Nach dem Tod ihres Vaters zieht die Familie Parondi nach Mailand in der Hoffnung, dort ein neues Heim und Arbeit zu finden. Rosaria (Katina Paxinou) setzt dabei insbesondere auf ihren Sohn Vincenzo (Spiros Focas), ihren Erstgeborenen, der bereits vor vielen Jahren in die Stadt zog und sich dort ein Leben aufbaute. Als es jedoch zu einem Streit zwischen Rosaria und der Mutter von Vincenzos Verlobter Ginetta (Claudia Cardinale) kommt, muss sie zusammen mit ihren anderen Söhnen Rocco (Alain Delon), Simone (Renato Salvatori), Ciro (Max Cartier) und Luca (Rocco Vidolazzi) in eine Sozialwohnung ziehen. Wie viele ihrer Nachbarn erleben auch sie neben Arbeitslosigkeit und Armut die Ablehnung der Einheimischen, die ihnen überall entgegengebracht wird, auch, als sich Rocco und Simone bei einem Boxklub anmelden. Durch sein Talent für den Sport findet Simone jedoch bald Anerkennung und wird gefördert als einer der besten Kämpfer des Vereins. Während er sich als Champion wähnt, beginnt er eine Beziehung mit Nadia (Annie Girardot), die aber die Verbindung nur als Vergnügung ansieht, was Simone nach einer Weile immer mehr befremdet. Als er dann aber von den romantischen Treffen Nadias mit Rocco erfährt, wird Simone eifersüchtig und die beiden Brüder zu Rivalen.
Heimat und Stabilität
Der Name von Regisseur Luchino Visconti wird in erster Linie mit Werken wie Ludwig II. oder Der Leopard verbunden, die einen klaren Kontrast zu der Welt von Rocco und seine Brüder bilden, der das letzte neorealistische Werk des Filmemachers ist. Inspiriert von Romanen wie Giovanni Testoris Il ponte della Ghisolfa sowie Motiven aus Thomas Manns Joseph und seine Brüder erzählt Rocco und seine Brüder von den sozialen Zuständen Norditaliens, doch ebenso von Themen wie Heimat und Identität und wie diese das Gefüge einer Familie auseinanderbringen können. Unterteilt in verschiedene Kapitel, die jeweils einen der Brüder in den Fokus der Handlung setzen, erzählt Viscontis ein klassisches Drama, das nicht nur wegen seines Ensembles überzeugt, sondern ein berührendes Bild einer Familie zeigt, die versucht, trotz widriger Umstände zu überleben.
Das Konzept des Neorealismus wird immer wieder auf die Darstellung sozialer Probleme und Verhältnisse reduziert, doch nicht jeder Filmemacher verstand sich darauf, sich über die reine Bildebene zu erheben und andere Wahrheiten anzusprechen. In Rocco und seine Brüder sind die Realitäten, die den Alltag der Parondis bilden, zwar immer präsent, doch in erster Linie ist es das individuelle Drama wie auch der Weg, den jeder Bruder für sich findet, im Zentrum der Handlung. Bilden die Brüder beim Eintreffen im Bahnhof und wenig später noch bei der Suche nach einer Arbeit eine Einheit, bemerkt man schnell die ersten Risse oder vielmehr die Abweichungen, die sich in unterschiedlichen Lebenswegen niederschlagen. Die episodische Struktur des Drehbuchs in Verbindung mit der Darstellung der Umstände, welche die Brüder prägen, machen den Reiz dieses Filmes aus, welcher sich sowohl neorealistischer wie auch religiöser oder literarischer Motive bedient.
Die Sünden der Brüder
Besonders deutlich wird dies im Konflikt zwischen Rocco und Simone, der den Kern des Filmes darstellt. Während Renato Salvatori einen Menschen spielt, der zunehmend emotional verhärtet, spielt Alain Delon einen jungen Mann, der einen scheinbar naiven Weg wählt und die Vergebung, die Gnade und das Mitleid als Prinzipien wählt, wie er durch die Welt gehen will. Luchino Viscontis Film treibt die Frage an, welcher dieser beiden Wege der wahre ist in einer Welt, die darauf ausgerichtet ist, den Einzelnen zu brechen, zu demütigen oder ihn gefügig zu machen. Die übrigen Brüder haben ihre Sichtweise auf den Konflikt, wählen den, dem sie eher zustimmen, selbst wenn beide Wege steinig sind, wie man an der Entwicklung Simones und Roccos sieht. Ein paar Szenen haben durchaus etwas sehr Melodramatisches an sich und wirken aus heutiger Sicht etwas übertrieben, doch dem Eindruck, den insbesondere das Finale dieses Familiendramas hinterlässt beim Zuschauer, tut dies keinen Abbruch.
OT: „Rocco e suoi fratelli“
Land: Italien, Frankreich
Jahr: 1960
Regie: Luchino Visconti
Drehbuch: Suso Cecchi D’Amico, Pasquale Festa Campanile, Massimo Franciosa, Enrico Medioli, Luchino Visconti
Vorlage: Giovanni Testori
Musik: Nino Rota
Kamera: Guiseppe Rotunno
Besetzung: Alain Delon, Renato Salvatori, Annie Girardot, Katina Paxinou, Max Cartier, Spiros Focas, Rocco Vidolazzi, Claudia Cardinale
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
BAFTA | 1962 | Bester ausländischer Film | Nominiert | |
Beste ausländische Schauspielerin | Annie Girardot | Nominiert | ||
Venadig | 1960 | Goldener Löwe | Nominiert |
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