Es brennt
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Es brennt

„Es brennt“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Die Eheleute Amal (Halima Ilter) und Omar (Kida Khodre Ramadan) haben sich in Berlin ein glückliches Leben mit ihrem kleinen Sohn Ahmad (Emir Taskin) aufgebaut. Die Rede vom „Migrationshintergrund“ fühlt sich falsch an, denn alle sind hier geboren und voll integriert. Omar, dessen Eltern aus Ägypten stammen, hat einen Job in einem Labor, Amal arbeitet in einer Apotheke. Man duzt sich mit den deutschen Kollegen und lädt einander gegenseitig zum Essen ein. Einziger Hinweis auf die arabische Kultur ist das Kopftuch, das Amal in der Öffentlichkeit trägt. Aber genau dieses Bekleidungsstück wird zum Auslöser einer Abwärtsspirale, als die Frau mit ihrem Sohn den nahe gelegenen Spielplatz besucht, damit der kleine Junge schaukeln kann, wie so oft. Doch an diesem Tag sind beide Spielgeräte besetzt. Auf einem schwingt sich ein kleines Mädchen in die Höhe, am anderen lehnt dessen Onkel Franz (Nicolas Garin). Amal bittet ihn höflich und freundlich, die Schaukel freizugeben, doch der Mann wird ausfallend und aggressiv. Islamisten hätten hier nichts zu suchen, hetzt er. Zwei deutsche Frauen eilen Amal zur Hilfe und rufen die Polizei. Mit der Anzeige wegen Beleidigung beginnt das Verhängnis.

Wie in einem Spiegel

Regisseur Erol Afşin, der bislang vor allem als Schauspieler bekannt ist, nimmt einen realen Fall aus dem Jahr 2009 zur Grundlage für seine Geschichte. Vor allem die Szene auf dem Spielplatz, die Argumente des Angeklagten vor Gericht und das Ende sind durch Fakten gestützt. Die Gefühle und Spannungen, die die Beleidigung auslöst, sind hingegen fiktional hinzugedacht. Der Filmemacher muss auch nicht lange danach suchen. Er selbst, seine Hauptdarsteller und die Teammitglieder haben solche Emotionen nicht nur einmal durchlebt. Rassismus ist leider Alltag bei einem großen Teil der deutschen Bevölkerung. Abschätzige Blicke, spitze Bemerkungen und offene Beleidigungen sind nur die Spitze des Eisbergs.

Erstaunlich aber ist, dass Erol Afşin dank raffinierter filmischer Mittel ein Drama auf die Leinwand wirft, das auch Menschen jenseits der betroffenen Community anspricht. Das Gefühl, in Deutschland nicht mehr sicher zu sein, kriecht paradoxerweise auch unter die Haut derjenigen, die hier geboren sind und dank ihrer Hautfarbe niemals in solche Situationen kommen wie die Protagonisten und das Filmteam. Für Herkunftsdeutsche wirkt die Inszenierung wie ein Spiegel, der die eigenen Vorurteile nicht nur sichtbar macht, sondern deren Auswirkungen auf den Betrachter zurückwirft.

Das hat viel mit den Identifikationsangeboten zu tun, für die sich der Film viel Zeit nimmt. Rund zehn Minuten sitzen wir quasi in Amals und Omars großzügigem Wohnzimmer, schauen zu, wie Omar mit seinem Sohn auf dem Boden herumtollt und ihn durchkitzelt. Wir beobachten, wie neckisch und zärtlich die Eheleute miteinander umgehen, fast wie zwei frisch Verliebte. Und wir bekommen mit, wie gut gelaunt sie morgens in einen Tag starten, der nur Gutes für sie bereitzuhalten scheint. Das schafft die Basis dafür, dass auch die folgende, schleichende Erosion des Glücks unmittelbar zu fühlen ist.

Quälende Fragen

Und so setzt die Tragödie das Publikum auch denselben quälenden Fragen aus, mit denen Amal und Omar konfrontiert werden. Was ist besser? Solche Beleidigungen einfach zu übergehen und in sich hineinzufressen? Oder Anzeige zu erstatten und sich dem zermürbenden Gerichtsprozess auszusetzen, der dem Angeklagten die Plattform bietet, seine „Ausländer raus“-Parolen in aller Hässlichkeit zu wiederholen und auf die Spitze zu treiben? Was kann man bestenfalls erreichen? Eine lächerlich geringe Geldstrafe, die den seelischen Schaden, den solche Angriffe auslösen, niemals kompensieren kann. Und soll man überhaupt hier bleiben unter solchen Bedingungen? Oder gibt es vielleicht doch eine Möglichkeit, in einem Herkunftsland Fuß zu fassen, das man nur aus Besuchen und Erzählungen kennt?

Zum Skandal gehört auch, dass Beleidigungen dieser und ähnlicher Art noch immer unter den Tisch gekehrt werden. Auch Regisseur Erol Afşin sowie sein Freund und Mitstreiter Kida Khodre Ramadan kannten den realen Fall, von dem der Film inspiriert ist, lange Zeit nicht. Nur durch Zufall kam der Filmemacher mit ihm in Berührung, über das dokumentarische Theaterstück Recht(s) – Über das Verbrechen an Marwa el-Sherbini von Ayşe Güvendiren, das 2020 an den Münchener Kammerspielen uraufgeführt wurde. Hier wie im Film steht die Frage im Raum, ob die Meinungsfreiheit wirklich so weit gehen kann, dass Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe in Deutschland ganz offen herabgewürdigt werden. Die Antwort kann sicher nicht vorschnell und unter dem Eindruck tragischer Ereignisse gegeben werden. Aber es ist das unschätzbare Verdienst von Erol Afşins wuchtigem Langfilmdebüt, sie in aller Deutlichkeit zu stellen.

Credits

OT: „Es brennt“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Erol Afşin
Drehbuch: Erol Afşin
Kamera: Emrah Celik
Besetzung: Kida Khodr Ramadan, Halima Ilter, Nicolas Garin, Emir Kadir Taskin, Sohel Altan Gol, Volker Meyer-Dabisch, Lulu Hacke

Trailer

Interview

Wer mehr über den Film erfahren möchte: Wir haben uns mit Regisseur und Drehbuchautor Erol Afşin getroffen. Im Interview zu Es brennt sprechen wir über Rassismus und die Grenzen der Meinungsfreiheit.

Erol Afşin [Interview]

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Es brennt
fazit
„Es brennt“ handelt vom alltäglichen Rassismus und davon, wie er die Seelen der Betroffenen ganz langsam auffrisst. Trotz des empörenden realen Falls, der seinem Langfilmdebüt als Regisseur zugrunde liegt, hat Regisseur Erol Afşin kein Pamphlet gedreht, sondern einen wuchtigen, höchst eindringlichen Film, der wichtige Fragen aufwirft.
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