Die Spinnenfamilie Webster lebt glücklich und zurückgezogen im Maschinenraum eines Aufzugs. Dort spinnen sie ihre Netze, legen sich auf die Lauer, um Insekten zu fangen. Was spinnen eben so den ganzen Tag machen. Die große weite Welt interessiert sie nicht besonders. Die Mutter warnt sogar davor, sich in diese hinauszuwagen, das sei viel zu gefährlich. Tochter Lilly will sich davon aber nicht abhalten lassen. Sie brennt darauf, etwas zu erleben, hinauszugehen, die Welt kennenzulernen. Das kann ihr auch gar nicht schnell genug gehen, was die Eltern immer vor Herausforderungen stellt. Vor allem, als sich Lilly in den Kopf setzt, mehr über die Menschen zu erfahren …
Kinofassung der Fernsehspinnen
Gleich zwei Animationsfilme starten diese Woche im Kino, welche auf mehrjährigen Serien basieren. Die deutlich größere Aufmerksamkeit wird dabei zweifelsfrei Miraculous: Ladybug & Cat Noir – Der Film erhalten. Nicht nur, dass die zugrundeliegende gleichnamige Serie auch dank des Merchandising quasi überall ist. Es steckt zudem richtig viel Geld dahinter, 80 Millionen Euro soll das Werk gekostet haben, die Marketingmaschine läuft auch Hochtouren, zudem wurden für die Synchronisation bekannte Stars engagiert. Dagegen wird Die kleine Spinne Lilly Webster keine wirkliche Chance haben, eine vergleichsweise kleine Produktion aus der Slowakei. Dabei ist die Kinofassung der 2017 gestarteten Serie Die Websters – Eine (fast) normale Familie der deutlich stimmigere Film ist.
Das fängt schon bei der Optik an. Anstatt austauschbare 08/15-CGI-Designs zu erschaffen, sind die Figuren hier schon sehr markant. Das liegt natürlich auch daran, dass sie Spinnen sind, da sind die Looks noch nicht so festgefahren. Wie viele Animationstitel gibt es schon, bei denen Spinnen eine Hauptrolle haben? Der Mix aus Kuriosem und Niedlichem ist auffällig, ganz anders als bei den meisten Kinderfilmen. Und noch in einer anderen Hinsicht setzt man auf eine Kombination. Genauer sind in Die kleine Spinne Lilly Webster die Insekten am Computer erstanden, während die Welt drumherum real ist. Das ist also vergleichbar zu Die Winzlinge – Operation Zuckerdose. Während dort aber versucht wurde, das alles einigermaßen zu integrieren, gibt es hier einen sehr bewussten Kontrast. Das Ergebnis mag kein technisches Wunderwerk sein, ist aber ganz witzig anzusehen und charmant.
Episodenhafter Einsatz für Toleranz und Offenheit
Inhaltlich setzt man wie bei der Serie auf kleinere Ereignisse, anstatt eine große Geschichte zu erzählen. Tatsächlich wäre es ohne weiteres möglich gewesen, das sowieso episodenhafte Die kleine Spinne Lilly Webster wieder als Serie umzusetzen. Hinzu kommt, dass die Laufzeit mit etwas mehr als einer Stunde sehr kurz ist. Auch deshalb will kein so wirkliches Kinogefühl aufkommen. Aber das muss ja alles nicht zwangsläufig verkehrt sein. Regisseurin und Drehbuchautorin Katarína Kerekesová erzählt recht nette Alltagsgeschichten aus dem Leben der Spinnen. Da wird dann schon mal längere Zeit daran gearbeitet, dass Lilly lernt, wie sie Motten fängt. Klar, realistisch ist das dann nicht unbedingt. Die Krabbeltiere werden ziemlich vermenschlicht – siehe etwa Lillys großer Goth-Bruder Hugo –, um Identifikationsfläche zu schaffen.
Aber darum geht es zum Teil eben auch in dem Film. Gerade gegen Ende, wenn Lilly doch noch auf die Menschen trifft und beide Seiten lernen miteinander zu leben, tritt Die kleine Spinne Lilly Webster stark für ein vorurteilsfreies und friedliches Miteinander ein. Das Motto: Eigentlich sind wir uns doch nicht so unähnlich. Das erinnert ein wenig an Arielle, die Meerjungfrau neulich. Gerade die Warnungen der Mutter vor den gefährlichen Menschen kommen einem bekannt vor. Wenn es um Themen wie Toleranz geht, kann aber die eine oder andere Wiederholung nicht schaden. Außerdem ist es schon irgendwie schön, wie hier Ängste abgebaut werden sollen du dabei Neugierde geweckt wird für das, was verborgen vor unseren Augen so geschieht.
OT: „Websterovci vo filme“
Land: Slowakei
Jahr: 2022
Regie: Katarína Kerekesová
Drehbuch: Katarína Kerekesová, Zuzana Dzurindová, Peter Nagy, Anna Vásová
Musik: Lucia Chutkova
Schlingel 2022
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