Vier Jahre sind vergangen, seitdem Nordholm von dem Mordfall an einer Jugendlichen erschüttert wurde. Nun steht die norddeutsche Kleinstadt erneut unter Schock: Jakob Thomsen (Hanno Friedrich) ist tot, von der Klippe am Strand gestürzt, offensichtlich Selbstmord. Von seiner Frau Anna (Bernadette Heerwagen) und Tochter Lilly (Zoë Malia Moon) fehlt derweil jede Spur, nur Sohn Tom (Timo Hack) ist noch da, hat aber keine Ahnung, was vorgefallen ist. Für Kommissar Simon Kessler (Heino Ferch) bedeutet das, wieder von Kiel nach Nordholm zu wechseln, um den Fall zu lösen. Dafür setzt er auf die Kenntnisse von Hella Christensen (Barbara Auer), die dort aufgewachsen ist und alle Leute kennt. Doch das Verhältnis zwischen den beiden ist schlecht. Und auch sonst ist der Ort von zahlreichen Konflikten geprägt …
Zweiter Mordfall in der norddeutschen Kleinstadt
Eigentlich zögert man bei den öffentlich-rechtlichen Sendern nicht lange, wenn es darum geht, erfolgreiche Titel fortzusetzen. Aber es gibt auch Ausnahmen. 7 bis 8 Millionen Menschen schalteten Anfang 2015 bei Tod eines Mädchens ein, wollten seinerzeit wissen, wer die Jugendliche ermordet und ins Meer geworfen hatte. Das ist selbst in einem Land, das TV-Krimis in Massen konsumiert, ziemlich ordentlich. Dennoch dauerte es im Anschluss knapp vier Jahre, bis es einen Nachfolger gab. Dafür hielt man sich bei Die verschwundene Familie, dem zweiten Teil der ZDF-Krimireihe Nordholm, eng an das Erfolgsrezept des ersten Teils. Tatsächlich schließt dieser nahezu nahtlos an den Erstling an. So nahtlos, dass Außenstehende an der einen oder anderen Stelle etwas ratlos sein könnten.
Zwar sind auch inhaltlich zwischen den beiden Zweiteilern vier Jahre vergangen, was zu einigen Verschiebungen geführt hat. Aber das sind oft die direkten Auswirkungen von dem, was 2015 erzählt wurde. Irritierend ist zudem, wie lauter Figuren aus Tod eines Mädchens noch einmal in Die verschwundene Familie auftauchen, die es eigentlich gar nicht gebraucht hätte. Beispielsweise ist der Hotelbesitzer Uwe Hahn (Gustav Peter Wöhler) erneut ein Verdächtiger. Silke Broder (Anja Kling), die Mutter der damals ermordeten Jugendlichen, wird ebenfalls wieder integriert. Das sorgt dann zwar für einen Wiederkennungswert, ist aber ziemlich konstruiert. Zumal die Zahl neuer Figuren überschaubar ist. Klar, Nordholm soll eine Kleinstadt sein, bei der sich alle gegenseitig kennen. Das sollte aber nicht bedeuten, dass dort nur zehn Leute wohnen. Gerade bei Zweiteilern sollte mehr da mehr möglich sein.
Konfliktreich und willkürlich
Dafür wird bei den Beziehungen zwischen diesen Figuren richtig viel investiert. So viel, dass wie schon beim letzten Mal der Eindruck entsteht, man habe hier eigentlich eine Seifenoper drehen wollen und nur ein bisschen Krimi drumherum gepackt. Dazu gehört auch, dass zwischendurch immer irgendwelche Konflikte entstehen, die sich kaum aus dem Geschehen ableiten. Da wird gestritten und gemotzt, beschuldigt und gelästert, ohne dass man verstehen müsste, warum das jetzt wieder geschieht. Vor allem bei Kessler wurde da viel Wert drauf gelegt. Er ist in Die verschwundene Familie nahezu ebenso unerträglich wie beim Mal zuvor, auch wenn ein bisschen mehr Hintergrund geliefert wird. Immerhin: Das Ensemble ist erneut gut, weshalb da so mancher inhaltlicher Mangel überspielt wird.
Hinzu kommen die wiederholt schönen Aufnahmen, wenn wir uns hier am Strand aufhalten oder auch später durch den Wald streifen, auf der Suche nach den beiden Verschwundenen. Und natürlich möchte man schon gern wissen, was mit diesen denn wirklich geschehen ist. Möglich ist da schließlich alles. Offensichtlich nahm Regisseur und Drehbuchautor Thomas Berger das aber zum Anlass, einfach irgendetwas zum Schluss zu präsentieren. Die Auflösung in Die verschwundene Familie ist nicht nur ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Sie wurde nicht einmal erarbeitet: Die Ermittlungen kommen eher zufällig auf die richtige Erklärung, richtige Kombinierarbeit sieht anders aus. Obwohl der Zweiteiler recht atmosphärisch ist, gesehen haben muss man das nicht.
OT: „Die verschwundene Familie“
Land: Deutschland
Jahr: 2019
Regie: Thomas Berger
Drehbuch: Thomas Berger
Musik: Florian Tessloff
Kamera: Frank Küpper
Besetzung: Heino Ferch, Barbara Auer, Rainer Bock, Finn Fiebig, Anja Kling, Dietrich Hollinderbäumer, Ulrike Kriener, Bernadette Heerwagen, Hanno Friedrich, Timo Hack, Rüdiger Vogler, Gustav Peter Wöhler, Stephan Schad
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