Basierend auf einer Kurzgeschichte von Stephen King erzählt The Boogeyman (Kinostart: 1. Juni 2023) von einer Familie, die nach dem plötzlichen Tod der Mutter in eine schwere Krise schlittert. Als noch ein zweiter schockierender Vorfall geschieht, beginnen die beiden Töchter, eigenartige Erfahrungen zu machen. Die Jüngste entwickelt zudem eine panische Angst vor der Dunkelheit. Ist das die Folge des traumatischen Verlusts oder steckt mehr dahinter? Wir haben zum Kinostart Hauptdarsteller Chris Messina gesprochen, der die Rolle des Vaters übernommen hat. Im Interview sprechen wir über seine Rolle, den Umgang mit traumatischen Erfahrungen und wovor er selbst Angst hat.
Was hat dich an The Boogeyman gereizt? Warum wolltest du bei dem Film mitmachen?
Zunächst einmal war ich interessiert, weil der Film auf einer Kurzgeschichte von Stephen King basiert und ich ein großer Fan von King bin. In den Gesprächen mit Regisseur Rob Savage wurde mit schnell klar, dass es bei dem Film aber nicht nur um Horror gehen soll. Vielmehr erzählt er die Geschichte einer Familie, die durch eine Trauerphase geht und die dadurch droht auseinanderzureißen, weil sie sich ihrem Schmerz nicht stellt. Er verglich das mit dem Film Eine ganz normale Familie. Ich fand es interessant, wie ein solches Szenario die Grundlage für einen Horrorfilm bildet.
Was macht Stephen King so besonders im Vergleich zu anderen Horror-Autoren? Er schreibt mittlerweile seit Jahrzehnten seine Geschichten und ist so populär wie eh und je.
Er ist einfach ein Meister der Spannung und schafft es, die reale Welt mit der des Übernatürlichen so zu verbinden, dass du die Grenzen nicht mehr wahrnimmst. Gleichzeitig ist er sehr gut darin, dreidimensionale Charaktere zu entwerfen. Natürlich hast du die bekannten Elemente aus Horrorgeschichten wie das Spukhaus oder verrückte Menschen. Er hat einen Hund, der tollwütig ist und Menschen angreift. Aber eben nicht nur. Innerhalb dieser Szenarien hast du richtige Menschen, die Entwicklungen durchmachen. Das ist nicht wie bei Slashern, wo die Figuren einfach nur geopfert werden. Du fieberst bei King richtig mit, was mit den Leuten geschieht.
Von den vielen Geschichte, die King bislang geschrieben hat, welche ist dein Favorit?
Wenn ich einen Favoriten wählen müsste, wäre das wahrscheinlich Dead Zone mit Christopher Walken. Wobei ich auch seine Nicht-Horror-Geschichten mag wie Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers oder Die Verurteilten, zwei unglaubliche Filme. Misery natürlich. Was Kathy Bates und James Caan da gespielt haben, ist einfach unglaublich. Ich werde auch nie die Szene aus dem Kopf bekommen, wie Jack Nicholson in Shining mit der Axt die Tür zertrümmert. Und das ist nur ein kleiner Teil der Liste. Aber wie gesagt, wenn ich mich auf einen Film beschränken müsste, wäre es wohl Dead Zone.
The Boogeyman basiert dabei wie gesagt auf einer Kurzgeschichte. Wie schwierig war es, aus dieser einen kompletten Spielfilm zu machen?
Ich war natürlich nicht beim Schreiben des Drehbuchs dabei und kann darüber deshalb nichts sagen. Wahrscheinlich haben sie schon ein wenig kämpfen müssen. Aber es fühlt sich sehr natürlich an, wie die Kurzgeschichte ausgebaut wurde. Ich habe zuerst die Kurzgeschichte gelesen und dann das Drehbuch. Und ich fand es spannend, wie sie ihrer Fantasie freien Lauf gelassen haben und trotzdem auf dem aufbauen, was schon da war. Da King sehr die Vision des Films unterstützt hat, dürfte diese nicht zu weit weg von dem sein, was er selbst in seiner Geschichte ausdrücken wollte.
Diese Erweiterung betrifft nicht nur die Geschichte, sondern auch die Figuren. Wie würdest du deine Rolle beschreiben? Wen spielst du?
Ich spiele den Psychotherapeuten Will Harper, dessen Praxis in seinem Haus ist. Er ist Vater von zwei Töchtern. Seine Frau ist einige Monate zuvor bei einem Autounfall gestorben und er muss einen Weg finden, wie sie ohne sie weitermachen können. Richtig gut gelingt ihm das nicht, er scheitert daran und schafft es nicht, offen über seine Gefühle zu sprechen oder auch für seine Töchter so da zu sein, wie sie es brauchen. Erst durch das Erscheinen des Boogeymans lernen sie, sich ihrer Trauer und dem Verlust zu stellen. Die Begegnung mit dem Monster reißt die Mauern ein, die um sie herum sind. So schrecklich der Horror ist, wird er gleichzeitig zu etwas, das die drei rettet.
Warum fällt es ihm so schwer, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen? Als Therapeut sollte er darin ja eigentlich erfahren sein.
