In Die Rumba-Therapie folgen wir dem Busfahrer Tony (Franck Dubosc), der nach einem Herzinfarkt beschließt, seine Tochter Maria (Louna Espinosa) kennenzulernen. Kontakt gab es zuvor keinen, er hatte ihre Mutter noch vor der Geburt verlassen. Inzwischen ist Maria eine erwachsene Frau und gibt Tanzunterricht. Um ihr nahe zu sein, schreibt er sich in dem Kurs ein, ohne ihr zu verraten, wer er ist. Wir haben uns zum Kinostart am 22. Juni 2023 mit Franck Dubosc unterhalten, der nicht nur die Hauptrolle spielt, sondern auch Regie führte und das Drehbuch schrieb.
Könnten Sie uns etwas über die Entstehungsgeschichte von Die Rumba-Therapie verraten? Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Der Hauptgedanke hinter dem Film war, einen anderen Menschen zu verlassen oder sich verlassen zu fühlen und das Schuldgefühl, dass damit verbunden ist. Seitdem ich Kinder habe, habe ich das Gefühl sie für meine Arbeit zu verlassen, weil ich als Schauspieler schon viel weg bin. Das ist etwas, für das ich mich auch schuldig fühle. Mir gefiel die Idee, dieses Thema mit dem Gesellschaftstanz zu verbinden, weil der Tanz ja zwei Menschen zusammenbringt. Das ist schon etwas anderes, als wenn ich gezeigt hätte, wie ein Vater und eine Tochter Tennis spielen.
Bei Tony ist es so, dass er mit Tanzen erst einmal gar nichts anfangen kann und er damit eine neue Welt betritt. Wie war das für Sie?
Was ich am Kino so mag, ist, dass man darin Dinge tun kann, die man im wahren Leben niemals machen würde. Das ist schon der zweite Film, in dem ich tanze. Im wahren Leben habe ich zwar auch mal auf der Bühne getanzt, aber eigentlich habe ich Angst davor, weil ich jemand bin, der sich schnell geniert und insgesamt doch zurückhaltend ist. Tanzen ist dann doch eher für Leute, die sich nicht vor anderen genieren und mehr aus sich herausgehen. Das ist wie beim Singen. Ich bin deshalb kein geborener Tänzer.
Und hat sich das für Sie durch den Film geändert? Sie waren schließlich gezwungen, darin vor anderen zu tanzen.
Solange ich einen Film drehe und in der Welt der Fiktion unterwegs bin, habe ich keine Probleme damit. Da bin ich völlig frei und geniere mich nicht. Deswegen hat mir das für das wahre Leben nichts gebracht. Da geniere ich mich noch immer.
Als Schauspieler werden Sie aber bei allem gesehen. Bereitet Ihnen das keine Probleme? Sie könnten sich dabei schließlich auch blamieren.
Es ist mir vor allem mit der Partnerin nicht leicht gefallen, also mit Louna Espinosa, die in dem Film die Tochter spielt. Wir haben zusammen trainiert und da fühlte ich mich sehr unsicher. Dabei habe ich zwischendurch sogar vergessen, dass ich der Regisseur des Films bin! Aber ich glaube, dass es ihr geholfen hat, dass ein Mann, der eine solche Verletzlichkeit zeigt. Für das Spiel war das gut. Bei meinem Filmteam habe ich nicht solche Probleme, da ist das einfach Teil des Jobs.
Wie lange war denn die Vorbereitung für den Film im Bezug auf das Tanzen?
Das waren so etwa zwei Monate. Wobei es bei dieser Vorbereitung nicht darum ging, dass man gut tanzt. Es ging mehr darum, wie man es gut spielt, schlecht zu tanzen. Meine Figur macht dabei immer wieder Fehler. Das bedeutet, dass ich 100 Prozent gegeben habe, um jemanden zu spielen, der nur zu 70 Prozent tanzen kann.
Nachdem Sie so viel gelernt haben, was ist Ihr Lieblingstanz?
