Als Gulli (Ólafur Darri Ólafsson) und die anderen im März 1984 aufs Meer fahren, sieht es nach einem ganz normalen Arbeitstag für die Fischer aus. Keiner ahnt die Katastrophe, welche den sechs bevorsteht: Das Schiff kentert bei einer isländischen Inselgruppe, die Besatzung geht bei dem Vorfall von Bord. Während die anderen sofort sterben oder in dem eisigen Wasser erfrieren, gelingt es Gulli tatsächlich, das Unglück zu überleben und bis an die Küste zu schwimmen, wo er sich noch mehrere Kilometer hinschleppt, bevor er bei einem Haus ankommt. Dort findet er die dringend benötigte Hilfe, der Mann kommt mit einem Schrecken davon. Aber wie kann das sein? Wie hat er es geschafft, über so lange Zeit in den eiskalten Fluten zu überleben?
Ein unglaublicher Überlebenskampf
Auch wenn Baltasar Kormákur natürlich noch andere Filme in seiner inzwischen über 20 Jahre dauernden Karriere gedreht hat, so darf man dem isländischen Regisseur doch eine gewisse Vorliebe für Survivalthriller unterstellen. Tatsächlich waren seine letzten drei englischsprachigen Filme Everest (2015), Die Farbe des Horizonts (2018) und Beast – Jäger ohne Gnade (2022) alle in diesem Bereich angesiedelt, auch wenn es natürlich Unterschiede gab. Diese Vorliebe war dabei schon bei einem früheren Werk von ihm zu sehen. Denn auch in dem bereits 2012 veröffentlichten Drama The Deep spielt ein Überlebenskampf eine entscheidende Rolle. Hier ist es ein Schiffsunglück, welches den Figuren zum Verhängnis wird. Dieses geschieht zwar an und für sich nicht weit entfernt von der Küste. Aber eben doch zu weit, bei einer Wassertemperatur von 5 Grad Celsius kam man nicht weit.
Und doch ist der Film nur zum Teil mit klassischen Survivalthrillern zu vergleichen. Genauer ist es der Mittelteil, der vom Überlebenskampf handelt. Dieser ist zwar wichtig, nimmt aber einen überraschend geringen Raum ein. So dauert es eine Weile, bis der Protagonist überhaupt am Unglücksort eintrifft. Zuvor geht es erst einmal darum, in The Deep etwas über die Männer und ihre Situation zu verraten und ein Gefühl zu vermitteln, mit wem wir es überhaupt zu tun haben. Das ist nicht ungewöhnlich, andere Katastrophenfilme verfahren genauso. Tatsächlich ähnelt die isländische Produktion hier bekannten Kollegen wie etwa Der Sturm, bei dem ebenfalls eine Reihe von Männern mit ihrem Boot auf dem Meer kentern und das Publikum bangen soll, ob sie es lebend wieder ans Land schaffen. Diese Passage ist durchaus spannend. Zwar stand Kormákur natürlich nicht das Budget zur Verfügung, das er und andere bei Hollywood-Katastrophen verpulvern durften. Der Isländer zeigt aber, dass dies auch gar nicht unbedingt nötig ist.
Die Suche nach einer Erklärung
Was The Deep aber tatsächlich von anderen Werken aus diesem Segment unterscheidet, das ist das letzte Drittel, wenn die Geschichte nach dem Unglück angesprochen wird und das unglaubliche Überleben thematisiert wird. Klar, es gibt immer mal wieder Survivalthriller, bei denen jemand überlebt. Das dürfte sogar bei den meisten der Fall sein, das Publikum liebt einfach heroische Schicksale. Umso mehr, wenn diese auf einer wahren Begebenheit basieren. So auch bei Gulli bzw. Guðlaugur Friðþórsson, der in Island den Status eines Nationalhelden genießt. Das Besondere ist, dass niemand so ganz erklären kann, wie er es geschafft hat zu überleben. Eigentlich hätte er auf dem Weg ans Land sterben müssen, da der menschliche Körper nicht für diese niedrigen Temperaturen gedacht ist.
Zum Teil ist das dann auch das Thema im letzten Drittel, wenn wissenschaftliche Experimente klären sollen, wie das Unmögliche möglich wurde. Dabei fand man Erstaunliches heraus. Aber nicht genug, um eine vollständige Erklärung liefern zu können. The Deep erzählt damit die Geschichte eines kleinen Wunders – was sich immer gut verkaufen lässt. Dabei ist lobenswert, dass Kormákur aber nicht versucht, das Ganze komplett auszuschlachten. Es gibt keine hochdramatischen Szenen, voll von manipulativ-hochtrabender Musik. Stattdessen ist der Film recht nüchtern gehalten, verlässt sich allein auf den Inhalt sowie Hauptdarsteller Ólafur Darri Ólafsson (Dem Leben auf der Spur). Das ist auch mehr als ein Jahrzehnt später sehenswert und ein beeindruckendes Zeugnis eines menschlichen Überlebenswillens.
OT: „Djúpið“
Land: Island
Jahr: 2012
Regie: Baltasar Kormákur
Drehbuch: Baltasar Kormákur, Jón Atli Jónasson
Musik: Ben Frost
Kamera: Bergsteinn Björgúlfsson
Besetzung: Ólafur Darri Ólafsson, Jóhann G. Jóhannsson, Stefán Hallur Stefánsson, Björn Thors, Þröstur Leó Gunnarsson, Walter Grímsson
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