Moderne Kunst hat viele Definitionen und oft scheint es so, als ob jeder Künstler oder jede Künstlerin sein / ihre eigene hat. Immer wieder jedoch ist es die Balance zwischen einer individuellen Sicht auf Trends, Politik und Gesellschaft mit einer Form, welche die veränderten Sehgewohnheiten der Zuschauer mit einbezieht. Nicht selten waren die Ergebnisse schrecklich, entweder weil man sich über die Ästhetik zu sehr angebiedert hat oder weil die Thematik zu plakativ präsentiert wurde, aber es gab auch durchaus interessante Ergebnisse, die ihre Erschaffer überlebt haben. Viele, wie der Koreaner Nam June Paik, verbanden Form und Inhalt in ihrer Kunst, wobei es Paik in erster Linie um die Zukunft des Menschen ging, auf welche die Kunst reagieren und sich mit auseinandersetzen musste. „Technologie ist die neue Membran unserer Körper“ („Technology is the body’s new membrane of existence.“), sagte er einmal und definierte damit seine Sichtweise als Künstler, welche die heutige Video- und Medienkunst begründete.
In Ihrer Dokumentation Nam June Paik: Moon is the Oldest TV, die auf dem DOK.fest München zu sehen ist, befasst sich Regisseurin Amanda Kim mit dem Leben wie auch dem Werk des koreanischen Künstlers. Ausgehend von seiner Studienzeit in München sowie anderen Stationen in der Biografie Paiks will die Dokumentation nachvollziehen, wie sich die Themen des Künstlers entwickelt haben, wie er seine Stimme fand und seine jeweiligen Ideen weiterdachte. Vom Entwurf bis hin zur Aufführung und den teils verhaltenen, teils vernichtenden Kritiken in der ersten Zeit soll es nicht allein um das Porträt eines Künstlers gehen, sondern vielmehr um die Idee Paiks als eine Art Visionär, der viele der heutigen Themen wie die Abhängigkeit des Menschen von Technik oder das veränderte Selbstbild vieler durch die verschiedene Technologien vorwegnahm.
Zerstörung und Wiederaufbau
Im Jahr 1963 hat Paik seine erste eigene Ausstellung unter dem Titel Exposition of Musik – Electronic Television in Wuppertal, in der sich den Besuchern sein Hauptthema offenbart. In den Räumen der Galerie Parnass sind verschiedene Fernseher verteilt, die Paik auseinandergenommen und mittels diverser Techniken verändert hat, teils sogar so, dass man als Betrachter selbst mit diesen interagieren und etwas Neues kreieren kann. Unterlegt mit Aufzeichnungen Paiks, die im Original von Schauspieler Steven Yuen (Burning, Beef) eingesprochen wurden, ergibt sich ein Bild eines Menschen, der nach einer ernsthaften Auseinandersetzung mit Medien strebte und dafür eine Sprache suchte. Anekdoten, beispielsweise als Paik sich ein TV-Gerät zulegte und begann diese auseinanderzunehmen, zeigen dieses unermüdliche Suche, was sich schließlich in bisweilen sehr interessanten, dann aber auch wieder albernen und geschmacklosen Aktionen äußerte, die nicht selten auf harsche Kritik stießen.
Bisweilen wirkt Kims Film mehr wie eine Werkschau, was eine Tendenz ist, die man bei vielen Künstlerbiografien beobachtet. Spannend wird Moon is the Oldest TV, wenn es um die Sichtweise des Künstlers geht, der innerhalb einer Technologie, die auf passives Konsumieren ausgelegt war, nach Mitteln suchte, wie man mit ihr interagieren konnte. Dass sich daraus eine Hassliebe zur Technologie, insbesondere zum Fernsehen, entwickelte, wie Paik zu Anfang der Dokumentation zitiert wird, wirkt in diesem Kontext nur folgerichtig. Dem Zuschauer wird unterdessen verdeutlicht, welchen Stellenwert Paik innerhalb der Video- und Performancekunst einnimmt, was eindrücklich betont wird durch die zahlreichen Archivaufnahmen seiner Auftritte sowie Interviews mit Künstlerkollegen, Zeitzeugen oder Freunden.
OT: „Nam June Paik: Moon is the Oldest TV“
Land: Südkorea, USA
Jahr: 2023
Regie: Amanda Kim
Musik: Will Epstein, Ryuichi Sakamoto
Kamera: Nelson Walker
Sundance Film Festival 2023
DOK.fest München 2023
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