Wenn die Menschen davon erzählen, dass sie irgendwohin gehen wollen, um dort Abenteuer zu erleben, werden einem die unterschiedlichsten Orte einfallen. Deutschland gehört eher nicht dazu. Umso größer dürfte bei vielen die Überraschung sein, wenn sie erfahren, dass Abenteuerland streng innerhalb der Landesgrenzen bleiben. Aber das ist eben auch Teil der Aussage des Dokumentarfilms. Dieser will einem vor Augen führen, dass man gar nicht in die Ferne schweifen muss, um etwas erleben zu können. Um das zu beweisen, hat sich Christo Foerster vieles vorgenommen. Einmal quer durch Deutschland will er reisen, vom äußersten Süden bis in den Norden. Startpunkt ist die Südspitze, Endhaltestelle soll Sylt sein. Das bedeutet nicht nur geografisch den maximalen Kontrast, sondern auch im Hinblick auf die jeweiligen Landschaften. Da treffen Berge auf flache Küstengegenden.
Zu Fuß und mit dem Paddel durchs Land
Nun ist Abenteuerland nicht einfach die Chronik eines Urlaubs. Da hat Foerster schon etwas größere Ambitionen. Erfahrungen mit sogenannten Mikroabenteuern hat er einige gesammelt, hat darüber Bücher geschrieben und einen Podcast gemacht. Anstatt wie bislang aber maximal 72 Stunden unterwegs zu sein, wird sei neues Abenteuer mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Ein Grund dafür ist seine Einschränkung im Hinblick auf das Fortbewegungsmittel. Hier gibt es kein Auto, kein Zug oder Flugzeug. Nicht einmal ein Fahrrad ist ihm gestattet. Stattdessen legt er die Strecke je nach Abschnitt entweder zu Fuß oder mit einem Standup Paddleboard zurück.
Dass beides nicht unbedingt die schnellsten Fortbewegungsmittel sind, ist ihm natürlich klar. Aber um Geschwindigkeit soll es dabei auch nicht gehen. Im Gegenteil, das Unterfangen ist mit einem bewussten Wahrnehmen verbunden. Er will die Natur sehen, will ihr nahe sein und sie empfinden. Das klingt nach Esoterik, nach kitschigen Selbsthilferatgebern und Kalendersprüchen. Ist aber nicht so. Das liegt auch daran, dass die Erfahrungen nur zum Teil zum Nachahmen motivieren. Wenn es in Abenteuerland mal wieder am Stück lange regnet und er völlig durchnässt sind, ist das ebenso wenig einladend wie die Blasen an den Füßen. Unterwegs ständig irgendetwas zu verlieren, nicht einmal mehr eine Zahnbürste zu haben, ist jetzt auch nicht unbedingt erstrebenswert.
Schöne Erfahrung ohne große Erkenntnis
Foerster schildert das alles offen, lässt keinen Zweifel daran, wie anstrengend das alles ist. Aber es gibt eben auch sehr schöne Passagen. Natürlich ist das alles ein bisschen eine Binsenweisheit. Die meiste Zeit über tut der Film aber auch nicht so, als wäre er mehr. Nur zum Ende hin fühlte man sich offensichtlich dazu verpflichtet, doch noch mehr zu liefern und ein paar besinnliche Abschlussworte zu finden. Die darf man aber ignorieren. Das klingt mehr nach einer Pflichterfüllung, weil das Publikum so etwas erwartet oder braucht. Groß erarbeitet werden diese postulierten Erkenntnisse aber nicht. Abenteuerland ist die meiste Zeit über mehr mit den Erlebnissen beschäftigt als mit einem philosophischen Unterbau.
Nennenswerte Einsichten braucht man deshalb nicht zu erwarten. Man „lernt“ nicht wirklich etwas. Das einzige, was man tatsächlich aus dem Ganzen mitnimmt, ist die Vielfalt deutscher Landschaften. Vor allem die Abschnitte auf den Flüssen, wenn Foerster auf seinem Board durch die Gegend paddelt, haben immer wieder sehr schöne Aufnahmen zu bieten. Wer Reisedokus mag, wie sie vor einigen Jahren noch andauernd im Kino zu sehen waren, hat hier trotz des eines fehlenden Exotikfaktors einiges zum Anschauen. Gemäß des Mottos von Mikroabenteuern animiert einen Abenteuerland dazu, sich in der näheren Umgebung umzuschauen, Orte und Möglichkeiten zu entdecken, die direkt vor der Nase liegen und einem doch verborgen bleiben. Man muss dafür nicht einmal zwangsläufig 1600 Kilometer zurück.
OT: „Abenteuerland“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Kai Hattermann
Musik: Tom Linden
Kamera: Kai Hattermann, Ole Windgaßen, Philippe Opigez, Jan Boroewitsch, Jozef Kubica
Mitwirkende: Christo Foerster
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