Das stimmt natürlich. Tatsächlich habe ich mir selbst die Frage gestellt, als ich das Drehbuch gelesen habe. Sollte er nicht gut darin sein, über solche Sachen zu sprechen? Aber ich habe mich mit richtigen Therapeuten unterhalten und sie haben gemeint, dass es immer einfacher ist, für andere Therapeut zu sein als für sich selbst und das eigene Umfeld. Ich glaube schon, dass Will ein guter Therapeut ist und die Fähigkeiten hat anderen zu helfen. Aber er kann sich nicht selbst helfen.
Du hast das Gespräch mit den Therapeuten erwähnt. Ganz allgemein, wie hast du dich auf deine Rolle vorbereitet?
Diese Gespräche haben tatsächlich sehr geholfen, um herauszufinden, wer Will ist, wie er funktioniert, was seine Ansicht vom Leben ist. Ansonsten habe ich mir eine Reihe von Horrorfilmen angeschaut, gerade auch von Stephen King, weil das ein Genre ist, mit dem ich selbst nicht sehr viele Erfahrungen gesammelt habe, weder als Zuschauer noch als Schauspieler. Deswegen war die Zusammenarbeit mit Rob für mich sehr hilfreich, weil er das Genre sehr gut kennt. Er konnte mir immer sagen, wie das funktioniert und was wir wann brauchen. Je mehr wir zusammengearbeitet haben, umso größer wurde mein Vertrauen in ihn. Außerdem habe ich mir wie gesagt Eine ganz normale Familie angeschaut, um dieses Auseinanderbrechen der Familie besser verstehen zu können.
Wie unterscheidet es sich für dich als Schauspieler, einen Horrorfilm zu drehen statt eines Dramas oder eine Komödie? Was machst du zum Beispiel, wenn sich deine Figur fürchtet?
Letztendlich unterscheidet sich das gar nicht so sehr. Wann immer du eine Rolle spielst, versuchst du, an dein inneres Kind anzuknüpfen. Du musst ganz locker sein und dich von dem mitnehmen lassen, was geschieht. Musst in dich hineinhören. Du findest dich an dem Ort, an du dich fürchtest oder herumalberst oder eben ganz viel fühlst. Wenn du zu verkrampft bist und dich nicht auf dein Spiel einlässt, wirst du nirgends hinkommen. Da ist es dann egal, ob es eine Komödie oder ein Horrorfilm ist.
Horror ist eine sehr subjektive Erfahrung. Was den einen Menschen erschreckt, lässt einen anderen völlig kalt. Wenn ich dir Angst einjagen wollte, womit hätte ich die größte Chance?
Es gibt vieles, das mir Angst macht. Technologie macht mir Angst. Ich habe auch eine massive Phobie vor Ratten. Dann noch die Angst zu ertrinken. Und manchmal habe ich einfach nur Angst davor zu versagen. Wie gesagt, da gibt es vieles. Es hängt immer ein bisschen vom Tag und meiner Stimmung ab. Als Kind hatte ich oft Angst, was auch mit Freitag der 13. zusammenhängt, das ich wahrscheinlich viel zu früh gesehen. Mein Bruder und ich – wir haben uns ein Zimmer geteilt – haben immer unter unseren Betten nachschauen müssen, um sicher zu sein, dass da niemand ist.
Du kannst dich also damit identifizieren, was die Töchter deiner Figur in The Boogeyman durchmachen?
Absolut, ja.
Generell, was ist deiner Meinung nach der Reiz von Horrorfilmen? Warum mögen wir es, wenn wir Angst haben? Eigentlich ist das ja kein besonders schönes Gefühl.
Stephen King hatte dazu einmal etwas sehr Interessantes geschrieben. Das ist wie, wenn du Angst vor einer Achterbahn hast, dir gleichzeitig aber beweisen willst, dass du es kannst. Du willst in Horrorfilmen deinen Ängsten begegnen und es schaffen, bis zum Ende durchzuhalten. Außerdem können Horrorfilme eine besondere Erfahrung sein, wenn du sie dir in einer Gruppe anschaust. Ähnlich, wie es bei Komödien der Fall ist. Es ist schön, zusammen mit anderen zu schreien oder auch zu lachen. Da geht es auch um das gemeinsame Erlebnis. Deswegen bin ich auch froh, dass The Boogeyman im Kino gezeigt wird und nicht nur als Stream, so wie es ursprünglich geplant war.
Du hast vorhin erzählt, dass du dir als Kind vorgestellt hast, dass ein Mörder unter deinem Bett sein könnte. Horror basiert oft darauf, dass wir uns etwas Schlimmes vorstellen. Denkst du, dass sich Menschen mit einer großen Vorstellungskraft leichter fürchten?
Das ist eine tolle Frage! Da könnte schon etwas dran sein. Wenn du dir das Schlimmste vorstellen kannst oder dir vorstellst, in einer solchen Situation zu sein, macht dich das wahrscheinlich wirklich empfänglicher für den Schrecken. Das ist ein bisschen so wie das mit dem Schauspielen, worüber wir vorhin gesprochen haben. Wenn du jemand bist, der in sich geschlossen ist und keine große Vorstellungskraft hat, dann bist du weniger anfällig für das Desaster, das an der nächsten Ecke auf dich wartet.
Vielen Dank für das Gespräch!
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