Kohlrabenschwarz Paramount+ Streamen online Serie
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Kohlrabenschwarz – Staffel 1

Kohlrabenschwarz Paramount+ Streamen online Serie
„Kohlrabenschwarz – Staffel 1“ // Deutschland-Start: 8. Juni 2023 (Paramount+)

Inhalt/Kritik

Nachdem er vor zwei Jahren den Dienst quittiert hat, kehrt Polizeipsychologe Stefan Schwab (Michael Kessler) wieder zurück. Da ein paar Kinder verschwunden sind, bittet ihn sein alter Freund und Kollege Thomas (Jürgen Tonkel) um Hilfe. Kriminaldirektor Kroiss (Axel Milberg) ist Schwab jedoch ein Dorn im Auge. Bald stellt sich heraus, dass die Sache größer ist, als bisher angenommen – übernatürliche Kräfte aus alten Legenden scheinen mit im Spiel zu sein. Gemeinsam mit seiner Ex-Frau Susanne (Bettina Zimmermann), deren neuen Freund Franz (Peter Kethnat), einem Pfarrer, und der Leiterin für digitale Fahndung und Datenschutz, Anna Leitner (Bettina Lamprecht), kann Schwab den Fall lösen. Es sieht zunächst so aus, als wäre der Täter nur ein Psychopath, der sich für eine alte Mythengestalt hielt. Doch das war nicht das letzte folkloristisch motivierte Verbrechen in der Gegend …

Nicht wirklich durchdacht

Es lässt sich kaum vermeiden, sich bei der Sichtung von Kohlrabenschwarz in Detailkritik zu verlieren. In der ersten Folge sitzen Leitner und Schwab im Data Center, um sich das endlich freigegebene Überwachungsvideo einer Kamera anzuschauen. Während sie damit beschäftigt sind, erhält Leitner einen Anruf: Kollegen haben das Material einer anderen Kamera beschaffen können, auf welches ebenfalls noch gewartet wurde. Leitner informiert sie, dass Schwab und sie im Data Center seien. Fünf Sekunden später geht die Tür auf und zwei Polizisten betreten den Raum, welche eine SD-Karte mit den fraglichen Aufnahmen dabei haben. Wo soll man da wieder anfangen? Es ist ja schon merkwürdig genug, dass die Polizisten erst dann anrufen, wenn sie im Gebäude sind, und nicht direkt wenn sie das Material sichergestellt haben. Und warum befinden sich die Kollegen vor dem Data Center, wenn sie nicht wissen, dass Leitner dort ist?

Natürlich ist es sinnvoll, die Aufnahmen im Data Center sichten und auswerten zu wollen (aber eigentlich auch nicht, da das Data Center einfach nach billigem Filmset aussieht und die Videos ganz normal an einem Computer angeschaut werden, was genauso gut an Leitners Schreibtisch hätte stattfinden können), aber das sind doch keine leitenden Beamten, die selbst etwas entscheiden dürfen. In dem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, woher die Polizisten eine Keycard haben, die ihnen den Zugang zu dem Raum ermöglicht. Hat einfach jeder im Revier eine? Wieso das Zimmer dann überhaupt elektronisch verschließen? Und wenn sie eine Keycard haben, und wenn sie sowieso vor dem Data Center stehen – wieso dann erst Leitner anrufen? Da wärs doch schlauer gewesen, einfach direkt reinzugehen. Ist Leitner bereits da, super, wenn nicht, auch gut, dann kann ja immer noch telefoniert werden.

Der Rezensent maßt sich natürlich nicht an, eine komplette Serie wie Kohlrabenschwarz schreiben zu können, und außer den Beteiligten weiß auch niemand, ob die Umstände am Set eine ideale Umsetzung erlaubt haben. Wenn er aber im Writers Room gesessen hätte, hätte der Rezensent altklug vorgeschlagen, die Szene eben genau wie erwähnt aussehen zu lassen: Schwab und Leitner sitzen im Data Center und schauen sich das Überwachungsvideo an. Die beiden Polizisten betreten den Raum. „Ach, ihr seid schon hier? Super! Wir haben das Material von der zweiten Kamera.“ Es ist schon klar, dass die fünf Sekunden des Pacings wegen eine Notwendigkeit sind, aber die hier dargelegte Version ist nicht nur flotter, sondern hat auch deutlich weniger Fragezeichen im Schlepptau. Direkt im Anschluss öffnet übrigens Herr Kroiss die Tür, aber bevor wir uns nun wieder zwei Absätze lang darüber wundern können, woher der wissen wollte, dass alle bereits anwesend sind (seinem überraschten Blick zufolge wusste er es nicht, also was wollte er überhaupt dort?), widmen wir uns lieber dem Rest der Serie.

