Schon seit einiger Zeit ist Boonmee (Thanapat Saisaymar) krank, doch als er erfährt, dass er nicht mehr lange leben wird, beschließt er, seine Familie für ein letztes gemeinsames Abendessen zusammenzurufen. Seine Schwester Jen (Jenjira Pongpas) und ihr Sohn Tong (Sakda Kaewbuadee) sind froh, wieder auf der Farm ihres Onkels zu sein, jedoch betrübt es sie, als sie von seinem gesundheitlichen Zustand hören. Während des Essens auf der Veranda, während um sie herum die Geräusche des Dschungels ertönen, kommt es zu einer unheimlichen Begegnung, denn auf einmal sitzen Boonmees verstorbene Frau Huay (Geerasak Kulhong) sowie sein vermisster Sohn Boonsong (Geerasak Kulhong) neben ihnen. Boonmee, der überglücklich ist, seine ganze Familie um sich versammelt zu haben, schwelgt mit ihnen in Erinnerungen an alte Zeiten, und Boonsong berichtet von einer Begegnung im Dschungel, die zu seinem Verschwinden vor vielen Jahren führte. Im Laufe der Tage verschlechtert sich Boonmees Gesundheit drastisch und er ist sich sicher, dass seine einzige Chance auf Heilung im Urwald liegen könnte oder vielmehr eine Möglichkeit für vergangene Sünde abbitte zu leisten.
Die totale Erinnerung
Uncle Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben ist der insgesamt sechste Spielfilm von Regisseur Apichatpong Weerasethakul (Memoria, Cemetery of Splendour) und war bis 2010 auch sein aufwendigster. Während eines Aufenthalts in einem buddhistischen Kloster wurde er von einem Mönch auf das Buch Ein Mann erinnert sich an seine vergangenen Leben aufmerksam gemacht. Der Hauptcharakter sowie die Rolle des Dschungels in der Handlung faszinierte Weerasethakul nachhaltig, sodass viele Elemente bereits in Blissfully Yours oder Tropical Malady zu finden sind, ebenso wie der Charakter des Onkel Boonmee. Uncle Boonmee markiert zudem einen Einschnitt in der Karriere des Thailänders, dessen vergangene Projekte zwar durchaus im Ausland beachtet worden waren, der aber mit dem Gewinn der Goldenen Palme auf den Filmfestspielen in Cannes 2010 einen kreativen Höhepunkt erlebte.
Geister spielen eine große Rolle innerhalb des filmischen Schaffens Weerasethakuls. Uncle Boonmee ist deswegen aber noch lange kein Gruselfilm, selbst wenn das Erscheinen bestimmter Kreaturen oder das der Geister von Verstorbenen sicherlich Irritation beim Zuschauer auslöst. Vielmehr bezieht sich Weerasethakul auf die lange Reihe von Mythen sowie buddhistischen Legenden und sagt sich damit los von den Grenzen von Raum und Zeit, ebenso wie der Protagonist des Buches, das ihm die Inspiration zu diesem Film gab. Durch die Nähe zum Ursprung aller Dinge, also dem Dschungel, werden diese Sphären aufgehoben, Geister erscheinen und Erinnerungen an vergangene Leben werden freigesetzt, die vorher blockiert waren. Uncle Boonmee mag man kritisieren wegen seiner Spiritualität, andererseits kommt Weerasethakul der Definition von Erinnerung sehr viel näher, in der wir Tote wiederauferstehen lassen und Episoden unseres Lebens noch einmal erleben können.
Zwei Welten, nah beieinander
Auch in Uncle Boonmee spielt das Konzept der Dualität eine wichtige Rolle. In seinen vorherigen Filmen konnte man als Zuschauer nachvollziehen, dass sich ab einer bestimmten Zeit eine neue Geschichte entwickelte, die sich entweder mit der vorherigen verbunden ließ oder eben nicht. Doch nicht nur narrativ markiert das Thema einen Konstante im Werk des Thailänders, auch in Aspekten wie dem Kontrast von Stadt und Land findet es sich wieder. In seinem sechsten Film sind diese Kontraste zwar präsent, aber noch lange nicht so klar zu kennzeichnen, wie in den vorherigen Werken. Im Dschungel, dem Platz des Ursprungs, verlaufen sich diese Trennungen, wie eben auch die zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Das Geschehen wechselt zwischen dem des Abendessens sowie der folgenden Ereignisse, zu der Geschichte von Boonmees Sohn und der Legende von einer Prinzessin. Der Zuschauer akzeptiert diese Verwischungen der Grenzen auf erzählerischer wie auch formaler Ebene, wegen der poetischen Bildsprache einerseits wie auch dem hervorragenden Sounddesign, und bekommt dafür einen wahrhaft fantastischen Film geboten, der sich noch traut „pures Kino“ zu sein.
OT: „Lung Boonmee raluek chat“
Land: Thailand
Jahr: 2010
Regie: Apichatpong Weerasethakul
Drehbuch: Apichatpong Weerasethakul
Kamera: Sayombhu Mukdeeprom, Yukontorn Mingmongkon, Charin Pengpanich
Besetzung: Thanapat Saisaymar, Sakda Kaewbuadee, Jenjira Pongpas, Geerasak Kulhong, Geerasak Kulhong
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