Wenn Volker Weinreich (Axel Milberg) auf der Bühne steht und sich dort in die Dragqueen Vivian verwandelt, blüht er richtig auf. In Frauenkleidern kann er sein, wer er will und erfreut damit regelmäßig sein Publikum. Weniger erfreut ist die Mafia darüber, dass Vivian einen Anschlag mitansieht und damit zu einer lästigen Zeugin wird. Also erst einmal untertauchen, so viel steht fest. Nur wohin? Am Ende wird er bei der Grundschullehrerin Katja Stöckmann (Kim Riedle) fündig, die allein mit ihrem 10-jährigen Sohn Lukas (Bruno Thiel) lebt, seitdem ihr untreuer Mann David (Helgi Schmid) ausgezogen ist. Dort will er erst einmal als Volker weitermachen, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Nicht auffallen heißt die Devise. Doch dann lässt er sich darauf ein, Katja bei der Musical-AG in der Schule zu helfen …
Im falschen Kleid
In den letzten Monaten hat es eine ganze Reihe von deutschen Filmen gegeben, die sich mit dem Reizthema Transsexualität auseinandersetzen. Das kann mal mit Humor geschehen, so beim Kinofilm Oskars Kleid, oder auch im Rahmen eines Krimis, wie es bei Theresa Wolff: Der schönste Tag der Fall war. Nun kommt mit Meine Freundin Volker eine weitere hiesige TV-Produktion, die sich der Frage der Geschlechteridentität annimmt. Wobei es hier nicht um Transsexuelle geht, also Menschen, die sich mit dem falschen biologischen Geschlecht geboren fühlen, sondern um Transvestiten. Also Menschen, die sich als anderes Geschlecht verkleiden. Meistens sind das Männer, die Frauenkleidung tragen und mit exaltiertem Verhalten gern auch Klischees aufs Korn nehmen.
Grundsätzlich handelt es sich dabei um eine harmlose Spielerei, die der Unterhaltung dient, was aber gerade Erzkonservative in den USA nicht davon abhält, trotzdem Schaum vorm Mund zu haben, ein pawlowscher Reflex sozusagen. Bei Meine Freundin Volker kommt hinzu, dass Sohn Lukas, der durch den Ehebruch des Vaters plötzlich ohne männliches Vorbild dasteht, selbst mit Geschlechtergrenzen hadert. Papa David, der in dem Film eine halbe Antagonistenrolle einnimmt, sieht das nicht gern. Zwar verzichtet das Drehbuch dankenswerterweise darauf, aus David einen dieser grobschlächtigen Stammtischbrutalos zu machen. Ganz ohne Klischees geht es aber trotzdem nicht, offensichtlich traute man sich das nicht zu. Vielleicht fehlten auch die Ideen.
Eine schillernde Schlaftablette
Allgemein glänzt Meine Freundin Volker nicht gerade mit Kreativität. So erinnert das Szenario ziemlich an den Klassiker Sister Act – Eine himmlische Karriere. In beiden Fällen taucht jemand quasi verkleidet unter, um sich vor Verbrechern zu schützen, und bringt mit einer unkonventionellen Art feste Gewissheiten ins Wanken. Das soll zuerst durch starke Kontraste lustig sein, klassisches Culture Clash eben. Am Ende dürfen alle etwas dazugelernt haben, die Welt wurde zu einem besseren Ort. Das ist nett gemeint. Nett gemeint heißt aber nicht zwangsläufig, dass das Ergebnis auch gut unterhält. Tatsächlich begeht der deutsche Film das schlimmste Kapitalverbrechen, das ein Film begehen kann: Er ist langweilig.
Klar wird versucht, das Publikum zum Lachen zu bringen. Da ist zum einen der besagte starke Kontrast. Wenn eine ausschweifende Bühnendiva auf eine etwas piefige Provinz ohne große Vorstellungskraft trifft, sind das schon zwei Welten. Axel Milberg, sonst eher durch seine Tatort-Auftritte bekannt, darf dabei mal eine ganz andere Seite von sich zeigen. Der andere Aspekt betrifft die Sache mit der Mafia, die natürlich weiterhin Ausschau hält nach der Dragqueen. Beides ist bewährt, lässt aber völlig eigene Einfälle vermissen. Sobald Volker erst einmal in seiner neuen Zwischenheimat angekommen ist, kann man als Zuschauer bzw. Zuschauerin so viel von dem Rest vorhersagen, dass es schon völlig überflüssig ist, sich Meine Freundin Volker überhaupt noch anzusehen. Wer selbst Fan ist von Travestie bekommt hier zwar ein paar schillernde Auftritte geboten. Aber das ist nicht genug, um die Schlaftablette auszugleichen.
OT: „Meine Freundin Volker“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Piotr J. Lewandowski
Drehbuch: Julia Penner, Andreas Wrosch
Musik: Lenny Mockridge
Kamera: Patrick-D. Kaethner
Besetzung: Axel Milberg, Kim Riedle, Tante Gladice, Helgi Schmid, Bruno Thiel, Frida Stittrich
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