Auf der Suche nach Diversität

Immerhin wird im (fraglos schön gestalteten) Abspann ein Diversity Consultant erwähnt, was natürlich viel mehr wert ist als ein durchdachtes Drehbuch. Was Inclusion & Diversity Consultants überhaupt tun, wissen sie meist selbst nicht so genau: „There is no specific training for I&D consultants. […] It is difficult to describe exactly what being an I&D consultant involves.“ Ähnlich wie bei Intimacy Coaches (siehe German Genius) scheint es sich um eine Position zu handeln, bei welcher so manch einen die Vermutung beschleichen mag, sie existiere aus anderen als den vorgeblichen Gründen. Bei Kohlrabenschwarz sieht die Diversität jedenfalls so aus, dass von den erwähnten Polizisten der eine (Alexander Prince Osei) schwarz ist und die andere (Sogol Faghani) ein persisches Erscheinungsbild hat. Die Charaktere also, die intradiegetisch am wenigsten zu sagen haben und diese Eigenschaft mit ihren Darstellern teilen. Ob Osei in den ersten drei Episoden mehr als einen Satz pro Folge von sich gegeben hat, kann schon direkt nach Sichtung der Serie nicht mehr mit Gewissheit festgehalten werden.

Nur um es klarzustellen: Das ist absolut kein Problem und wirkt sich in keinster Weise negativ auf irgendetwas aus, es ist lediglich im Kontext furchtbar ironisch. Nicht einmal Tender Hearts hatte einen Diversity Consultant, und rein mit Hinblick auf Diversität ist das eine der besten Serien überhaupt – nicht nur aus Deutschland, sondern weltweit (beide Serien teilen sich mit Walter Erbe übrigens denselben Regieassistenten, eine tatsächlich immens wichtige Position, die viel zu selten gewürdigt wird). Faghani jedoch ist eine absolute Goldmine. Sie hat zwar nur eine Handvoll Oneliner, aber jeder davon sitzt. Es ist schwierig zu beurteilen, wie sie sich in einer Hauptrolle machen würde, aber es wäre keine Überraschung, wenn wir in Zukunft noch Großes von der jungen Dame zu sehen bekommen.

Talentierte Besetzung

Beim Hauptcast jedenfalls scheint nur auf Talent als Qualifikationskriterium geachtet worden zu sein. Wie viele Komödianten kann Kessler auch eine ernste Rolle verkörpern. Ganz frei von Humor ist sie jedoch nicht, Schwabs Kabbeleien mit Ex-Frau Susanne sind schon unterhaltsam, vor allem aber Kesslers Zusammenspiel mit Kethnat funktioniert hervorragend. Ein bestimmter Running Gag in Bezug auf den Pfarrer ist da noch das Sahnehäubchen. Die Regieanweisungen lassen sein Schauspiel jedoch manchmal etwas irreführend wirken. Gerade am Anfang, als ein Zeuge vernommen wird, wirkt es so, als würde Schwab durch die Schilderungen an ähnliche Ereignisse erinnert werden, eventuell sogar an solche aus seiner eigenen Kindheit. Das ist aber überhaupt nicht der Fall.

In der dritten Folge mustert er eine Kellnerin (deren Gesicht wir nicht sehen) argwöhnisch-nachdenklich, als würde er sie wiedererkennen. Diese spielt aber nie wieder eine Rolle. Die Szene danach, wenn Stefan, Anna, Susanne und Franz gemeinsam bei einem Absacker sitzen, ist dann etwas verstörend, weil sich im Hintergrund immer wieder einige der Gäste direkt zu ihnen hindrehen, so als ob sie von einer bösen Macht besessen wären, welche die vier belauscht – aber wiederum gibt es dafür kein Payoff. Auch der von Milberg gespielte Kroiss scheint als Figur etwas seltsam angelegt zu sein. Er wird an einer Stelle zwar von Schwab als „die personifizierte Inkompetenz“ charakterisiert, aber seine Handlungen sind dennoch nicht immer ganz nachzuvollziehen. Milbergs Filmographie hat gefühlt mehr Einträge als diese Kritik Zeichen und er ist sicherlich einer der talentiertesten Mimen Deutschlands.

Komödie trifft Mystery-Krimi

Es war schon einigermaßen riskant, Erik Haffner als Regisseur zu verpflichten. Klar, der Mann hat 34 Folgen von Pastewka inszeniert, der wohl witzigsten Serie, die wir hierzulande so haben. Zuletzt zeichnete er aber für Frau Jordan stellt gleich und Die Geschichte der Menschheit – leicht gekürzt verantwortlich, und na ja … als Filmemacher ist man eben oft nur so gut wie sein letztes Werk. Mit Kohlrabenschwarz hat Haffner seine Weste jedenfalls wieder weißgewaschen. An der Regie gibt es hier bis auf die angesprochenen Details nichts zu bemängeln, auch das Editing ist gelungen. Ein unglaublich abgedroschener Witz in der ersten Episode, der gar nicht mehr funktionieren sollte, tut es einzig und allein aufgrund des exzellenten Timings beim Schnitt. Genau dieselbe Gagstruktur wird in der fünften Folge noch einmal wiederholt, was nun wirklich nicht mehr funktionieren dürfte, aber vom präzise gesetzten Schnitt zumindest teilweise gerettet wird.

