Mikkel Hartmann (Pilou Asbæk) arbeitet als Koch auf dem dänischen Frachter Rozen. Die Arbeit macht ihm Spaß, er kocht gerne für die Männer, auch wenn er sich danach sehnt, zurück zu seiner Familie zu kommen. Das mit der baldigen Rückkehr hat sich jedoch erledigt, als das Schiff im indischen Ozean von somalischen Piraten gekapert wird. 15 Millionen Euro soll die Reederei bezahlen, wenn sie Schiff und Mannschaft wiedersehen möchte. Entgegen dem Ratschlag des Australiers Connor Julian (Gary Skjoldmose Porter), der viel Erfahrung bei Verhandlungen mit Geiselnehmern hat, will Geschäftsführer Peter C. Ludvigsen (Søren Malling) selbst mit den Piraten verhandeln, da er sich in der Pflicht sieht. Doch wird er den anstehenden Nervenkrieg überstehen?
Moderne Piraterie
Bei dem Wort Pirat dürften viele noch die Bilder von früher vor Augen haben: schwarze Kapitänsmützen, Totenkopf-Flagge, vielleicht auch noch Augenklappe und ein Papagei auf der Schulter. Das was man eben von Geschichten von früher kennt. Dabei gibt es Piraterie durchaus heute noch, weltweit kommt es immer mal wieder zu solchen Vorfällen. Besonders gefürchtet waren eine Zeit lang somalische Piraten, die in den 00er Jahren unbarmherzig zuschlugen. Eben diese waren es auch, die dänische Schiffe kaperten. Das wiederum diente als Inspiration für Hijacking. Zuvor hatte Regisseur und Drehbuchautor Tobias Lindholm (Der Rausch, The Good Nurse) bereits mit dem Gedanken gespielt, einen Film über ein Schiff zu drehen, das auf dem Meer in Schwierigkeiten gerät. Als er von den besagten Kaperungen erfuhr, hatte er sein endgültiges Thema gefunden.
Dabei verzichtete er darauf, aus dem Stoff einen Actionreißer zu machen, wie es sicherlich möglich gewesen wäre. Tatsächlich passiert in dem Film sogar vergleichsweise wenig, es gibt kaum Szenen, die man als brenzlig bezeichnen würde. Spannend ist der Thriller dennoch. Hijacking gleicht einem Duell zwischen den Piraten, vertreten durch Omar (Abdihakin Asgar), und der Reederei bzw. dem Verhandlungsexperten. Zwischen diesen beiden Polen ist die Schiffscrew gefangen, die nur darauf warten kann, bis es zu einer Entscheidung kommt. Aber auch Ludvigsen sitzt ein wenig zwischen den Stühlen. Für ihn ist es tatsächlich eine Herzensangelegenheit, die Männer freizubekommen, er ist kein gieriger Kapitalist, für den Menschen Ware ist. Doch eben das macht die Sache so schwierig. Denn Emotionalität und Mitgefühl kann in einem solchen Fall sehr gefährlich werden.
Krieg mit perfiden Tricks
Zu den stärksten Szenen zählt dann auch, wie der Geschäftsführer sich der emotionalen Manipulation entziehen soll. Eine perfide Methode der Piraten ist es beispielsweise, dass die Crew, insbesondere Hartmann, die Forderungen stellen sollen, weil es schwieriger ist, diesen eine Abfuhr zu erteilen. Auch die Familien der Geiseln werden als Druckmittel miteinbezogen, da wird jeder schmutzige Trick verwendet. Hijacking ist deshalb nicht allein ein Film über eine Geiselnahme. Das Publikum darf zudem einiges über Verhandlungen allgemein lernen. Zuweilen droht der Film damit, eher abstrakt zu werden. Auch deshalb wird ein großer Fokus auf Hartmann gelegt. Für die Verhandlungen ist er zwar nicht weiter von Belang. Lindholm verdeutlicht dadurch aber die persönliche Natur der Geschichte und erinnert einen daran, dass es hier letztendlich um Menschenleben geht.
Damit greift der Thriller, der 2012 in Venedig Weltpremiere feierte und anschließend an zahlreiche andere Festivals weitergereicht wurde, auf ähnliche Taktiken zurück wie die Piraten. Von dieser recht offensichtlichen Manipulation einmal abgesehen fällt Hijacking vor allem durch seine nüchterne Machart auf. Lindholm legte hohen Wert auf Realismus und Authentizität, vertraute deshalb auf den Input erfahrener Leute. Beispielsweise arbeitet Gary Skjoldmose Porter, der hier den Verhandlungsexperten spielt, in Wahrheit tatsächlich als solcher und sollte ursprünglich nur beratend tätig sein, bevor er die Rolle erhielt. Unter der Besatzung des Schiffs befinden außerdem sich echte Seemänner, die selbst Geiseln von Piraten waren und ihre Erfahrungen mitbringen konnten. All das trägt dazu bei, dass man hier wirklich Teil des Geschehens ist und bis zum Ende mitzittern darf, wie dieser Nervenkrieg ausgehen mag. Da sieht man dann auch darüber hinweg, dass die Figuren eher zweckmäßig gezeichnet sind.
OT: „Kapringen“
Land: Dänemark
Jahr: 2012
Regie: Tobias Lindholm
Drehbuch: Tobias Lindholm
Musik: Hildur Guðnadóttir
Kamera: Magnus Nordenhof Jønck
Besetzung: Pilou Asbæk, Søren Malling, Dar Salim, Roland Møller, Gary Skjoldmose Porter, Abdihakin Asgar
Venedig 2012
Toronto International Film Festival 2012
Zurich Film Festival 2012
Filmfest München 2013
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