Die Purpursegel L'envol
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Die Purpursegel

„Die Purpursegel“ // Deutschland-Start: 6. Juli 2023 (Kino) // 11. Januar 2024 (DVD)

Inhalt / Kritik

Groß war die Freude bei Raphaël (Raphaël Thiéry), als er aus dem Ersten Weltkrieg zurückkehrt und wieder in sein kleines Dorf kommt. Doch die Freude ist schlagartig vorbei, als er erfahren muss, dass seine geliebte Marie gestorben ist. Dafür überreicht ihm Madame Adeline (Noémie Lvovsky) ein kleines Kind, von dem sie behauptet, seine Tochter Juliette zu sein. Zwar ist er skeptisch, nimmt sich aber des Mädchens an und zieht es groß. Viele Jahre später ist aus dem Kleinkind eine junge Frau (Juliette Jouan) geworden. Während sich die Welt um sie herum verändert, trifft sie im Wald eine geheimnisvolle Frau (Yolande Moreau), die ihr eine Prophezeiung mitgibt. Purpursegel würden sie in die Welt da draußen hinaustragen. Als kurze Zeit später der Pilot Jean (Louis Garrel) in ihr Leben tritt, scheint sich diese Prophezeiung zu verwirklichen …

Eine Welt im Wandel der Zeit

Grenzen sind dazu da, überschritten oder aufgehoben zu werden. Zumindest bei den Filmen des italienischen Regisseurs Pietro Marcello trifft das zu. So kombinierte er in Bella e perduta – Eine Reise durch Italien ein dokumentarisches mit einem fiktionalen Erzählen. In Martin Eden stellte er uns einen jungen Mann aus einfachen Verhältnissen vor, der seine Liebe zum geschriebenen Wort entwickelt, um seiner großen Liebe nah zu sein und soziale Schranken zu überwinden. Auch in seinem neuesten Werk Die Purpursegel geht es um verschiedene Welten, die aufeinandertreffen. Geht es um Menschen und Gräben und die Frage, wo das eine aufhört und das andere beginnt. Um Ausgrenzung an Annäherung.

Die Grundlage hierfür liefert die 1923 veröffentlichte Erzählung Das Purpursegel des russischen Schriftstellers Alexander Grin. Das Märchen wurde zuvor schon verfilmt, auch eine Ballettfassung gibt es. Marcello hat jedoch keine direkte Adaption vorgelegt, sondern orientierte sich nur grob an dem Werk. So wurde beispielsweise aus dem Boot, mit dem der Prinz die Protagonistin abholt, ein Flugzeug. Und auch beim Ablauf hat sich einiges getan. Das Motiv des Traums, an dem jemand festhält, ist dabei geblieben. Das betrifft nicht nur Juliette, die der Prophezeiung folgend auf ihren Prinzen wartet. Es betrifft auch ihren Vater, der ein wahrer Künstler am Holz ist und Spielzeuge herstellt, selbst dann, als die Zeiten sich so sehr verändert haben, dass niemand mehr Interesse an seinen Werken hat.

Aus Liebe zur Kunst

Das Flugzeug hat insofern auch eine symbolische Bedeutung. War das Boot bei Grin Teil der Welt, aus der die Figuren kamen, ist das Flugzeug ein fremdes Objekt. Etwas, das von außen kommt und den Wandel repräsentiert, den Marcello beschreibt. Alles verändert sich, die Menschen, die Bedürfnisse, auch Überzeugungen. Während die einen durch die Luft fliegen, streift Juliette durch einen Wald, hört sich Prophezeiungen einer wunderlichen Alten an, gibt sich Träumen hin. Und der Musik: In Die Purpursegel geht es auch um Kunst, sowohl innerhalb der Geschichte wie auch in der Inszenierung. Juliette spielt Klavier, singt, zeichnet. Die Kunst wird bei ihr zu einem Teil der Wahrnehmung, ein Selbstverständnis. Man kann auch sagen: Die Kunst ist ihre Welt.

Damit können andere nicht unbedingt etwas anfangen. Die Irre vom Hof der Wunder wird sie irgendwann genannt. Auch an anderen Stellen macht Die Purpursegel deutlich, dass die Welt da draußen und die Welt da drinnen nicht immer zusammenpassen. Nur sind diese Grenzen erneut durchlässig. Das betont poetische Drama, welches 2022 in der Quinzaine des réalisateurs in Cannes Premiere feierte, gibt sich ganz dem magischen Realismus hin. Der Film ist geprägt von Sehnsucht. Einer Sehnsucht nach Liebe, nach Kunst, aber auch einer Vergangenheit. Die klassische Handarbeit des Vaters steht auch für das klassische Filmemachen, wenn hier 16 mm und Schmalformat zum Einsatz kommen. Die Suche von Juliette wird so auch zu der Suche nach dem, was in der aktuellen Welt verlorenzugehen droht. Dass der Film dabei selbst zuweilen etwas herumirrt bei dem Versuch, sich durch die Komplexität zu manövrieren, nimmt man ihm dann auch nicht weiter übel. Das gehört zu dem besonderen Zauber dazu.

Credits

OT: „L’envol“
IT: „Scarlet“
Land: Frankreich, Italien, Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Pietro Marcello
Drehbuch: Pietro Marcello, Maurizio Braucci, Maud Ameline, Geneviève Brisac
Vorlage: Alexander Grin
Musik: Gabriel Yared
Kamera: Marco Graziaplena
Besetzung: Raphaël Thiéry, Juliette Jouan, Noémie Lvovsky, Louis Garrel, Yolande Moreau

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Die Purpursegel
fazit
„Die Purpursegel“ erzählt von einer jungen Frau, die für die Kunst und ihre Träume lebt, bis irgendwann ein Pilot in ihr Leben tritt. Das betont poetische Drama zeigt eine Welt im Wandel, wenn Unterschiedliches mal zusammenfindet, dann auch wieder nicht. Das ist von einer tiefen Sehnsucht geprägt, die sich gleich mehrfach in dem Film äußert.
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