Die 17-jährige Rita (Barbara Osika) gilt in der Schule als Außenseiterin und sucht immer wieder nach Wegen, wie sie sich vom Unterricht befreien lassen kann. Ihre Eltern Norbert (Wolfgang Kostal) und Inge (Karina Bandlmayer) haben dafür wenig Verständnis und reagieren meist mit einer harschen Bestrafung zuhause, sodass Rita viel Zeit in ihrem von außen verschlossenen Zimmer verbringt. Ihr einziger Freund ist der Nachbarsjunge Fexi (Christoph Bauer), der an Asthma leidet und deswegen immer wieder ins Krankenhaus gehen muss. Während eines Schulausfluges stiehlt sich Rita davon, steigt in einen Bus und versucht mit dem Busfahrer (Peter Fiala) Kontakt aufzunehmen, der sie aber zunächst abblitzen lässt. Als sie abermals die Schule schwänzt, um nahe bei dem Busfahrer zu sein, kommt es abends zu einer heftigen Auseinandersetzung mit ihren Eltern. Rita weiß nun, dass sie einen entscheidenden Schritt wagen muss, wenn sie ihre Freiheit haben will.
Eine Mischung aus Absicht und Zufall
Inspiration für die Geschichte von Lovely Rita fand Regisseurin Jessica Hausner in dem Fall einer Jugendlichen, die aus gutem Hause kam, doch von einem Moment auf den anderen eine unbeschreibliche Bluttat beging. Die Affekthandlung und die damit verbundene Entscheidung, die zu der Tat führte, beschäftigte Hausner, die darin eine Vermischung von Absicht und Zufall sah, sowie verschiedene andere, unglückliche Begleitumstände. Aufgrund der Ästhetik, der Figurenzeichnung und der narrativen Herangehensweise wird Hausners Film immer wieder mit den frühen Filmen eines Michael Hanekes verglichen, dessen 71 Fragmente einer Chronologie des Zufalls sich wohl am ehesten zum Vergleich anbietet.
Die Nähe zu den Filmen ihres Landsmanns wird zwar von vielen Kritikern beachtet, doch nicht gerade zum Vorteil für Lovely Rita ausgelegt. Selbst die recht schlanken 76 Minuten werden dann als sehr lang empfunden, fast schon als eine Qual, und die dargestellte Pubertät als ein anderes Wort für eine Depression, was sich auch in den spröden Bildern niederschlägt. Es stimmt schon, dass man Lovely Rita keinen Unterhaltungswert unterstellen sollte, denn das geben die Themen wie auch die Handlung schlichtweg nicht her. Jedoch ist Hausners Film auch kein Thriller, sondern vielmehr ein Drama, was nicht nach Erklärungen sucht. Die bereits erwähnte Vermischung von Absicht und Zufall ist es, die wohl eher einer Figur wie Rita nahekommt, und bei der man als Zuschauer manches mit Staunen, Stirnrunzeln oder tiefem Schock verfolgt. Entsprechend minimalistisch gestaltet sich das Schauspiel Barbara Osikas, deren Charakter sich immer mehr verschließt, nach Auswegen sucht, aber immer wieder scheitert.
Abseits des Bildes
Lovely Rita ist vor allem im Kontext der Karriere Hausners interessant. Die wenigen Dialoge und das Prinzip der Auslassung, der viele Momente nur andeutet und es dem Zuschauer überlassen, sich ein vollständiges Bild vom Geschehen zu machen, sind beachtlich. So muss man sich erst zusammenreimen, warum an manchen Stellen Rita dieses Mal bestraft wird oder wie einzelne Bilder zusammengesetzt sind bzw. in den Kontext der Handlung passen. Dazwischen gibt es seltene helle Momente, beispielsweise wenn Rita und Fexi tanzen, doch dann überwiegt wieder die repressive Ordnung um die herum, die sich durch die geschmacklose Einrichtung der Elternwohnung oder die stille Autorität der Klosterschule niederschlagen und jeden Keim von Freiheit direkt ersticken. Gerade dies sind Aspekte der Handlung, die sich im Nachhinein erschließen und die zeigen sollen, wie lange Hausners Film beim Zuschauer nachwirkt.
OT: „Lovely Rita“
Land: Deutschland, Österreich
Jahr: 2001
Regie: Jessica Hausner
Drehbuch: Jessica Hausner
Musik: Dom Capuano
Kamera: Martin Gschlacht
Besetzung: Barbara Osika, Christoph Bauer, Peter Fiala, Wolfgang Kostal, Karina Brandlmayer
Cannes 2001
Toronto International Film Festival 2001
International Film Festival Rotterdam 2002
Filmfest München 2023
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