Für Marwan (Nader Khademi) ist dies eine echte Hiobsbotschaft. Haben seine Schwiegereltern doch tatsächlich vor, das Sorgerecht für seine fünfjährige Tochter Kiki (Erika Strand Mamelund) beantrag! Dass diese bei ihnen lebt, seitdem die Mutter nicht mehr da ist, das ist das eine. Ihnen das Mädchen aber völlig zu überlassen, kommt für ihn nicht in Frage. Also greift er zu verzweifelten Mitteln, färbt sich die Haare, fälscht einen Pass und entführt Kiki. Zusammen mit ihr will er durchbrennen. Nachdem es dabei jedoch zu Verzögerungen kommt, will Marwan erst einmal mit seinen Freunden Adil (Ayaz Hussain), Tariq (Jonas Strand Gravli) und Khabib (Arben Bala) auf dem Bauernhof von Tariqs Onkel untertauchen. Aber das ist gar nicht so leicht, fällt die muslimische Gemeinschaft in der norwegischen Provinz doch ziemlich auf …
Ein unerwartetes Abenteuer
Donnerstagabend, da sind bei arte traditionell Serien angesagt. Die meisten davon sind recht düster, so liefen dieses Jahr unter anderem das isländische Fischerdrama Blackport, der italienische Entführungsthriller Und draußen die Nacht oder auch Die Newsreader, das die Turbulenzen hinter den Kulissen eines Fernsehsenders mit einem Zeitporträt Australiens in den 1980ern verband. Nun geht es mit Echte Norweger – der Titel verrät es bereits – nach Skandinavien, wo wir einer Gruppe von Norwegern mit Migrationshintergrund Gesellschaft leisten, die ihren Platz suchen müssen. Das hätte ebenfalls gut als Drama funktioniert, die Serie wird an mehreren Stellen auch als solches bezeichnet. Aber das ist maximal die Hälfte der Wahrheit, wenn die Geschichte mehrere unerwartete Richtungen einschlägt.
Anfangs ist dann auch nicht ganz klar, was die norwegische Serie genau erzählen mag. Da überschlagen sich mehrfach die Ereignisse, wenn Marwan mit seiner Tochter ein neues Leben beginnen möchte. Der Plan eines Fluchtversuchs rückt später aber eine ganze Weile in den Hintergrund. Echte Norweger konzentriert sich dann mehr auf die Erlebnisse des Quintetts auf dem Land. Das geht mit den zu erwartenden Culture-Clash-Elementen einher, hat auch etwas über die Erfahrungen zu sagen, die Minderheiten in dem Land so machen müssen. Dass den vermeintlichen Ausländern recht bald die Polizei auf den Hals gehetzt wird, ist eine unverhohlene Kritik an einer rassistischen Bevölkerung. Da laufen schon ein paar ziemlich fremdenfeindliche Gesellen herum. Aber eben nicht nur. Umgekehrt ist die muslimische Gruppe nicht das arme Opfer, dem alle Unrecht tun.
Unterhaltsam und nachdenklich
Es ist daher gar nicht so leicht, aus dieser Konstellation eine wirkliche moralische Aussage herauszudestillieren. Diesen Anspruch hatte man hier aber wohl auch nicht. Stattdessen steht über weite Strecken der Unterhaltungsfaktor im Vordergrund. Da geht es um die Dynamik innerhalb der Gruppe wie auch mit der ländlichen Bevölkerung. Besonders amüsant wird es, wenn sich die Männer mit der Produktion von Käse befassen, während sie eigentlich etwas ganz anderes verfolgen. Da geht es dann so richtig turbulent zu, es entsteht ein schön großes Chaos. Und dann wären da noch die skurrilen Figuren, die dazu beitragen, dass man bei Echte Norweger seinen Spaß haben darf. Zuweilen wird daraus eine Farce, bei der niemand vor dem Spott des Drehbuchteams sicher ist.
Und doch ist die Serie keine reine Komödie. So packt sie in den acht rund 40 Minuten langen Folgen eine Reihe gewichtiger Themen an. Da geht es um kulturelle Selbstbestimmung, um Glauben und Toleranz. An einer Stelle wird ein homosexueller Junge zum Anlass für eine Diskussion rund um Religion und das Recht, andere zu beurteilen. Auf diese Weise kombiniert Echte Norweger Humor mit Nachdenklichkeit, ist mal absurde Farce, nur um dann ganz nah am Alltag zu sein und den Sorgen in einer Welt, die nicht immer Sinn ergibt. Das Ergebnis ist sehenswert und kurzweilig und ein weiterer Beleg dafür, dass die Programmverantwortlichen bei arte zumindest im Serienbereich ein gutes Händchen haben.
OT: „Jordbrukerne“
IT: „Countrymen“
Land: Norwegen
Jahr: 2021
Regie: Izer Aliu, Aurora Gossé, Brwa Vahabpour
Drehbuch: Izer Aliu, Anne Bjørnstad
Kamera: Lukasz Zamaro
Besetzung: Nader Khademi, Erika Strand Mamelund, Arben Bala, Jonas Strand Gravli, Ayaz Hussain, Hina Zaidi, Kristin Grue, Tiril Pharo, John Emil Jørgensrud, Jan Sælid, Jamal Sheik, Lena Barth Aarstad, Olivier Cardot
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