Bei dem Anschlag eines Scharfschützen kommen in einer Silvesternacht 29 Menschen ums Leben. Die Ermittlungen dazu leiten der Chefermittler des FBI, Geoffrey Lammark (Ben Mendelsohn), und eine junge Polizistin namens Eleanor (Shailene Woodley, die auch als Produzentin fungiert). Es ist die einzigartige Mischung aus Brillanz und Verletzlichkeit der Frau, die die Aufmerksamkeit von Lammark auf sich zieht – und zu einer faszinierenden (Zweck-)Partnerschaft führt, die den eigentlichen, dynamischen Kern der Handlung bildet. Beide sind sie hinter dem skrupellosen Amokläufer hinterher, dessen Motive nicht erkennbar sind und der mit einer Reihe von Anschlägen weiter Angst und Schrecken verbreitet. Die Spuren verlaufen ins Nichts – bis plötzlich der entscheidende Durchbruch zu gelingen scheint …
Ein Thriller voll wütender Kritik
Mit Catch the Killer hat der Argentinier Damián Szifron einen Film geschaffen, pardon einen exquisiten Thriller, der einerseits seine Spannung permanent aufrechterhalten kann, andererseits aber auch zu einer monumentalen Kritik am amerikanischen Gesellschaftssystem wird. Nichts wird ausgelassen: Politiker und die eitle Führungsriege des FBI bekommen ihr Fett ab, genauso wie die sensationsgeilen Medien, chauvinistische Trump-Ultras, der militärisch-industrielle Komplex, die NRA bis hin zu Amerikas psychiatrischer Versorgung. Alles ist da! Davor muss man den Hut ziehen – auch wenn das manchmal im Film etwas zu viel erscheint!
Letztendlich ist Catch the Killer aber besonders ein beängstigendes Tableau, das auf erschütternde Weise die zunehmende Zahl von „mass shootings“ in den USA thematisiert. Amerikas Kampf mit der hohen Zahl von „mass shootings“, die deutlich höher liegt als in anderen Industrienationen, ist eine düstere Realität, die man nicht ignorieren kann. Die Daten des Gun Violence Archive verdeutlichen das ganze Ausmaß dieses Problems: Allein im Jahr 2020 wurden 611 „mass shootings“ verzeichnet.
Der Film hat dieses gesellschaftliche Problem als erzählerischen Dreh- und Angelpunkt genutzt, um die Dringlichkeit und den Ernst der Lage zu verdeutlichen. Indem die Story um eine unerbittliche landesweite Fahndung nach einem skrupellosen Massenmörder gesponnen wird, hat Szifron einen offen liegenden gesellschaftlichen Nerv getroffen und damit die Spannung und den emotionalen Einsatz des Films erhöht.
Die Handlung spielt übrigens auf den ganz realen Horror des Anschlags von Las Vegas 2017 an: Ein Schütze – getrieben von seinen obsessiven Neigungen und der Enttäuschung über die unterschiedliche Behandlung von „einfachen“ und zahlungskräftigen Kunden in den Kasinos – beging den tödlichsten Amoklauf mit einer Schusswaffe in der modernen Geschichte der USA. Dieses erschreckende Echo der Realität verstärkt die Wirkung des Films und verankert ihn fest auf dem Boden eines gesellschaftlichen Problems, das weiterhin Aufmerksamkeit und Handeln erfordert.
Warum nicht „Misanthrop“?
Auch wenn der Film sich nicht immer die Zeit lässt, um die Beziehung zwischen den Ermittlern Lammark und Eleanor noch weiter psychologisch zu vertiefen, so muss trotzdem hervorgehoben werden, dass Shailene Woodley und Ben Mendelsohn in ihren Rollen durchaus überzeugen. Hier ein kleiner Tipp: Unbedingt die Originalversion anschauen, denn die raue Originalstimme von Mendelsohn ist einfach der Hammer und ein ganz eigener Genuss!
Der Titel des Films, von Szifron vorgeschlagen, lautete zuerst übrigens „Misanthrope“, also Menschenfeind. Der US-Filmverleiher Vertical Entertainment nannte das Werk dann jedoch To Catch a Killer – einfacher, zugänglicher und vor allem publikumsfreundlicher, so dachte man sich das! Eine Schande, denn besser als mit „Misanthrope“ hätte der Film nicht betitelt werden können … Und gerade die Franzosen, diese filmvernarrte Nation, haben das wieder zurechtgebogen, denn dort änderte der französische Filmverleiher den Titel in „Misanthrope“ zurück. Man muss sie dafür einfach lieben, diese Franzosen!
Denn je mehr über den Killer im Laufe des Films bekannt wird, je mehr sich Vorurteile und Annahmen in Luft auflösen und man sich schließlich dem „Monster“ gegenüber sieht, da ist der ursprüngliche Titel nicht mehr weit – und damit vielleicht auch ein Funken an Sympathie oder zumindest an Verständnis. Und das mag das eigentlich Perverse an Szifrons Film sein …
OT: „To Catch a Killer“
Land: USA
Jahr: 2023
Regie: Damián Szifron
Drehbuch: Damián Szifron, Jonathan Wakeham
Musik: Carter Burwell
Kamera: Javier Julia
Besetzung: Shailene Woodley, Ben Mendelsohn, Jovan Adepo, Ralph Ineson
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