Nedjma (Lina El Arabi) lebt in den Banlieues und hängt meistens an einer Parkbank mit ihren Freunden ab. Bald steht sogar ein Urlaub an den Strand an. Als sie jedoch Zina (Esther Bernet-Rollande) kennenlernt, die Cousine von einer aus der verfeindeten Clique, und sich allmählich in sie verliebt, ändert sich alles. An der Bank kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen den Cliquen. Ein Racheplan keimt, Zina in den sozialen Netzwerken zu verunglimpfen und bald steht Nedjma zwischen ihren vermeidlichen Freunden und einer neuen Liebe, die auf derselben Etage eingezogen ist …
Shakespeare in den Banlieues
Regisseurin und Drehbuchautorin Marion Desseigne-Ravel (Das unsichtbare Wesen) lässt in den Banlieues ein romantisches Liebesdrama aufleben, das lose an William Shakespeares Romeo und Julia erinnert. Die Geschichte dreht sich um Nedjma und Zina, wobei wir sie hauptsächlich aus Nedjmas Perspektive erleben. Die beiden verlieben sich ineinander, sind aber leider in zwei verfeindeten Cliquen. Ein Streit um eine Parkbank ist Auslöser für neuerliche Streitigkeiten. Doch es ist mehr als eine Bank – für die Mädchen ist es auch eine Art Statussymbol.
Wir haben zum einen eine präzise Kameraführung, die nah den Figuren bleibt und eine atmosphärische Dichte erzeugt. Manchmal erinnert es an eine Videospiel-Ästhetik, wenn wir Nedjma via Over-shoulder-Perspektive durch die Gegend begleiten. Die Musik untermalt die Szenen sehr passend, besonders dort, wo wir über die Dächer der Stadt blicken. Hier wird eine fast traurige, sehnsüchtige Stimmung transportiert, die dem Drama noch eine weitere Nuance verleiht.
Die beiden Hauptfiguren Nedjma und Zima verleihen der Geschichte Leben und die Regisseurin entwirft das Werk mit nach einer nachvollziehbaren Figurenentwicklungsgeschwindigkeit. Im Vergleich zu Romeo und Julia ist der Weg der Annäherung dieser Figuren allerdings mit deutlich weniger Weg-Hürden bewährt. Sie wohnen sogar direkt nebeneinander. Eventuell hätte es hier Potenzial gegeben, die berühmte Balkon-Szene neu zu denken.
Der ruinierte Ruf
Nach dem handfesten Streit fasst die Gruppe um Nedjma den Plan, Zina in einen Hinterhalt zu locken. Sie wollen ein Handyvideo von ihr drehen, um sie auf Social Media zu verunglimpfen. In Nedjma ist an dieser Stelle längst ein innerer Konflikt entflammt: Zwischen der Loyalität zur Clique, der Freundschaft – hier eher ein alias für den Gruppendruck – und der neuen Liebe.
Der Druck, der durch Social Media aufgebaut wird, Gerüchte, die sich wie ein Lauffeuer in den Betonschluchten verbreiten, Posts mit einem zerstörerischen Eigenleben. Nedjma ist ihr Ruf sehr wichtig. Die Regisseurin findet eine eindringliche Stimme zu der Thematik, nachdem Nedjma und Zina bei einem Kuss in einem Club erwischt werden. Da will die Schwester plötzlich nicht mehr aus derselben Flasche trinken und die Clique will nichts mehr mit ihr zu tun haben. Hier hätte es noch Potenzial für weitere Konfrontationen gegeben. Der Kommentar zu den Gefahren von Social Media wird jedoch nicht ganz ausformuliert. Gerade wenn es um das Löschen des Videos mit Zina geht, wäre hier ja noch eine Ergänzung sinnvoll gewesen, dass man Videos im Zweifel nicht so leicht aus dem Internet löschen kann.
Das Ende
Die Farbe der eingeblendeten Schrift, wenn Chat-Verläufe visualisiert werden, findet sich in den Banlieues wieder: Die Schrift ist oft pink wie die Parkbank, an der die Clique um Nedjma meistens abhängt. Aber auch sonst bieten die Einblendungen einen Bedeutungsraum. Spätestens wenn – Spoiler – Nedjma und Zina sich entscheiden, ihre Liebe nicht öffentlich auszuleben, wird dieser digitale Raum zu dem Ort, an dem sie offen miteinander kommunizieren können. Neben dem Hochhausdach mit dem Zelt.
OT: „Les meilleures“
Jahr: 2021
Land: Frankreich
Regie: Marion Desseigne-Ravel
Drehbuch: Marion Desseigne-Ravel
Kamera: Lucile Mercier
Besetzung: Lina El Arabi, Esther, Bernet-Rollande, Kiyane Benamara, Mahia Zrouki, Tasnim Jamalaoui, Laetitia Kerfa, Zoé Marchal, Mariama Gueye, Azize Diabaté Abdoulaye
Wer mehr über den Film erfahren möchte, wir haben Regisseurin Marion Desseigne-Ravel einige Fragen gestellt. Im Interview zu Besties sprechen wir unter anderem über das Motiv des Dachs und soziale Medien.
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