In einem Altersheim in der Nähe der kleinen Gemeinde Sandusky, Ohio lebt der ehemalige Friseur Pat Pitsenbarger (Udo Kier). Einst war er eine der schillerndsten Persönlichkeiten der Stadt, mit einem Kundenstamm, der von weit her reiste, um bei ihm im Friseurstuhl Platz nehmen zu dürfen. Von dem Ruhm und vor allem dem Geld von damals ist nicht mehr viel übrig, doch es reicht noch, um sich einen angenehmen Lebensabend zu machen. Von daher reagiert Pat alles andere als freundlich, als ihn der Testamentsvollstrecker einer seiner besten Kundinnen das Angebot unterbreitet, bei deren Begräbnis ihre Frisur und ihr Make-up zu machen. Trotz der stolzen Summe, die er für diesen Dienst erhält, denkt Pat nicht daran, auf das Angebot einzugehen. Doch schon am nächsten Tag bereut er seine Entscheidung, flüchtet kurzentschlossen aus dem Heim und nach macht sich auf nach Sandusky. Aber es sind nicht nur die Geldscheine, die ihn auf dem Weg in seine alte Heimat beschäftigen, sondern auch die Erinnerungen an sein altes Leben und wie viel von diesem noch übrig ist.
Besonders die Erinnerung an seinen Lebensgefährten David macht ihm schwer zu schaffen und ein Besuch an dessen Grab nimmt Pat sehr mit. Während er sich innerlich darauf einstellt, seiner ehemaligen Kundin einen letzten Dienst zu erweisen und einer seiner Konkurrentinnen von einst ein letztes Schnippchen zu schlagen, erkennt er, dass er keinen Platz mehr in dieser Gemeinde hat und seine Zeit gekommen ist.
Zurück nach Sandusky
Nach Edge of Seventeen und Gypsy 83 folgt mit Swan Song der Abschluss der Sandusky-Trilogie von Regisseur Todd Stephens, der in diesen Filmen über seine Heimatstadt, seine Kindheit und Jugend in ihre sowie bestimmte Lokalberühmtheiten spricht. Eine davon war Pat Pitsenbarger, der nicht nur ein bekannter Friseur in Sandusky war, sondern zu ein Mensch, der sich durch seine offene Homosexualität sich für die Rechte der Schwulen stark machte und von den Bürgern der Gemeinde akzeptiert wurde. Mit Swan Song erhält die Filmreihe nicht nur einen mehr als würdigen Abschluss, sondern es entstand ein Film über das Erinnern, über Würde und über das Älterwerden, der vor allem durch Udo Kier in der Hauptrolle eine ungeheure Kraft erhält.
Viele Autoren, Regisseure und Künstler haben sich an dem Begriff der Heimat abgearbeitet, nicht immer sehr erfolgreich. Die Bilder, die Szenen oder die Figuren können oftmals nur reflektieren, lassen aber nicht immer zu, dass man zu einer Form der Verarbeitung eines Sachverhalts kommt. In Bezug auf das Publikum heißt, dass man wenig oder gar nichts von dem Werk mitnimmt, auch wenn es vielleicht mit viel Talent und Finesse gefertigt wurde. In den Bilder und Figuren von Swan Song drückt sich eine gewisse Reife aus, die man selten in solchen Filmen sieht. Sie zeigt eine Balance zwischen kritischer Distanz, Akzeptanz und diesem Heimatgefühl, wie man es kennt, wenn man nach langer Zeit wieder sein Zuhause besucht. Man hat diese ur-amerikanischen Szenen einer Stadt, von der Holzveranda angefangen bis hin zu der Landschaft an sich. Doch dann ist da auch noch die Sub-Kultur, die Schwulenbar beispielsweise, die gleichsam im Kontext von Gentrifizierung weichen muss. Der Kontrast von damals und heute, der sich in der Erinnerung des Protagonisten widerspiegelt, bestimmt den Film, verweist auf das, was unwiederbringlich verloren ist (Menschen wie auch Orte), was der Geschichte einen warm-melancholischen Ton gibt.
Ein letztes Mal auf der Bühne stehen
Zugleich ist Swan Song auch ein ungemein unterhaltsamer Film, was nicht zuletzt an Udo Kiers Schauspiel liegt. Innerhalb des Altersheims und der Gemeinde an sich ist er zugleich Außenseiter und Teil der Geschichte dieser Stadt, was ihn mit einem gewissen Stolz erfüllt. Pat ist keiner, der bereut, sondern vielmehr einer in Feierlaune, der ein letztes Mal auf der Bühne stehen und bewundert werden will, und der dies freilich nicht in Schlabberklamotten machen will. Kier gibt dieser Figur eine große Würde und Eleganz, die er sich nicht nehmen lassen will, egal, mit wem er es zu tun hat. Wir lachen mit ihm, als er einem arroganten Anwalt ein paar Geldscheine entlockt, die er prompt für ein gutes Glas Weißwein ausgibt, und wir feiern ihn, wenn er einer Verkäuferin einen der schönsten Momente ihres Tages schenkt. Dieser Schwanengesang ist berührend, lustig und niemals langweilig.
OT: „Swan Song“
Land: USA
Jahr: 2021
Regie: Todd Stephens
Drehbuch: Todd Stephens
Musik: Chris Stephens
Kamera: Jackson Warner Lewis
Besetzung: Udo Kier, Jennifer Coolidge, Linda Evans, Michael Urie, Roshon Thomas, Ira Hawkins
Ihr wollt mehr über den Film erfahren? Wir hatten die Gelegenheit, uns mit Hauptdarsteller Udo Kier zu unterhalten. Im Interview zu Swan Song sprechen wir über seine Rolle, die Dreharbeiten und wichtige Lektionen.
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Film Independent Spirit Awards | 2022 | Bestes Drehbuch | Todd Stephens | Nominiert |
Bester Hauptdarsteller | Udo Kier | Nominiert |
SXSW 2021
Zurich Film Festival 2021
Film Festival Cologne 2024
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)