Richtig glücklich ist Aitor (Sofía Otero) nicht. Das fängt schon damit an, dass Aitor gar nicht Aitor sein will. Denn das achtjährige Kind fühlt sich nicht wie Aitor, auch wenn das der Name ist, den es bei seiner Geburt bekommen hat und den alle anderen benutzen. Cocó, der Spitzname des Kindes, ist da schon besser. Aber auch der passt nicht ganz. Immer wieder wird herumprobiert, bei der Kleidung, bei dem Namen. Lucia wäre nicht schlecht, das fühlt sich gut an, wie sie eines Tages feststellt. Nur weiß Lucia nicht, wie sie das den anderen sagen soll. Denn auch wenn ihre Mutter Ane (Patricia López Arnaiz) sie bei vielem unterstützt, fällt es Lucia schwer, über ihre Gefühle zu reden. Zum Glück sind da aber noch andere, die ihr bei dieser Entdeckungsreise helfen. Vor allem Großtante Lourdes (Ane Gabarain), die sich um die Bienen kümmert, hat immer ein offenes Ohr …
Die Suche nach dem passenden Geschlecht
Transgeschlechtlichkeit ist eines der Themen, welche in den letzten Jahren auf einmal sehr kontrovers diskutiert wird, obwohl das Phänomen nicht gerade neu ist. Das bedeutet auch, dass Filme dieses immer mal wieder aufgreifen und dabei meistens eine Lanze für die Betroffenen brechen. Hierzulande gab es beispielsweise mehrere Fernsehkrimis, die sich in diesem Umfeld bewegten, etwa Theresa Wolff: Der schönste Tag und Polizeiruf 110: Daniel A. Eine leichtere Variante dieses Stoffes war zuvor in Oskars Kleid zu finden. Darin muss ein Vater zu seinem Entsetzen feststellen, dass sein Sohn Oskar lieber Kleider trägt und Lili genannt werden möchte. In eine ganz ähnliche Richtung geht der spanische Film 20.000 Arten von Bienen. Auch hier entdeckt ein Junge für sich, dass er eigentlich ein Mädchen ist – oder vielleicht auch nicht, da ist zumindest anfangs noch viel Unsicherheit bei dem Kind dabei, wer es ist.
Während die Geschichte und die Absicht dahinter vergleichbar sind, gehen die beiden Filme doch in deutlich unterschiedliche Richtungen. Ein Punkt, der die zwei unterscheidet, ist die Tonalität. So versuchte es der deutsche Titel mit Humor, zeigte immer wieder komische Momente aus dem Leben der Familie. Beispielsweise führte das Spiel mit den Geschlechtern immer mal wieder zu misslichen bis peinlichen Situationen, welche durch die überzeichneten Figuren weiter verstärkt wurden. Die spanische Regisseurin und Drehbuchautorin Estibaliz Urresola Solaguren geht einen anderen Weg, bleibt bei ihrem Spielfilmdebüt betont ernst. Gleichzeitig verzichtet sie auf das Konfrontative von Oskars Kleid. Während es dort von Anfang an zu Konflikten kommt, gibt sich 20.000 Arten von Bienen deutlich zurückhaltender. Das liegt auch daran, dass die Protagonistin nur langsam überhaupt in diese neue Rolle findet.
Aus Perspektive des Kindes
Damit einher geht auch ein deutlicher Perspektivwechsel. Florian David Fitz, der beim obigen Werk nicht nur die Hauptrolle spielte, sondern auch das Drehbuch schrieb, machte sich letztendlich selbst zum Protagonisten. Auch wenn es letztendlich um das Schicksal des Kindes ging, blieb dieses bei der Erzählung etwas außen vor. Im Mittelpunkt der Komödie stand der Vater, der nicht wusste, wie er mit der Situation umgehen soll. 20.000 Arten von Bienen nimmt hingegen die Perspektive des Kindes ein, schildert alles aus der Sicht eines Jungen, der auf einmal an allem zweifelt. Allen voran an sich selbst. Ein Schlüsselsatz fällt gegen Ende des Films, wenn Aitor/Lucia verzweifelt fragt, warum ihr bester Freund weiß, dass er ein Junge ist, während er/sie das nicht kann.
Das ist eindrucksvoll von der spanischen Nachwuchsdarstellerin Sofía Otero verkörpert, die bei der Berlinale 2023 für die beste schauspielerische Leistung ausgezeichnet wurde. Überhaupt profitiert das Drama von einem guten Ensemble. Allerdings braucht man schon ein wenig Geduld, Estibaliz Urresola Solaguren hat es bei ihrer über zwei Stunden dauernden Erzählung nicht sonderlich eilig. Da der Film zudem auf die besagten Konflikte verzichtet, dürften manche im Publikum etwas ungeduldig darauf warten, dass die Handlung mal vorangeht. Zumal einige der Zwischenstationen nicht unbedingt originell geworden sind. Dafür punktet 20.000 Arten von Bienen mit sehr schönen Bildern aus der naturbelassenen Gegend. Die sind hier nicht bloße Kulisse, sondern Teil eines Selbstverständnisses, bei dem es auch darum geht, in sich zu ruhen und eins zu werden mit der Natur. Bei Lucia dauert es nur ein wenig länger, bis sie ihren eigenen Zugang dafür findet – und bis andere lernen, sie auf diesem Weg zu begleiten.
OT: „20.000 especies de abejas“
Land: Spanien
Jahr: 2020
Regie: Estibaliz Urresola Solaguren
Drehbuch: Estibaliz Urresola Solaguren
Kamera: Gina Ferrer García
Besetzung: Sofía Otero, Patricia López Arnaiz, Ane Gabarain, Itziar Lazkano, Martxelo Rubio, Sara Cózar, Unax Hayden, Andere Garabieta, Miguel Garcés
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