Maxime, Vilas und Julian sind Anfang Zwanzig. Sie sind in London aufgewachsen und haben dort eine deutsche Schule besucht. Nun studieren die drei Jungs in München. Partys und Gespräche über Beziehungen und Sex gehören ebenso zu ihrem Leben wie Vorlesungen oder die Planung von Auslandssemestern. Die Freundschaft der drei wirkt eng und unzertrennlich. Probleme in der Kommunikation zwischen ihnen sprechen sie ebenso offen an, wie sie über den Druck, ein „Mann“ sein zu müssen oder über idealistisch-romantische Beziehungsvorstellungen reden. Doch die Lebensphase, in der sie sich befinden, ist auch eine Zeit der Um- und Aufbrüche. So steht Maxime etwa kurz davor, für sechs Monate nach Singapur zu gehen, was das Freundestrio zumindest vorübergehend auseinanderreißen wird.
Keine Angst vor Nähe
Dokumentiert hat all dies der junge, französisch-deutsche Regisseur Sylvain Cruiziat. Er ist Maximes älterer Bruder und Boyz stellt seine Abschlussarbeit an der Hochschule für Film- und Fernsehen in München dar. Das Z im Titel kann man dabei als deutliche Anspielung auf die „Generation Z“ verstehen, der die drei Protagonisten angehören. Von dieser wird im Film ein rundweg positives Bild gezeichnet. Klar dürfte es Cruiziat bei den Dreharbeiten geholfen haben, seinen eigenen Bruder und dessen Freunde zum Gegenstand seines Dokumentarfilms gemacht zu haben. Da sind die Berührungsängste automatisch kleiner und die Gewöhnung an die ständig mitlaufende Kamera verläuft schneller. Dennoch geben sich die drei Jungs erstaunlich offen und zeigen mitunter eine emotionale Reife, die man dieser Generation als früher Millennial noch gar nicht zugetraut hat.
Die Jungs kennen sich viel zu gut, um nur oberflächlich voreinander anzugeben. Natürlich gibt es hier und da Witze über Penisgrößen und ähnliches. Doch dabei ist den Dreien stets entweder die Lächerlichkeit dieser Themen bewusst, sodass sie sich selbst darüber lustig machen. Oder solche Oberflächlichkeiten werden als Einstieg in ernsthafte, reflektierte Gespräche über die Erwartungen an Sex und romantische Beziehungen genutzt. Von einer der ersten Szenen an, als Maxime, Vilas und Julian kuschelnd im Bett liegen, wird klar, dass Boyz nicht das klassische, hoffentlich so gut wie überholte Bild von Männlichkeit zeichnet. Harte Machotypen, die nur schwer Nähe zulassen können, keine Emotionen zeigen und schon gar nicht darüber reden, findet man hier jedenfalls nicht.
An der Schwelle zum Erwachsensein
Stark kondensiert auf 72 Minuten zeigt der Film den Alltag der drei Jungs sowohl in lockeren als auch ernsten Szenen. Zu letzteren gehört nicht nur der beginnende Ernst des Erwachsenenlebens, wenn man sich auf einmal mit Stromrechnungen und GEZ-Gebühren herumschlagen muss. Cruiziat begleitet Julian auch zur letzten Begegnung mit seiner im Sterben liegender Großmutter und greift deren Tod auch später im Film noch kurz auf. Diese Szenen liegen wie eine Klammer um den Rest des Films, der vom Jungsein erzählt und den Erwartungen an all die Dinge, die sich noch erleben lassen.
Was es bedeutet, jung zu sein; was einen Mann zum Mann macht und was dieser Begriff eigentlich bedeutet – Fragen wie diese wirft der Film auf, kann und will sie aber nicht endgültig beantworten. Boyz gibt jedoch immer wieder Denkanstöße und regt zu Diskussionen an. Dabei ist es egal, ob man selbst jung (und männlich) ist und ein Leben wie die im Film portraitierten Jungs führt oder ob man diese Lebensphase längst zurückgelassen hat. Jeder und jede wird Anknüpfungspunkte im Film finden, der nur auf den allerersten Blick wie eine oberflächliche Aneinanderreihung von Partyszenen und pubertären Witzen wirkt, tatsächlich aber ein interessantes und zu Diskussionen anregendes Zeitdokument über Männlichkeit an der Schwelle zum Erwachsensein darstellt.
OT: „Boyz“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Sylvain Cruiziat
Kamera: Nikolai Huber
Mitwirkende: Maxime, Vilas, Julian
Ihr wollt mehr über den Film erfahren? Wir hatten die Gelegenheit, uns mit dem Regisseur Sylvain Cruiziat und seinem Bruder Maxime zu treffen. Im Interview zu Boyz reden wir unter anderem über Männlichkeitsbilder, Kuscheln und den Tod.
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