Adam (Álex Brendemühl) und Eva (Anca Androne) leben im Garten Eden, bis sie daraus vertrieben werden. Die neugierige Eva war schuld, so will es die Bibel. Aber wie war es wirklich, als einziger Mensch auf der Erde unter all den Tieren plötzlich mit einem ähnlichen, aber total verschiedenen Exemplar seiner eigenen Spezies konfrontiert zu werden? Der amerikanische Schriftsteller Mark Twain hat sich das ausgemalt und die Tagebücher von Adam und Eva geschrieben: ein hinreißend komischer Text, voller Ironie und Mann-Frau-Klischees, aber ebenso tiefgründig im Nachspüren nach dem Wesen der Liebe, die nicht auf den ersten Blick entsteht, sondern irgendwann in einem Prozess vieler Konflikte und Enttäuschungen. Regisseur Franz Müller hat das schmale Büchlein mit derselben kindlichen Freude verfilmt: am Rumspinnen und Fantasieren, aber auch an ernsthaften Einsichten, die mitten im Geblödel wie vom Himmel fallen.
Sie redet ohne Ende
Adam is not amused. Wie schön war es doch in der träumerischen Einsamkeit. Man konnte faulenzen, den großartigen Wasserfall entdecken und einfach seine Ruhe haben. Aber nun ist da „das neue Wesen“. Es hält sich nicht bei den anderen Tieren auf, sondern spioniert ihm nach. Immer will es den Dingen und Tieren einen Namen geben. Es redet und redet. Adam hätte das nicht gebraucht, wie er seinem Tagebuch anvertraut. Auch Eva ist verwirrt. Warum ist dieses Wesen, das sie neugieriger macht als alle anderen Reptilien, so scheu? Warum läuft es immer weg? Und warum interessiert es sich mehr fürs Ausruhen als für alle anderen Dinge?
Es sind Beobachtungen wie diese, die wohl jedem weiblichen und männlichen Bewohner dieser Erde bekannt vorkommen. Um das zu verdeutlichen, schneidet Franz Müller schon bald und immer wieder zu drei jungen Paaren aus einer großen modernen Stadt, zwei heterosexuellen und einem lesbischen. Elena (Belina Mohamed-Ali) und Alexandro (Jakob D’Aprile), Emily (Eurydice El-Etr) und Albert (Andrea Dolente) sowie die Figuren von Laura Tonke und Eva Löbau müssen so wenig sprechen wie das Ur-Paar aus dem Garten Eden. Das übernehmen in der deutschen Fassung die Off-Sprecher Laura Tonke und Franz Müller, die den nur leicht bearbeiteten Text von Mark Twain einlesen. Das ist eine gute Entscheidung, denn Mark Twain ist hier derart in Höchstform, dass sich die Filmkunst ganz auf das konzentrieren darf, was sie am besten kann: Bilder kreieren, Welten erfinden, in Rollen schlüpfen, Schauplätze entdecken.
Passen sie zueinander?
Sehr zu seinem Vorteil macht der Film aus seinem Low-Budget-Charakter keinen Hehl. Alles sieht irgendwie spontan zusammengebastelt aus: die Kostüme für die teils fantastischen Tierwesen, der kindlich gestaltete Mond und die stacheligen Sterne. Wer Franz Müllers Worst Case Scenario (2014) gesehen hat, weiß, wieviel Lust der Filmemacher am Improvisieren und an der Arbeit mit einfachen Mitteln hat. In diesem Film, wie auch ein Jahr später in Happy Hour, erkennt man zudem sein Gespür für das komödiantische Potenzial des Diktums, dass Männer und Frauen nicht zueinander passen, aber trotzdem nicht ohne einander klarkommen.
Erstaunlicherweise bleibt es dieses Mal nicht beim kultivierten Unsinn. Franz Müller nimmt auch die tiefer schürfenden Textpassagen von Mark Twain ernst. Etwa den mehrfach wiederholten Gegensatz zwischen dem Sinn für Schönheit und dem reinen Nutzendenken. Oder das romantische Staunen über die Welt und alle neuen Erfahrungen, die Twain seinen Tagebuchschreibern in den Mund legt. Und nicht zuletzt das Sinnieren über das Phänomen der Liebe. Eva möchte ihr Wesen ergründen, stellt dann aber fest: Sie kommt einfach, niemand kann sie erklären. „Und muss es auch nicht“. Am Ende entfaltet die Wendung, zu der jede Screwball-Komödie führt, hier einen ganz besonderen Charme: Weil er dank eines Zeitsprungs 40 Jahre in die Zukunft von so viel Weisheit und Lebenserfahrung gesättigt ist. Fazit: Adam und Eva müssen nicht perfekt sein, um einander zu lieben.
OT: „The Diaries of Adam and Eve“
Land: Deutschland
Jahr 2023
Regie: Franz Müller
Drehbuch: Franz Müller
Vorlage: Mark Twain
Musik: Tonia Reeh
Kamera: Agustín Mendilaharzu, Markus Koob
Besetzung: Anca Androne, Álex Brendemühl, Belina Mohamed-Ali, Jakob D’Aprile, Eurydice El-Etr, Andrea Dolente, Laura Tonke, Eva Löbau, Florian Mischa Böder, Oldrich Kaiser
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