Poupelle und die andere Seite des Himmels

Nach dem Tod seines Vaters Bruno kommt Lubicchi die Aufgabe zu, sich und seine Mutter zu versorgen. Zu dem Zweck arbeitet er als Schornsteinfeger. Denn als solcher hat man in der Stadt immer mehr als genug zu tun: Deren Erscheinungsbild ist geprägt von riesigen und unzähligen Schornsteinen, aus denen unentwegt Rauch emporsteigt und den kompletten Himmel bedeckt. Hinter diesem soll sich jedoch ein Sternenhimmel befinden, so zumindest erzählte es immer Bruno. Glauben wollte ihm das niemand – außer Lubicchi, der davon träumt, selbst einmal die Sterne sehen zu dürfen. Sein Leben nimmt eine große Wendung, als er auf ein seltsames Monster stößt, das nur aus Müll besteht und dem er den Namen Poupelle gibt. Gemeinsam mit diesem macht er sich auf den Weg, das Geheimnis um die Sterne zu lüften …

Anime-Adaption eines Kinderbuchs

Es gehört zu den immer wieder beliebten Motiven, die gerade auch in Animes zum Einsatz kommen: Die – meist junge – Hauptfigur macht die Bekanntschaft eines seltsamen Wesens, das aus einer anderen Welt zu kommen scheint. Mein Nachbar Totoro ist einer der großen Klassiker in der Hinsicht. Auch im aktuellen Kinoerfolg Suzume kommt dieses Motiv zum Einsatz, wenn es eine Schülerin mit alten Sagen und einer sprechenden Katze zu tun bekommt. In eine ähnliche Richtung geht auch Poupelle und die andere Seite des Himmels. Hier findet der Protagonist zwar keine andere Welt. Doch dafür gelingt es ihm, mit einem Wesen, das selbst sehr fremd ist und eigentlich nicht existieren darf, mehr über die eigene herauszufinden und endlich die Wahrheit hinter dem Rauch zu sehen.

Ausgedacht hat sich dieses Szenario der japanische Autor Akihiro Nishino. Der schrieb nicht nur das 2016 veröffentlichte Kinderbuch, sondern verfasste auch das Drehbuch für die Anime-Adaption aus dem Jahr 2020. Im Ausland erfreute sich diese größerer Beliebtheit. So war der Film auf einer Reihe namhafter Festivals zu sehen, nur in Deutschland blickte man bislang in die Röhre. Das ändert sich jetzt erfreulicherweise gleich doppelt. So feiert das Abenteuer auf der Nippon Connection 2023 Deutschland-Premiere, einige Tage bevor es regulär auf DVD erscheint. Das Warten hat sich dabei gelohnt, denn sowohl visuell wie auch inhaltlich hat der Film einiges zu bieten. Nicht nur Fans der japanischen Animationskunst sollten einmal einen Blick auf die Geschichte um einen Jungen und sein rätselhaftes Müllmonster werfen.

Dramaturgisch ist der Film natürlich sehr klassisch, wenn Lubicchi und Poupelle gemeinsam Abenteuer erleben und es dabei unter anderem mit finsteren Männern zu tun bekommen, die sie aufhalten wollen. Innerhalb dieses Abenteuers werden dabei die unterschiedlichsten Themen angesprochen. Da geht es um Freundschaft und die Toleranz gegenüber Andersartigen. Auch wird das Publikum ermuntert, eigene Antworten zu finden, anstatt einfach die alten Wahrheiten zu wiederholen. Der Rauch ist hier ein schönes Symbol für das, später kommen noch gesellschafts- und kapitalismuskritische Passagen hinzu. Nicht alles wird davon wirklich ausformuliert. Tatsächlich hat man an mehreren Stellen das Gefühl, dass Poupelle und die andere Seite des Himmels bei Passagen, Inhalten oder auch Figuren gekürzt hat. Dennoch, für die Adaption eines Kinderbuchs hat der Film ungewöhnlich viel Inhalt und liefert Stoff für Diskussionen.

Genauso kann man sich aber auch zurücklehnen und den Anblick genießen. Das bekannte Studio 4 °C, welches unter anderem an den Animationsfilmen Children of the Sea, Harmony und Mutafukaz gearbeitet hat, gelang eine visuell reizvolle Umsetzung des Buches. Sowohl die Gestaltung der Titelfigur wie auch das an Steampunk angelehnte Setting können sich sehen lassen. An manchen Stellen wirken die am Computer erstellten Bilder zwar ein wenig ruckelig, zudem hätten diverse Hintergründe etwas detailreicher werden dürfen. Aber es ist schon sehr atmosphärisch, was bei Poupelle und die andere Seite des Himmels zusammengebaut wurde. Es macht Spaß, mit den beiden ungleichen Protagonisten durch diese Welt zu stolpern, zu suchen und zu staunen und vielleicht auch wieder selbst von dem zu träumen, was wir im Alltag nicht mehr sehen können.