenieren, eine Rolle spielen, bei der die Grenzen zwischen dem äußeren Goldhammer und dem inneren fließend sind. Eine der interessantesten Stellen ist, wie er sich vor laufender über die unfaire Behandlung durch seinen Freund, der sein Luxusleben maßgeblich finanziert, ausheulen will – bis der Kameramann anfängt zu lachen. Sofort wechselt der Protagonist die Tonalität, feixt mit, nur um dann einen nächsten Anlauf zu starten, auf Kommando zu weinen.

Das ist unterhaltsam, faszinierend, zuweilen aber auch frustrierend. Eben weil Goldhammer scheinbar willkürlich Fahrtrichtungen ändert, hat man auch nach anderthalb Stunden nicht das Gefühl, ihm wirklich nähergekommen zu sein. Selbst bei einer besonders emotionalen Szene, in der es zu einer Konfrontation mit der Mutter und einem alten Trauma kommt, ist man so sehr durch die konstanten Selbstinszenierungen verunsichert, dass man gar nicht mehr sagen kann: Ist das jetzt gerade echt? Sehenswert ist das dennoch. Der Dokumentarfilm, der beim Max Ophüls Preis 2023 Premiere hatte und anschließend auf mehreren weiteren Festivals zu sehen war, zeigt auf, wie sich jemand so oft auf die unterschiedlichste Weise verkauft, bis nichts mehr übrig zu sein scheint. Das ist spannend, unterhaltsam und traurig – und zeigt auf, wie viele Gemeinsamkeiten es zwischen Prostitution, Schauspielerei und der AfD gibt.

Credits

OT: „Goldhammer“
IT: „Goldhammer – The Retired Whore“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: André Krummel, Pablo Ben Yakov
Drehbuch: André Krummel, Pablo Ben Yakov
Musik: Marius Kirsten
Kamera: André Krummel

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fazit
„Goldhammer“ begleitet den unglaublichen Lebenswandel eines jungen Mannes aus der Provinz, der mit Prostitution begann, später schauspielerte und am Ende bei der AfD landet. Der Dokumentarfilm erklärt dabei nicht unbedingt, warum ein schwuler, zum Judentum konvertierter ehemaliger Sex-Arbeiter diese Politik macht. Stattdessen beobachten wir einen Menschen, der sich sein Leben lang verkauft und selbst inszeniert hat, was mal unterhaltsam, oft faszinierend und manchmal traurig ist.
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