Als die 19-jährige Albertine (Leïla Bekhti), die wegen bewaffnetem Raubüberfall im Gefängnis sitzt, einen Ausbruch wagt, droht dieser bereits vorbei zu sein, noch bevor sie die Freiheit erreicht. Nach einem Sprung von der Mauer, hat sie sich ein Sprungbein gebrochen. Mit letzter Kraft kriecht sie noch auf die Straße, wo sie von dem vorbestraften Ganoven Julien (Reda Kateb) aufgelesen wird. Der nimmt sie erst einmal nach Paris mit, besorgt ihr gefälschte Ausweispapiere und bringt sie in einem Hotel unter, das von Nini (Jocelyne Desverchère) betrieben wird. Doch auch im Anschluss werden sie sich oft wiedersehen. Während Albertine als Prostituierte ihr Geld verdient und Julien diverse Raubüberfälle begeht, beginnen sie eine leidenschaftliche Beziehung …
Neuverfilmung einer wahren Geschichte
Dass die Familie Garrel sehr filmaffin, das ist bekannt. Vater Philippe ist ein umtriebiger Regisseur, der auch jenseits der 70 noch kräftig Filme dreht. Sohn Louis wiederum ist als Schauspieler eine bekannte Größe. Dabei wird oft vergessen, dass auch die Frauen in der Familie in diesem Segment fleißig sind. Den Beweis dafür liefert der 2015 veröffentlichte Film Das Sprungbein. So führte Philippes Ex-Frau Brigitte Sy, die eher als Schauspielerin tätig ist, hier Regie und schrieb am Drehbuch mit, spielte zudem eine der Nebenfiguren. Ihre Tochter Esther Garrel übernahm eine der Hauptrollen. Und damit das mit dem Familienerlebnis auch wirklich klappt, durfte auch Louis eine kleinere Rolle haben. Nur Philippe musste draußen bleiben.
Dabei suchte sich Sy für dieses Gemeinschaftsprojekt bewährtes Material aus. So liefert der 1965 veröffentlichte autobiografische Roman Astralagus von Albertine Sarrazin die Vorlage, in dem sie ihre Erfahrungen als Prostituierte und Kriminelle festhielt. Dieser war seinerzeit ein großer Erfolg, weshalb er drei Jahre später das erste Mal verfilmt wurde. Auch eine Theaterversion existiert. Das Sprungbein sollte die Geschichte dann für ein zeitgenössisches Publikum erneut aufbereiten. Dabei verzichtete die Filmemacherin aber darauf, etwas modernisieren zu wollen. Auffällig ist, dass bei ihrer Adaption auf Farben verzichtet und wie ihr Ex Philippe lieber alles in Schwarzweiß zeigt, was dem Drama etwas Altmodisches verleiht. Man merkt hier erst einmal nicht, dass wir es mit einer Produktion Mitte der 2010er Jahre zu tun haben.
Mehr Amour Fou als Spannung
Bei der Figurenzeichnung gibt es hingegen kein Schwarzweiß. Vielmehr werden Albertine und Julien weder zu Bösewichtern, noch sind sie Menschen, denen man als Zuschauer oder Zuschauerin unbedingt die Daumen drücken müsste. Das Sprungbein zeigt zwei Leute, die sich irgendwie durchs Leben schlagen müssen. Dass Albertine, die nach der Flucht aus dem Gefängnis nach wie vor polizeilich gesucht wird, sich auf der Straße prostituiert, ist schon etwas dreist – trotz der blonden Perücke. Daraus ergibt sich dennoch nicht so wahnsinnig viel Spannung. Eigentlich sollte man meinen, dass das Publikum bei einem solchen Szenario richtig mitfiebert, sich fragen darf, ob sie geschnappt wird. Aber das findet nie so wirklich statt.
Stattdessen liegt der Fokus auf der Amour Fou der beiden. Das ist als Geschichte deutlich weniger originell als der Werdegang der Protagonistin. Aber es ist doch beeindruckend gespielt. Gerade beim Zusammenspiel von Leïla Bekhti (Die Ruhelosen) und Reda Kateb (Verbündete Feinde) wird es mitunter ziemlich intensiv. Aber auch das Ensemble drumherum liefert gute Arbeit ab. Wer solche Dramen mag, bei denen die Figuren immer mit einem Bein im Abgrund stehen, kann es daher mit dem auf mehreren Festivals gezeigten Das Sprungbein versuchen. So ganz wird aber nicht klar, warum Albertine so viel Aufmerksamkeit bekommen hat, dass es mehrere Filme gibt.
OT: „L’Astragale“
Land: Frankreich
Jahr: 2015
Regie: Brigitte Sy
Drehbuch: Brigitte Sy, Serge Le Péron
Vorlage: Albertine Sarrazin
Musik: Béatrice Thiriet
Kamera: Frédéric Serve
Besetzung: Leïla Bekhti, Reda Kateb, Esther Garrel, Jocelyne Desverchère, India Hair, Louis Garrel
Filmfest München 2015
Zurich Film Festival 2015
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