Am Ende – Die Macht der Kränkung TV Fernsehen ZDFneo Streaming Video on Demand online Mediathek
Golo Euler in der Serie "Am Ende - Die Macht der Kränkung" (© ZDF / Petro Domenigg / Philipp Brozsek / FILMSTILLS.AT K.)

Golo Euler [Interview]

Am Ende – Die Macht der Kränkung erzählt die Geschichte von Daniel (Golo Euler), der eines Tages eine niederschmetternde Diagnose erhält: Er ist unheilbar krank, sein Tod ist nur noch eine Frage der Zeit. Bevor es so weit ist, verfasst er aber noch einen Brief, der zu seiner Beerdigung vorgelesen werden soll und in dem er zahlreiche Vorwürfe gegenüber seiner Familie erhebt. Schockiert von dem, was sie mitanhören müssen, sind die Teilnehmenden der Trauerfeier gezwungen, sich mit sich selbst und der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Wir haben uns zum Start der Dramaserie am 17. Mai 2023 um 21.45 Uhr in ZDFneo mit dem Schauspieler über seine Rolle, den Umgang mit Kränkungen und die Beschäftigung mit der Endlichkeit unterhalten.

Was hat dich an Am Ende – Die Macht der Kränkung interessiert? Warum wolltest du bei der Serie mitmachen?

Mich hat interessiert, wie die Serie Spannung aus ganz alltäglichen Begebenheiten erzeugt, ohne ein Krimi sein zu müssen. Hier steht die Familie im Mittelpunkt und welche Auswirkungen Beziehungsgeflechte haben können.

Du spielst in der Serie die Figur David. Wie würdest du ihn beschreiben? Was ist er für ein Mensch?

Das ist keine so leicht zu beantwortende Frage, weil die Serie zeigt, wie sehr sich Menschen verändern durch die Dinge, die ihnen widerfahren, und die Verletzungen, die ihnen angetragen werden. Ich würde sagen, er startet als ein sehr selbstbewusster, abenteuerlustiger Mensch. Er ist feinfühlig, hat eine große Lebensfreude, die ihm aber mehr und mehr durch die Erfahrungen, die er in seinem Leben macht, abhandenkommt.

Die Serie zeigt David als Jugendlichen, aber auch als Erwachsenen. Wie sah die Zusammenarbeit mit Philip Froissant aus, der den jugendlichen David spielt? Habt ihr euch ausgetauscht?

Wir haben bei unserem ersten Zusammentreffen eine gemeinsame Kostümprobe gemacht, die sehr schön war. Dann haben wir viele gemeinsame Gespräche mit dem Regisseur geführt und uns darüber ausgetauscht, wie jeder David sieht. Der fertige David war also eine gemeinschaftliche Arbeit von uns. Ich war auch bei Philips Szenen mit dabei und habe zugesehen, um seinen David fortführen zu können. Er aber nicht bei mir, weil das für ihn natürlich weniger relevant war, wie David später sein würde.

Wir lernen deine Figur kennen, als sie erfährt, bald sterben zu müssen. Was macht das mit David?

Das habe ich auch versucht herauszufinden. Auch bei ihm gibt es mehrere Phasen und Etappen. Es fängt an mit einer Ungläubigkeit. Einer Verleugnung. Dann kommt eine Wut. Er macht da schon eine ziemliche Achterbahnfahrt durch. Das sind Gefühle, durch die du in einer solchen Situation vermutlich erst einmal durch musst, bevor du überlegen kannst, was klar zu tun ist.

Hast du versucht dir vorzustellen, wie das ist, in einer solchen Situation zu sein? Kann man sich das überhaupt vorstellen?

Ich habe oft mit dem Tod zu tun gehabt, auch wenn ich selbst zum Glück nicht in der Situation war. Deswegen konnte ich in meiner Erinnerung kramen und schauen, ob das für David das Richtige ist.

Letztes Jahr warst du in der Serie Nachricht von Mama zu sehen und hast darin den Ehemann einer Frau gespielt, die vor ihrem Tod noch Nachrichten für die Hinterbliebenen aufnimmt. Dieses Mal bist du selbst derjenige, der vor dem Tod solche Nachrichten verfasst. Nachdem du beide Seiten gespielt hast: Was ist schwieriger, solche Nachrichten zu schreiben oder sie zu lesen?

Ich glaube, dass es sehr viel schwieriger ist, sie zu schreiben. Ich stimme auch nicht mit Davids letzten Nachrichten ein, das wäre ich als Privatmensch Golo Euler anders angegangen. Wobei es vermutlich auch unmöglich ist, das wirklich richtig zu machen. Um solche Nachrichten schreiben zu können, musst du wissen, was du wirklich final sagen willst. Und das kannst du nicht, weil sich das Leben immer weiterentwickelt, bis zu dem Punkt, an dem du stirbst. Einen Abschiedsbrief zu schreiben, von dem du überzeugt bist, dass er so wirklich richtig ist, das stelle ich mir sehr schwer vor. Ich glaube, dass es da einfacher ist, diese letzten Nachrichten zu lesen.

Warum hat er sich für diesen Weg entschieden und den Brief geschrieben?