Die Handlung selbst ist zwar wie angedeutet mit Witzen garniert, im Grunde aber doch eher auf Mystery-Krimi ausgelegt. Als solcher ist Kohlrabenschwarz in den ersten Hälfte unter Vorbehalt der erwähnten Punkte grundsolide. Obwohl es in der Mitteilung an die Presse zunächst hieß, es gäbe nur Screener für die ersten drei Episoden, haben sich die Verantwortlichen dankenswerterweise dazu entschieden, uns alle sechs Folgen zur Vorabsichtung zur Verfügung zu stellen. Damit müssten ein oder zwei der bisherigen Kommentare etwas relativiert werden, aber um die Kritik so spoilerfrei wie möglich zu halten, soll das hier nicht geschehen. Ab der vierten Episode wird die Serie jedenfalls noch einmal deutlich spannender. Es wird ein weiterer Charakter eingeführt, der ein neues Licht auf die Sache wirft und uns dabei Schatten offenbart, von deren Existenz wir keine Ahnung hatten. Spätestens im Laufe der fünften Folge wird dann aber auch klar, dass die Geschichte sehr wahrscheinlich nicht auserzählt werden wird, und tatsächlich endet die Staffel nicht nur mit einem Cliffhanger, sondern noch mit einem (vorhersehbaren, aber bewusst vorbereiteten) Twist.

Rückzug in die Vergangenheit

Im Abspann dankt Serienschöpfer Tommy Krappweis unter anderen Snorri Sturluson, den Gebrüdern Grimm und Karl Simrock „for retelling, reinventing, preserving, teaching, and translating of the old Myths, thereby keeping them alive.“ Warum alle davon dezidiert als verstorben gekennzeichnet wurden oder das Ganze unbedingt auf Englisch sein musste, soll uns hier nicht weiter kümmern. Mit dieser Danksagung und Kohlrabenschwarz an sich führt Krappweis diese Erzählertradition jedenfalls fort, er hält die deutsche Sagenwelt am Leben, genauer jene aus der bayerischen Region (später wird es etwas internationaler). Das ist nobel und auch gut, aber es gibt Traditionen, mit denen schon lange hätte Schluss sein sollen.

Die Folgen zwei bis sechs fangen alle mit einem klassischen „Zuvor bei Kohlrabenschwarz“-Rückblick an, ein Relikt aus einer Zeit als das sinnvoll war, weil Serienepisoden einmal wöchentlich ausgestrahlt und nicht wie bei Kohlrabenschwarz auf einen Schlag bei Paramount+ veröffentlicht wurden. Zumal alle Folgen sowieso jeweils mit einem Cliffhanger enden (die vierte fast wortwörtlich), da werden wohl die wenigsten so lange mit dem Weiterschauen warten, dass sie eine Auffrischung bräuchten. Außerdem befindet sich im Rückblick am Anfang der sechsten Episode eine Szene, die erst noch kommt (theoretisch möglich, dass das Gezeigte schon einmal in einer früheren Traumsequenz vorkam, jedoch unwahrscheinlich und hierfür nicht mehr überprüfbar, und selbst dann im Rückblick unangebracht).

Credits

OT: „Kohlrabenschwarz“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Erik Haffner
Drehbuch: Thomas Krappweis, Matthias Thönnissen
Vorlage: Tommy Krappweis, Christian von Aster, Sophie Krappweis
Musik: Andreas Lenz von Ungern-Sternberg, Alexander Preu, Tobias Zieziula
Kamera: Tom Holzhauser
Besetzung: Michael Kessler, Bettina Lamprecht, Bettina Zimmermann, Peter Ketnath, Jürgen Tonkel, Axel Milberg, Tim Seyfi, Sogol Faghani, Alexander Prince Osei, Esther Schweins, Götz Otto, Jasmin Schwiers

Bilder

Trailer

https://www.youtube.com/watch?v=DY5y0YfQ9R4

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Kohlrabenschwarz – Staffel 1
Fazit
"Kohlrabenschwarz" hat sicher einige Probleme, vor allem in den ersten drei Episoden, legt ab der vierten jedoch richtig los. Während die Handlung zu Beginn ein paar unerwünschte Fragen aufwirft, wirft der Rest einige sehr erwünschte auf. Ansonsten überzeugt die Serie mit ihrem Cast, ihrem Humor und ihrer Spannung. Für eine deutsche Produktion ist sie unerwartet gut, die hohe Wertung ist natürlich in diesem Kontext zu betrachten.
Leserwertung92 Bewertungen
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8
von 10