Als Paulette den Ring nicht wiederfinden kann, den ihr verstorbener Mann ihr geschenkt hatte, ist sie am Boden zerstört – umso mehr, da sie vermutet, ihre Tochter Linda hätte ihn einfach gegen eine Mütze getauscht. Später stellt sich heraus, dass dies ein Missverständnis war. Von ihrem schlechten Gewissen geplagt, verspricht sie Linda, dass diese sich etwas wünschen darf. Deren Wahl fällt auf ein spezielles Hühnchengericht, wie es der Vater immer zubereitet hatte. Für Paulette wird das gleich doppelt zum Problem. Zum einen sind ihre Kochkünste geradezu legendär schlecht. Zum anderen legt ein großer Streik die Stadt lahm und damit auch die Supermärkte. Doch für das Glück von Linda ist ihr kein Weg zu weit, was für beide der Auftakt einer nicht enden wollenden Odyssee wird …
Ein (nicht) alltäglicher Blickfang
Noch bevor das Publikum weiß, worum es in Chicken for Linda! eigentlich geht, dürften die meisten von der ungewöhnlichen Optik fasziniert sein. Das liegt weniger daran, dass hier ein technisches Feuerwerk à la Spider-Man: Across the Spider-Verse gezündet wird. Da gibt es weder Dutzende von Stilen noch aufwendige Spezialeffekte. Vielmehr setzt die französisch-italienische Produktion auf ausdrucksstarke Farben sowie eine gewöhnungsbedürftige Anwendung derselben. So sind alle Figuren in dem Animationsfilm mit jeweils genau einer Farbe ausgefüllt. Während Linda beispielsweise in einem knalligen Gelb erstrahlt, ist ihre Mutter orange. Den ganzen Film über sieht man daher Farbklecksen zu, wie sie durch die Gegend rennen. Das mag nicht filigran ist, ist dafür sehr expressiv und ein richtiger Blickfang.
Die eigenwillige Präsentation steht dabei in einem starken Kontrast zum Inhalt, der zumindest anfangs sehr alltäglich ist. Das Regie- und Drehbuchduo Sébastien Laudenbach und Chiara Malta erzählt von einer Mutter und einer Tochter, von ihrem gemeinsamen Leben, dem Verhältnis der beiden. Wie ein großer Schatten liegt dabei der Tod des Vaters über ihnen. Zwar schaffen sie es schon, ein Leben zu führen, so als wäre nichts. Aber immer wieder wird in Chicken for Linda! die Sehnsucht nach dem Verstorbenen sichtbar. Für Paulette ist der Ringe die Verbindung zu ihm, ein Schmuckstück, dessen ideeller Wert den tatsächlichen weit übertrifft. Linda wiederum verbindet mit ihrem Vater ein Pfeffer-Hühnchen-Rezept, das dieser offensichtlich besonders gut konnte. Wenn sie auf dieses Essen besteht, dann hat das also nichts mit einer kulinarischen Vorliebe zu tun. Sie möchte vielmehr auf diese Weise ihrem Vater einfach nahe sein.
Zwischen Trauerarbeit und Chaos-Abenteuer
Das ist natürlich ein sehr trauriges Thema. Laudenbach und Malta schlachten dies aber nicht aus, das Drama wird nie aufgebauscht. Meistens herrscht ein stilles Einverständnis: Die beiden wissen um die Bedeutung, warum also darüber reden? Die Tonalität im Film ist dann auch nicht tragisch oder betrübt. Über weite Strecken ist Chicken for Linda! sogar eine Komödie. Einzelne humorvolle Szenen und Dialoge gibt es von Beginn an, etwa wenn Paulette zu ihrer Schwester fährt. Vor allem aber die spätere Odyssee, bei denen die beiden einem Huhn nachjagen, ist gespickt mit witzigen Momenten. Dabei setzt das Duo auf eine Mischung aus Slapstick und schrägen Figuren. Und natürlich die absurde Situation, wenn sich mehrere Leute daran versuchen, ein Huhn zu töten, ohne die nötigen Kenntnisse mitzubringen.
Auf diese wird ein Film daraus, der mehrere Tonalitäten abdeckt, von nachdenklich bis albern, ohne dass es dabei zu Brüchen kommt. Zum Ende hin wird Chicken for Linda! auch zu einem echten Wohlfühlabenteuer, welches ein Gemeinschaftsgefühl betont und die verschiedensten Leute zusammenbringt. Insofern ist es kein Wunder, dass das Werk beim Annecy Animationsfestival 2023 den Wettbewerb für sich gewinnen konnte und damit Der kleine Nick erzählt vom Glück (2022) und Flee (2021) nachfolgt. Bei diesem rührend-turbulenten Abenteuer dürfen alle mitmachen und sich wiederfinden, dürfen an dem Chaos Spaß haben und das Gefühl haben, dass alles wieder gut werden kann. Man braucht nur die richtigen Zutaten und die richtigen Leute.
OT: „Linda veut du poulet !“
Land: Frankreich, Italien
Jahr: 2023
Regie: Sébastien Laudenbach, Chiara Malta
Drehbuch: Sébastien Laudenbach, Chiara Malta
Musik: Clément Ducol
Animation: Miyu Productions
Cannes 2023
Annecy 2023
Locarno 2023
Schlingel 2023
Transit Filmfest 2023
Französische Filmwoche 2023
Annecy 2024
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