Weil er, glaube ich, viele offene Rechnungen hatte und es ihm wichtig war, diese offenen Rechnungen zu begleichen. Sollte ich einmal in einer solchen Situation sein, hoffe ich, dass ich nachgiebiger wäre.

Weshalb hat er sie nicht vor seinem Tod noch beglichen?

Weil er sich nicht getraut hat. Vielleicht, weil er nicht den Sinn darin gesehen hat. Vielleicht war er auch noch nicht wütend genug. In seinem Brief ist so viel Wut drin. Aber es ist eine Wut, die sich nicht nur auf die Menschen bezieht, sondern auch sein Schicksal. Er ist wütend darüber, sterben zu müssen.

Ein Bild aus glücklicheren Tagen: In „Am Ende – Die Macht der Kränkung“ muss sich eine Familie mit der eigenen Vergangenheit auseinandersetzen. (© ZDF / Petro Domenigg / Philipp Brozsek / FILMSTILLS.AT K.)

Hätte es denn überhaupt einen Unterschied gemacht, wenn er es vorher angesprochen hätte? Da geht es schließlich nicht nur darum, sich mal Luft zu machen. Ein ganzes Leben muss da aufgearbeitet werden.

Das stimmt. Aber jede Sekunde, die du aufwendest, um mit jemand anderem etwas aufzuarbeiten, ist wertvoll. Sehr viel wertvoller, als einfach nur die Vorwürfe zurückzulassen nach dem Motto: „Schau selbst, was du damit anfängst.“ Es wäre also auf jeden Fall sinnvoller gewesen, das alles früher anzusprechen.

Wäre das also dein Rat an Leute in einer solchen Kränkungssituation, das Gespräch zu suchen?

Ja, absolut! Selbst wenn es keine Klärung mit dem Kränkenden gibt, ist schon die Aussprache eine Form der Heilung.

Nun ist Kränkung nicht gleich Kränkung. Manche sind bewusst, weil jemand dich kränken will. Andere sind eher unbewusst, weil die Leute nicht merken, was sie da tun. Macht das aus Sicht des Gekränkten einen Unterschied?

Da sind wir wieder beim Thema, dass in einem solchen Fall Gesprächsbedarf herrscht. Wenn der Gekränkte das offen anspricht, wird er schnell merken, dass es einen Unterschied macht. Behält er es für sich, muss er für sich entscheiden, ob es absichtlich war, und trägt das vielleicht ewig mit sich herum.

Bist du denn jemand, der eine solche Kränkung ewig mit sich herumträgt?

Ich versuche immer, das zu vermeiden. Aber da kommt es zwischen Theorie und Praxis schnell zu Diskrepanzen. Es ist eine Sache, schlaue Ratschläge zu geben. Wenn du selbst in dieser Situation bist, kann das ganz anders aussehen.

Da es sowohl in Am Ende – Die Macht der Kränkung wie auch in Nachricht von Mama um das Thema Sterblichkeit geht: Hat die Arbeit an den Serien deinen eigenen Blick auf das Thema verändert?

Da ich mich auch privat mit dem Thema auseinandersetzen musste, hat sich für mich nicht viel verändert. Ich fand es vielmehr schön, dass ich bei den Serien meine eigenen Erfahrungen einbringen konnte.

Allgemein, was ist dir von der Arbeit an Am Ende – Die Macht der Kränkung geblieben?

Ich habe die Arbeit mit dem Regisseur und den Kollegen sehr genossen. Außerdem habe ich gelernt, noch mehr nach innen zu schauen.

Die Serie ist natürlich sehr emotional und nimmt einen als Zuschauer bzw. Zuschauerin mit. Wie ist es, eine solche Serie zu drehen? Nimmt dich so etwas noch mit?

Na klar! Jeden Kollegen, der sich ernst nimmt, nimmt so etwas mit. Diese Emotionen, die ich spiele, klebe ich mir ja nicht aufs Gesicht. Die kommen aus mir heraus. Natürlich sind die nicht so reell, wie sie wären, wenn ich wirklich in der Situation wäre. Aber ich versuche, dem so nah wie möglich zu kommen. Nach so einem Drehtag bin ich schon erst mal fertig.

Abgesehen von Am Ende – Die Macht der Kränkung, wie geht es bei dir weiter? Welche Projekte stehen an?

Ende Mai startet auch Der Greif. Das war auch eine schöne Erfahrung. Ich war früher großer Fan von Wolfgang Hohlbein und habe seine Bücher sehr gern gelesen. Deshalb war ich sofort dabei, als das Projekt auf meinem Tisch landete. Außerdem war das eine riesige Produktion mit vielen Kostümen und Fantasy. So etwas hat man auch nicht alle Tage in Deutschland.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person
Golo Euler wurde am 8. September 1982 in Starnberg geboren. Von 2002 bis 2006 studierte er an der Bayerischen Theaterakademie August Everding und trat im Anschluss an verschiedenen Theatern auf. 2006 übernahm er die männliche Hauptrolle in dem TV-Drama Auftauchen über die Beziehung zweier Jugendlicher. Im Kino war er unter anderem in Anderswo (2014), Kirschblüten & Dämonen (2019) und Jagdsaison (2022) zu sehen. 



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