In der kleinen Gemeinde Siskoranta im Süd-Lappland scheint die Zeit stillzustehen gegen Ende der 1940er Jahre. Die Dorfbewohner bilden eine verschworene Gemeinschaft, die neben einer Mischung aus Aberglauben und Religion auch die Armut zusammenschweißt, sodass jeder jedem hilft, wenn es geht. Der Ruf einer Familie ist in einer solchen Gemeinschaft besonders wichtig, weshalb es immer wieder zwischen der Jugendlichen Martta (Maritta Vittamäki) und ihrem Vater Juhani (Pauli Jauhojärvi) zu Streitigkeiten kommt. Als jemand, der seinen Nachbarn immer wieder gerne aushilft, ist Juhani ebenso bekannt wie auch durch die Freizügigkeit seiner Tochter, die schon mit dem ein oder anderen Dorfbewohner geflirtet haben soll. Als Martta nach einem Dorffest, bei dem es zu einer blutigen Auseinandersetzung mit einem Knecht kam, ausgerechnet mit dem Rentierhirten Oula (Niles-Jouni Aikio) anbändelt, wirft dies endgültig ein schlechtes Licht auf die Familie – eine Schmach, die Juhani nicht auf sich sitzen lassen will. Während ihre Altersgenossen eifersüchtig werden, schmiedet Marttas Vater schon an einem Plan, wie er den Hirten aus dem Leben seiner Tochter verbannen kann, mit fatalen Folgen.
Ein ungemütlicher Zeitgenosse
In seiner Heimat Finnland ist Rauni Mollberg einer der wichtigsten Filmemacher, auch wenn ihm zur Anfang seiner Karriere eher negative Aufmerksamkeit seitens der finnischen Filmindustrie gewiss war. Seine Verfilmung von Timo K. Mukkas kontroversem Roman Die Erde ist ein sündiges Lied begeisterte Kritik und Publikum gleichermaßen, doch wegen der Gewalt und der Freizügigkeit der Geschichte, taten sich die Behörden schwer mit dem Filmdrama, das lange Zeit über außerhalb von Festivals nicht zu sehen war und nun mit viel Verspätung dank des deutschen Labels Bildstörung endlich eine Heimkinoauswertung erfährt. Das ist sehr löblich, nicht nur wegen der Vorgeschichte, sondern auch wegen des künstlerischen Werts des Films, der alleine wegen seiner dramaturgischen und visuellen Wucht sicherlich viele Zuschauer für sich gewinnen wird.
Vor allem die Dynamik dieser Dorfgemeinschaft steht im Fokus der Geschichte, sowie das katastrophale Zusammenspiel vieler Faktoren, als sich die Augen auf einen richten. Mit einigen kraftvollen Bildern sowie mehrdeutigen Szenen, welche ein Dorffest zeigen, wird in groben, aber treffenden Zügen das Zusammenspiel der einzelnen Figuren zusammengefasst. Die Natur ist hier nicht einfach nur Kulisse, sondern verweist auf diese aus der Zeit gefallene Gemeinschaft, bei der nur wenig vom Fortschritt der Moderne angekommen ist. Der Mord an einem Knecht, einem Fremden in dieser Gemeinschaft, merkt man schnell, wie die Männer und Frauen zueinander stehen, wie man dem Neuen begegnet und wie man zusammenhält, was sich schnell gegen ein unbekanntes Element richten kann. Mit teils sehr drastischen Bildern betont Mollberg das Fatale in dieser Gemeinschaft, was den Zuschauer zwar nicht unbedingt für die Figuren einnimmt, aber durch seinen realistischen Ansatz zu überzeugen weiß.
Ohne Schönfärberei
In diesem Kontext kann man die Darstellung der Figuren nur als konsequent betrachten. Martta, Juhani und Oula sind die Folge einer Gemeinschaft, in der Rückständigkeit, Derbheit und Rohheit regieren. Romantik oder Schönfärberei, in welchem Ausmaß auch immer, sucht man hier vergebens, sodass es dem Zuschauer selbst die Landschaftsaufnahmen madig macht. Andererseits verleiht dies den Szenen eine ungewollte Kraft, die man in einem naturgemäß anders ausgelegten Heimatfilm (so man denn Die Erde ist ein sündiges Lied als solchen betrachten will) nicht finden wird. Wenn Juhani von einer Nachbarin gebeten wird, bei der Geburt eines Kalbes zu helfen, wird mit der Kamera drauf gehalten, auf das Blut und das Fleisch, und man hört auch mehr als deutlich, was sich im Hintergrund abspielen wird. Mollberg provoziert – hier wie auch in anderen Momenten des Filmes – und das macht Die Erde ist ein sündiges Lied sehenswert, aber nicht unbedingt zu einer Empfehlung für jedermann.
OT: „Maa on syntinen laulu“
Land: Finnland
Jahr: 1974
Regie: Rauni Mollberg
Drehbuch: Rauni Mollberg, Pirjo Honkasalo, Panu Rajala
Vorlage: Timo K. Mukka
Musik: Hannu Sinnemäki
Kamera: Kari Sollberg, Hannu Peltomaa
Besetzung: Maritta Viitamäki, Pauli Jauhojärvi, Aimo Saukko, Milja Hiltunen, Sirkku Saarniu, Niles-Jouni Aikio
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