Als sich die leidenschaftliche Konditorin Juna (Hanna Mall) mit ihrem Chef überwirft, kündigt sie kurzerhand und zieht mit ihrer Tochter Ida (Emmi Weisse) erst einmal zu ihrem Onkel Nils (Christoph M. Ohrt). Der braucht ohnehin Unterstützung in seiner Bäckerei, nachdem er sich den Arm gebrochen hat. Dabei trifft sie auch Emil (Marc Barthel) wieder, den sie schon seit ihrer Jugendzeit kennt, aber seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Der hat gerade selbst viel um die Ohren, steht doch die Hochzeit mit Liv (Sina Zadra) an, was viel Zeit und Nerven kostet. Gleiches gilt auch für den Kleinkrieg zwischen Nils und seiner Nachbarin Anna (Saskia Valencia), die sich als Mutter von Liv herausstellt. Und als wäre das nicht schon kompliziert genug, taucht auch noch Junas Ex Viggo (Ben Blaskovic) auf, der Vater von Ida, und will wieder die alte Beziehung wiederaufleben lassen …
99 Herzballons
Auch wenn Rosamunde Pilcher oft als Aushängeschild der ZDF-Programmschiene Herzkino angesehen wird und zu einem Symbol für oberflächlich-schwülstige Liebesgeschichten wurde: Inga Lindström steht dem kaum nach. Tatsächlich sind die Filme nach der deutschen Autorin Christiane Sadlo, die sich in ihrem Pseudonym als Schwedin verkauft, ein fester und vor allem häufiger Bestandteil der Sonntagabend-Reihe. Allein 2021 wurden sechs neue Filme ausgestrahlt, 2022 waren es noch fünf. Dieses Jahr ist bislang etwas ruhiger, mit Hanna und das gute Leben kam in den ersten Monaten gerade mal ein Film heraus. Wer seither an Entzugserscheinungen leidet, darf aufatmen: Mit Die Süße des Lebens gibt es nun Nachschub für amouröse Naschkatzen. Es ist der 99. Lindström Teil.
Natürlich muss man die vorherigen 98 Filme nicht gesehen haben, die Geschichte steht für sich. Tatsächlich ist es an und für sich sogar besser, wenn man nicht so viele Teile aus der Reihe kennt, weil die sich schon sehr wiederholen. Sobald erst einmal alle Figuren eingeführt wurden, weiß man sehr genau, wie das alles weitergehen wird. Man versucht bei Inga Lindström: Die Süße des Lebens nicht einmal, spannende Figuren zu entwerfen oder bei den Szenarien mal ein Risiko einzugehen oder wenigstens mal etwas Neues auszuprobieren. Andererseits ist es diese Berechenbarkeit, welche diese Art Unterhaltung Woche für Woche Millionen von Zuschauern und Zuschauerinnen vor die Fernseher lockt. Denn diese wollen gar nicht überrascht werden, sondern die Gewissheit bekommen, dass am Ende alles gut ausgeht und die „Richtigen“ sich ewige Liebe schwören.
Romantik auf Knopfdruck
Dass dafür zwei andere geopfert werden müssen, nimmt man hier kaltschnäuzig und zynisch in Kauf. Damit das dem Publikum schmackhaft gemacht werden kann, wird Liv darauf reduziert, ein pathologisch eifersüchtiges Biest zu sein. An manchen Stellen wird zwar schon noch ein bisschen versucht, sie nicht zu einseitig böse werden zu lassen. Aber eben nur ein bisschen. Bei Inga Lindström: Die Süße des Lebens soll klar sein, dass Juna die Gute ist und deshalb Emil verdient. Dafür muss sie nicht einmal wirklich gut sein. Zumindest liefert Drehbuchautorin Johanna Gagern keine tatsächlichen Argumente, warum man sich nun ausgerechnet in sie verlieben sollte. Nicht dass es bei den anderen Figuren besser wäre. Die werden alle maximal durch eine Eigenschaft charakterisiert, mehr ist nicht drin.
Entsprechend oberflächlich ist die Romanze. Wenn sich hier zwei Menschen am Ende in die Arme fallen, dann nur, weil dies Tradition ist. Viel getan wurde dafür nicht. Wer sich nicht an Emotionalität auf Knopfdruck stört, sondern einfach nur attraktive Leute vor idyllischen Landschaften sehen mag, der bekommt das. Zwar ist die Behauptung von Juna, sie wäre an dem Ort so glücklich wie nie, kaum durch das zu rechtfertigen, was in der Geschichte gezeigt wird. Schön ist die Gegend aber natürlich schon. Inga Lindström: Die Süße des Lebens ist typischer Eskapismus für ein Publikum, das gerne abschalten und träumen mag, ohne sich mit der lästigen Realität da draußen befassen zu müssen.
OT: „Inga Lindström: Die Süße des Lebens“
Land: Deutschland, Schweden
Jahr: 2023
Regie: Laura Thies
Drehbuch: Johanna Gagern
Vorlage: Inga Lindström
Musik: Martina Eisenreich
Kamera: Daniel Bussmann
Besetzung: Hanna Mall, Marc Barthel, Saskia Valencia, Christoph M. Ohrt, Sina Zadra, Ben Blaskovic, Emmi Weisse
Die sonntags auf dem ZDF ausgestrahlte Reihe Herzkino gehört zu den Dauerbrennern des Senders. Seit 1987 laufen, damals noch unter dem Titel Der große ZDF Sonntagsfilm, deutsche Dramen, die sich meistens mit Familien- und Liebesgeschichten befassen. Mehrere Hundert Titel wurden so im Laufe der letzten Jahrzehnte produziert. Unten findet ihr alle unsere bisherigen Rezensionen zu diesem Thema auf einen Blick.
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