Lügen und Geheimnisse Secrets and Lies TV Fernsehen arte Streamen online Mediathek DVD
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Lügen und Geheimnisse

Lügen und Geheimnisse Secrets and Lies TV Fernsehen arte Streamen online Mediathek DVD
„Lügen und Geheimnisse“ // Deutschland-Start: 12. September 1996 (Kino) // 21. Februar 2006 (DVD)

Inhalt / Kritik

Als ihre Adoptiveltern sterben, macht die junge schwarze Optikerin Hortense (Marianne Jean-Baptiste) eine unerwartete Entdeckung: Ihre Mutter soll eine Weiße sein. Es gelingt ihr sogar, sie ausfindig zu machen. Cynthia (Brenda Blethyn) heißt sie, arbeitet in einer Fabrik und lebt mit ihrer zweiten Tochter Roxanne (Claire Rushbrook) in einem ärmlichen Vorort von London. Bei einem ersten Treffen fällt Cynthia aus allen Wolken, will nicht glauben, was sie da hört. Doch nach einer Weile akzeptiert sie, dass dies der Wahrheit entspricht und öffnet ihr Leben für Hortense. Tatsächlich lernt sie durch diese, wieder Spaß an ihrem Leben zu haben, genießt es auszugehen und etwas zu unternehmen. Nur, wie soll sie das alles den anderen erklären? Da ist nicht nur Roxanne, sondern auch ihr Bruder Maurice (Timothy Spall), zu dem sie kaum noch Kontakt hat, sowie dessen Frau Monica (Phyllis Logan), mit der sie sich nie besonders gut verstanden hat …

Unerwarteter Triumph

Mitte der 1990er war Mike Leigh sicher kein Unbekannter mehr. So hatte er zu dem Zeitpunkt eine ganze Reihe von Theaterstücken geschrieben und inszeniert. Auch filmisch war er bereits aktiv gewesen, sein Film Nackt war 1993 im Rennen um die Goldene Palme, er selbst wurde hierfür als bester Regisseur ausgezeichnet. Und doch hätte er wohl auch in seinen optimistischsten Momenten nicht die Resonanz erhofft, die 1996 Lügen und Geheimnisse erhielt. Nicht nur, dass er dieses Mal die Goldene Palme tatsächlich erhielt. Das Drama war zudem für zahlreiche andere bedeutende Filmpreise im Rennen, unter anderem fünf Oscars. Und auch kommerziell war die Geschichte um eine junge Frau, die ihre leibliche Mutter kennenlernt, ein Triumph. Über 50 Millionen US-Dollar spielte der Film weltweit ein, was mehr als das Zehnfache des Budgets war.

Dabei ist Lügen und Geheimnisse eigentlich kein Crowdpleaser. Das Szenario ist sicher ungewöhnlich, wenn eine Schwarze erfährt, dass ihre Mutter weiß ist. Es hätte sich auch für eine Komödie angeboten, mit vielen peinlichen Situationen für die beiden. Solche gibt es durchaus, gerade zum Ende hin. Sie sind aber vielmehr schmerzhaft als komisch. Denn das bedeutet, sich wieder mit einer Vergangenheit auseinanderzusetzen, die lange begraben wurde und von der niemand mehr etwas erfahren wollte. So hat Cynthia ihrer zweiten Tochter Roxanne verheimlicht, dass es vor ihr bereits eine gab, die sie zur Adoption freigegeben hat. Und das ist nur eines von mehreren Geheimnissen, die in dem Film eine Rolle spielen und diesem seinen Titel geben. Ein anderes betrifft die jeweiligen Väter der beiden jungen Frauen.

Zwischen brutal und schön

Dabei ist das natürlich eines der Themen des Films: die Suche nach den eigenen Wurzeln, verbunden mit der Frage der Identität. Wobei Leigh diese Punkte kaum in Worte packt. Wie auch, wenn die Protagonistin eine recht einfache Frau ist, die beinahe chronisch mit allem überfordert ist? Lügen und Geheimnisse verurteilt sie aber nicht dafür, ebenso wenig die anderen Figuren. Stattdessen wird das Drama zu dem Porträt einer Familie, die in vielerlei Hinsicht zu kämpfen. Zuweilen ist das etwas überzogen, wenn später noch ein zweites trauriges Schicksal angesprochen wird. Auch die sehr manipulative Musik passt nicht so recht zu einem Werk, das selbst eigentlich nur beobachten will und als nüchtern verkauft wird. Damit wird der Realismus des typisch englischen Kitchen-Sink-Drama unnötig geschmälert.

Interessanter ist der Film, wenn er sich rein auf seine Figuren konzentriert. Dabei kann er sich gerade auf seine beiden Hauptdarstellerinnen verlassen. Während Blethyn in den folgenden Jahren noch für ein paart weitere größere Preise im Rennen war, verschwand Jean-Baptiste von wenigen TV-Rollen abgesehen mehr oder weniger von der Bildfläche. Ein größerer kommerzieller Erfolg war beiden sowieso nicht vergönnt. Das ist schade, denn als ungleiches Mutter-Tochter-Duo waren sie eine Wucht und sind selbst ein Vierteljahrhundert später noch sehr sehenswert. Lügen und Geheimnisse wird menschlich, wenn es darauf ankommt, bietet dem Publikum schöne und versöhnliche Momente, ohne sich auf Wohlfühlkitsch auszuruhen. Ein Film, der sich mal brutal, dann wieder fürsorglich um eine Wunde kümmert, bei der lange so getan wurde, als gäbe es sie gar nicht.

Credits

OT: „Secrets & Lies“
Land: UK
Jahr: 1996
Regie: Mike Leigh
Drehbuch: Mike Leigh
Musik: Andrew Dickson
Kamera: Dick Pope
Besetzung: Brenda Blethyn, Marianne Jean-Baptiste, Timothy Spall, Phyllis Logan, Claire Rushbrook, Elizabeth Berrington, Michele Austin, Lee Ross

Bilder

Trailer

Filmpreise

Preis Jahr Kategorie Ergebnis
Academy Awards 1997 Bester Film Nominiert
Beste Regie Mike Leigh Nominiert
Bestes Original-Drehbuch Mike Leigh Nominiert
Beste Hauptdarstellerin Brenda Blethyn Nominiert
Beste Nebendarstellerin Marianne Jean-Baptiste Nominiert
BAFTA 1997 Bester Film Nominiert
Bester britischer Film Sieg
Beste Regie Mike Leigh Nominiert
Bestes Original-Drehbuch Mike Leigh Sieg
Beste Hauptdarstellerin Brenda Blethyn Sieg
Bester Hauptdarsteller Timothy Spall Nominiert
Beste Nebendarstellerin Marianne Jean-Baptiste Nominiert
Golden Globes 1997 Bester Film (Drama) Nominiert
Beste Hauptdarstellerin (Drama) Brenda Blethyn Sieg
Beste Nebendarstellerin Marianne Jean-Baptiste Nominiert

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Lügen und Geheimnisse
fazit
„Lügen und Geheimnisse“ war 1996 ein echter Überraschungshit. Und auch mehr als ein Vierteljahrhundert später ist die Geschichte um eine schwarze Frau, die herausfindet, dass ihre Mutter eine Weiße ist, sehenswert. Das ist zwar etwas dicker aufgetragen, als es nötig gewesen wäre, und setzt sich nicht so wirklich tief mit den eigenen Themen auseinander. Das umwerfend gespielte Duo macht dies aber alles wieder wett.
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