Ich bin natürlich noch immer kein Experte, was das Tanzen angeht. Aber wenn Sie mich so fragen, wäre es wahrscheinlich Tango. Der muss wirklich sehr schwierig sein und den würde ich gern können. Ansonsten mag ich den Slow am liebsten, wenn man ganz langsam und eng tanzt.
Sie meinten vorhin, dass Sie den Film auch nutzten, um Ihr eigenes Gefühl der Schuld zu verarbeiten, die Kinder verlassen zu haben. Bei Tony ist das natürlich noch deutlich extremer, der hat 20 Jahre seine Tochter nicht gesehen. Warum hat er nie versucht, den Kontakt aufzunehmen?
Er hat einen riesigen Fehler gemacht zu Beginn seines Lebens. Danach vergingen Monate, später Jahre. Und mit jedem Jahr, das vergeht, wird es schwieriger, den Schritt auf den anderen zuzugehen. Irgendwann bist du davon überzeugt, dass du niemals in der Lage sein wirst, diesen Schritt zu gehen. Dann spielt eben auch Feigheit eine ganz wichtige Rolle. Meiner Nichte ist das wirklich passiert, sie hat erst mit 18 Jahren ihren Vater kennengelernt. Und auch da war es Feigheit. Wenn du zu lange wartest, wird aus dieser Feigheit Gewohnheit. Und dann wird es noch einmal schwieriger, einen ersten Schritt zu machen.
Nehmen wir an, der erste Schritt ist gemacht: was dann? Ist es überhaupt möglich, im Erwachsenenalter noch eine Eltern-Kind-Beziehung aufzubauen, wenn man sich überhaupt nicht kannte?
Ich denke, dass das sehr schwierig ist. Am Ende ist es das Kind, das entscheidet. Um auf meine Nichte zurückzukommen: Sie hat sich dafür entschieden, diesen Kontakt abzubrechen. Für sie war dieser Vater ein Unbekannter. Und wie das so ist, wenn man Unbekannte kennenlernt: Entweder es passt oder es passt nicht. Man kann nicht Vater werden. Entweder man ist einer oder man ist keiner. Du kannst dich nur einander annähern.
Was macht es mit Tony, als er auf einmal in dieser Rolle des Vaters ist, die er so nie kannte?
Es macht ihn menschlicher. Aus diesem Grund habe ich mich auch für den Tanz entscheiden. Tony entdeckt dadurch eine femininere Seite an sich. Er muss auch erkennen, dass er egoistisch und feige war. Das entschuldigt noch nicht, was er getan hat. Nur weil er jetzt weiß, dass er ein guter Typ sein könnte, heißt das nicht, dass er auch ein guter Typ wird. Aber wenn jemand den Kopf senkt und um Verzeihung bittet, dann ist das schon einmal ein erster Schritt.
Kommen wir zum Casting. Wie schwierig war es, die passende Schauspielerin für Maria zu finden? Schließlich geht es um eine ganz besondere Beziehung zwischen den zwei Figuren.
Ich habe am Anfang nach Schauspielerinnen um die 27, 28 Jahre gesucht. Und dann stellte mir meine Casting-Direktorin diese erst Anfang 20-Jährige vor, die das mit einer unglaublichen Emotionalität gespielt hat. Wenn man Anfang 20 ist, braucht man seinen Vater auch noch, weil man oft noch nicht genau weiß, was man mit seinem Leben anfangen will. Mit 27, 28 hast du dein Leben eigentlich schon begonnen und hast deine Richtung eingeschlagen. Deswegen fand ich das am Ende sogar die bessere Wahl.
Letzte Frage: Was sind Ihre nächsten Projekte?
Es werden in Frankreich eine Reihe von Filmen mit mir herauskommen. Da ist ein Drama, in dem ich einen Vater spiele, der seine Töchter zum Klavierspielen drängt. Dann werde ich einen Film mit Jean Reno drehen, der im Mittelalter spielt und bei dem es um das Spiel mit dem Werwolf geht. Außerdem bereite ich meinen dritten Film als Regisseur vor und fange an, das Drehbuch zu schreiben.
Vielen Dank für das Gespräch!
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