Auch wenn Jacques Mayol und Enzo Molinari unterschiedlicher kaum sein könnten – Jacques ist ein Außenseiter, Enzo gibt den Anführer der Dorfkinder auf der griechischen Insel –, eines haben sie doch gemeinsam: Sie lieben das Tauchen. Diese Leidenschaft ist ihnen auch später geblieben, als sie sich zwanzig Jahre später wieder begegnen. Aus den Jungen sind Männer geworden. Doch während der zurückhaltende Jacques (Jean-Marc Barr) seine Fähigkeiten wissenschaftlichen Zwecken zur Verfügung stellt, ist der selbstbewusste Enzo (Jean Reno) in erster Linie an Wettbewerben interessiert. Zu einem solchen will er seinen alten Freund auch bewegen, um zu sehen, wer von ihnen der bessere Taucher ist. Dabei trifft Jacques (Jean-Marc Barr) die Versicherungsagentin Johana Baker (Rosanna Arquette) wieder, die nicht ganz zufällig dort auftaucht …
Ein eigener Trip in die Tiefe
Den Namen Luc Besson bringt man überwiegend mit seinen zahlreichen Thrillern in Verbindung, allen voran Léon – Der Profi, alternativ mit seinen Science-Werken. Gerade Das fünfte Element genießt Kultstatus. Letzteres gilt aber auch für einen Titel, der sich in der Filmografie des Franzosen tummelt. Dabei sticht Im Rausch der Tiefe schon ziemlich heraus. Ein überlanges meditatives Drama über das Tauchen? Wer würde so etwas sehen wollen? Sehr viele: In Frankreich strömten mehr als neun Millionen Menschen in die Kinos, um mitanzusehen, wie zwei Männer sich immer wieder dem Meer hingeben. Acht Mal war der Film zudem für den César nominiert, wovon er zwei gewann. In Deutschland schlug er zwar nicht auf vergleichbare Weise ein. Aber auch hierzulande war er ein größerer Hit.
Insofern ist es mehr als verdient, wenn Im Rausch der Tiefe im Rahmen der Best-of-Cinema-Reihe gezeigt, bei der Klassiker der Filmgeschichte noch einmal für einen Tag im Kino laufen. Dort ist das Drama auch zu Hause. Denn auch 35 Jahre später überzeugt es in erster Linie durch eine audiovisuelle Umsetzung, die es im großen Stil zu erleben gilt. Mit großem Aufwand erfüllte sich Besson, der selbst als Tauchlehrer tätig war, seinen Traum, diese Erfahrung in Bilder zu packen. Tatsächlich arbeitete er bereits als Jugendlicher an ersten Drehbuchfassung. Mit Ende zwanzig hatte er endlich die Mittel, finanziell wie technisch, um diesen umzusetzen. Der Anblick, wenn die zwei Männer auf Tauchstation gehen und sich ganz dieser eigenen Welt hingeben, ist bis heute faszinierend. Gemeinsam mit der preisgekrönten Musik von Éric Serra, die seinerzeit ebenfalls ein großer Erfolg war, wird daraus ein ganz eigener Trip.
Mehr Meditation als Handlung
Der Inhalt rückt dabei eher in den Hintergrund. Zwar lehnt sich Besson an die Biografien der realen Taucher Jacques Mayol und Enzo Maiorca an, hält sich aber kaum daran. Es ist auch nicht so, als hätte er so wahnsinnig viel über die beiden zu erzählen. Zwar gelingt es Im Rausch der Tiefe, in einer kurzen Einführungsszene die Unterschiede der beiden Charaktere prägnant auszuarbeiten. Auch später sind diese zu finden. Doch die Wettbewerbssituation ist gar nicht so wichtig. Und auch die Figur der Johana hätte es nicht unbedingt gebraucht, sie dient mehr als Symbol für die Verbindung von Jacques zur realen Welt. Denn je weiter der Film voranschreitet, umso mehr scheint er dieser zu entgleiten. Nach einem vergleichsweise konventionellen Einstieg, wird im Anschluss zunehmend auf das Narrative verzichtet. Der Film nimmt meditative Züge an, wird später traumartig.
Spannend ist der Film zuweilen auch, gerade bei den brenzligeren Tauchszenen. Aber man sollte nicht zu viel in der Hinsicht erwarten. Insgesamt ist das eine sehr ruhige Angelegenheit, gerade auch beim 160 Minuten langen Director’s Cut. Da geht es mehr um Atmosphäre und existenzielle Überlegungen, geht es um eine Sehnsucht, die nur von der Tiefe des Meeres erfüllt wird. Die Handlung ist dabei sekundär. Im Rausch der Tiefe gibt sich einer schwärmerisch-fatalistischen Stimmung hin, gerade auch beim ursprünglichen Ende. Das darf man befremdlich finden – oder eben verzaubernd. Geradezu hypnotisierend ist es, wenn das Publikum an die Hand genommen und mit in die Tiefe gezogen wird, das filmische Pendant zum Sirenen-Mythos, der mit betörenden Gesängen in ein nasses Grab führt.
OT: „Le Grand Bleu“
Land: Frankreich
Jahr: 1988
Regie: Luc Besson
Drehbuch: Luc Besson
Musik: Éric Serra
Kamera: Carlo Varini
Besetzung: Jean-Marc Barr, Jean Reno, Rosanna Arquette
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
César | 1989 | Bester Film | Nominiert | |
Beste Regie | Luc Besson | Nominiert | ||
Bester Hauptdarsteller | Jean-Marc Barr | Nominiert | ||
Bester Nebendarsteller | Jean Reno | Nominiert | ||
Beste Musik | Éric Serra | Sieg | ||
Beste Kamera | Carlo Varini | Nominiert | ||
Bester Ton | Pierre Befve, Gérard Lamps, François Groult | Sieg | ||
Bestes Poster | Nominiert |
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