Die angehende Biologin Laura, mit unaufdringlicher Intensität durch Laura Paredes verkörpert, hält sich in der titelgebenden Kleinstadt Trenque Lauquen südwestlich von Buenos Aires zu Forschungszwecken auf, verschwindet dann aber spurlos. Ihr Freund Rafael (Rafael Spregelburd) und ihr Forscherkollege Ezequiel (Ezequiel Pierri), der mit ihr eine Liebesaffäre begonnen hat, begeben sich auf eine Reise quer durch die argentinische Pampa, um ihren Spuren zu folgen. Doch schon bald stehen sie vor immer komplexeren und vielschichtigeren Einsichten …
Ein erzählerisches Labyrinth aus Liebe und Verlust
Trenque Lauquen erzählt nicht einfach eine weitere Geschichte um das Verschwinden einer Person, sondern wandelt dieses klassische Motiv in ein erzählerisches Labyrinth um, das sich über zwölf Kapitel und zwei abendfüllende Filme (Teil 1 & 2) erstreckt, ähnlich einer Kletterpflanze, die eine Mauer in vielen verschiedenen Richtung erklimmt und erkundet.
Die Regisseurin Laura Citarella schafft es zweifellos, beim Zuschauer eine Atmosphäre der Spannung und Neugierde zu erzeugen, die genau der emotionalen Gemütslage der Figuren entspricht. Die Suche der Männer nimmt ein Eigenleben an, das die labyrinthische Qualität sowohl der Landschaft als auch der Gefühle widerspiegelt. Während sich die verschiedenen Erzählstränge ausbreiten, kommt man jedoch nicht umhin, die Natur dieser „männlichen“ Suche nach Laura zu hinterfragen – denn wie kommen Rafael und Ezequiel darauf, dass die Frau überhaupt gefunden werden will? Nichts deutet nämlich auf ein unfreiwilliges Verschwinden hin – eher das Gegenteil ist der Fall … Es ist eine Erinnerung daran, dass Verlorenheit manchmal eher Befreiung als Gefangenschaft bedeuten kann!
Ein Rätsel, umhüllt in Poesie
Der Film verknüpft geschickt zwei zeitliche Dimensionen: Die Suche nach Laura in der Gegenwart und das vergangene romantische Geheimnis von Carmen Zuna, einer Lehrerin, die in den 1960er-Jahren eine leidenschaftliche Affäre mit einem örtlichen italienischen Großgrundbesitzer hatte. Lauras Entdeckung der in Bibliotheksbüchern versteckten Liebesbriefe der beiden zieht sie und Ezequiel, den sie in ihren Fund einweiht, in eine Liebesgeschichte und veranschaulicht, wie Leidenschaft die Zeit durchdringen kann. Dieses Thema setzt sich in der zweiten Hälfte des Films fort, wo sich das Mysterium um Lauras Verschwinden mit einem neuen Rätsel verbindet: zwei lesbische Liebende, die heimlich (wohl) eine mutierte Kreatur aufziehen!
Die Stärke des Films liegt nicht nur in seiner suggestiven Erzählweise, sondern auch in seiner Bereitschaft, in das Reich des Unbekannten und manchmal auch des Unheimlichen einzutauchen. Dies geschieht aber stets in sanften Bildern, die mit Poesie aufgeladen sind und von beklemmend schönen Klängen begleitet werden – und nie durch explizite Schockbilder wie man sie aus Genrefilmen gewohnt ist. Die vielen kleinen Geschichten, aus denen sich Trenque Lauquen letztendlich zusammensetzt, scheinen ein Eigenleben zu führen, drehen sich und gehen unvorhersehbar ineinander über. Elemente des Krimis, des Liebesfilms und des Mysterydramas fügen sich zu einem auswuchernden Ganzen zusammen, bei dem die Freude am Erzählen und die Illustration von Gefühlen die Oberhand über die Details der Handlung gewinnen.
Mit ihrem Film beweist Citarella, dass das Rätsel selbst manchmal faszinierender sein kann als seine Lösung (quasi in bester David-Lynch-Manier). Sie hat eine tierische Lust am Geschichtenerzählen und lädt den Zuschauer ein, sich in einem verschlungenen Plot-Dickicht zu verlieren, bis er selbst feststellt, dass er, wie Laura, verschwunden ist, sich im Film aufgelöst hat. Am Ende wird man das Gefühl nicht los, gerade einen den Zeitgeist umfassenden Roman gelesen zu haben, pardon, gesehen zu haben – so genial erzählt ist die mehr als vier Stunden lang dauernde Geschichte.
OT: „Trenque Lauquen“
Land: Argentinien, Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Laura Citarella
Drehbuch: Laura Citarella, Laura Paredes
Musik: Gabriel Chwojnik
Kamera: Agustín Mendilaharzu, Inés Duacastella, Yarará Rodriguez
Besetzung: Laura Paredes, Ezequiel Pierri, Rafael Spregelburd, Juliana Muras, Verónica Llinás
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