Ein echter Gewinner ist Forrest Gump (Michael Conner Humphreys) nicht gerade. Nicht nur dass er Probleme beim Laufen hat und spezielle Beinschienen braucht. Sein Intelligenzquotient von gerade einmal 75 scheint ihm sein Leben zu verbauen, noch bevor dieses angefangen hat. Seine Mutter (Sally Field) trichtert ihm jedoch unentwegt ein, dass er nicht schlechter ist als die anderen. Und auch Nachbarskind Jenny (Hanna R. Hall) tritt für den einfach gestrickten Jungen ein. Jahre später ist aus Forrest ein junger Mann geworden (jetzt: Tom Hanks), der zwar nicht intelligenter ist, dafür aber deutlich besser zu Fuß. Tatsächlich kann er so schnell laufen, dass er als Football-Spieler Karriere macht und es sogar an die Universität schafft. Und das ist nur der Anfang einer großen Weltreise, in deren Verlauf er unter anderem Lt. Dan Taylor (Gary Sinise) und Benjamin Buford Blue „Bubba“ (Mykelti Williamson) kennenlernt. Und auch Jenny (jetzt: Robin Wright) wird immer wieder seinen Weg kreuzen …
Ein Welterfolg mit späteren Kontroversen
Natürlich war Tom Hanks bereits in den 1980ern bekannt, hatte in einer Reihe größerer Komödien mitgespielt. Und doch war sein Popularitätsschub in den 90ern unglaublich, aus dem Schauspieler, der mit Vorliebe kindliche und unbeholfene Charaktere spielte, wurde zu einem der größten Stars seiner Zeit. Er war in sehr unterschiedlichen Werken zu sehen, von Komödien über schwere Dramen und Liebesfilmen bis zu einem Kriegsepos, viele davon wurden riesige Hits. Vor allem sein Doppeltriumph Mitte des Jahrzehnts, als er in zwei aufeinanderfolgenden Jahren den Oscar als bester Hauptdarsteller erhielt, katapultierte ihn in die erste Reihe. Doch während seine Darstellung als AIDS-kranker Anwalt in Philadelphia (1993) bis heute gerühmt wird, wird Forrest Gump (1994) heute sehr viel zwiespältiger gesehen. Obwohl eigentlich ein absoluter Wohlfühlfilm, mit Preisen überhäuft und das kommerziell erfolgreichste Werk von Hanks damals, mit großem Abstand, ist er heute mit Kontroversen verbunden.
Dabei ist die Idee eigentlich ziemlich nett. So ist der Film ein Plädoyer dafür, Menschen miteinzuschließen, die nicht der Norm entsprechen. Wenn ein Junge, der immer gehänselt wurde und den man für minderwertig hielt, es allen anderen zeigt, obwohl er es nicht einmal darauf anlegt, dann hat das natürlich Crowdpleaser-Qualitäten. Wer mag keine Underdog-Triumph-Geschichten? Forrest Gump kombiniert diesen Siegeszug mit einem Blick auf die neuere US-amerikanische Historie. Unter anderem thematisiert die Adaption des bis dahin eher unbekannten gleichnamigen Romans von Winston Groom den Vietnamkrieg, die Watergate-Affäre und die Black-Panther-Bewegung. Das Besondere dabei ist, dass Gump immer wieder diese Historie maßgeblich beeinflusst, ohne dies zu planen. Er bekommt es nicht unbedingt einmal mit, weil er das Ganze sowieso nicht versteht.
Unterhaltsam und sentimental
Das ist noch immer unterhaltsam und mit einer Reihe absurder Begegnungen und Ereignisse verbunden, etwa wenn Gump einige Erfindungen und kulturelle Phänomene auslöst. Problematisch ist jedoch, wie ein simpler und gottesfürchtiger Mann, der ohne zu hinterfragen vieles macht, was man ihm sagt, zu einem Helden hochstilisiert wird. Da fehlt an vielen Stellen von Forrest Gump eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem, was da gerade geschieht. Themen wie Kriegstraumata, Missbrauch, Rassismus oder politische Skandale werden bagatellisiert, fast schon niedlich gemacht. Hätte dies im Rahmen einer Satire stattgefunden, die aus diesem Bagatellisieren einen tatsächlichen Inhalt macht, wäre das etwas anderes gewesen. So ist der Film ein Märchen, bei dem man als Zuschauer bzw. Zuschauerin schon ziemlich großzügig sein sollte.
Wen das und der Hang zum Sentimentalen nicht stört, kann sich aber tatsächlich noch immer verzaubern lassen. Die berührende Musik von Alan Silvestri, die abwechslungsreichen Settings, die gelungene visuelle Verbindung von historischen Aufnahmen und neuen Figuren, das trägt alles zu einem besonderen Film bei. Auch wenn Tom Hanks keine übermäßig abwechslungsreiche oder nuancierte Figur spielt, kann man sich kaum jemand Besseren vorstellen für den sympathischen und herzensguten Einfaltspinsel. Da man zumindest bei der Erstsichtung auch keinen Schimmer hat, worauf das alles noch hinauslaufen wird, ist die Neugierde hoch, wo wohl das nächste Abenteuer erwartet. Auch wenn Forrest Gump inzwischen bei vielen in Ungnade gefallen ist und eine Kontroverse entstanden ist, die vor bald drei Jahrzehnten niemand voraussehen konnte: Man spürt noch immer, warum diese Tragikomödie seinerzeit so eingeschlagen hat.
OT: „Forrest Gump“
Land: USA
Jahr: 1994
Regie: Robert Zemeckis
Drehbuch: Eric Roth
Vorlage: Winston Groom
Musik: Alan Silvestri
Kamera: Don Burgess
Besetzung: Tom Hanks, Robin Wright, Gary Sinise, Mykelti Williamson, Sally Field
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Academy Awards | 1995 | Bester Film | Sieg | |
Beste Regie | Robert Zemeckis | Sieg | ||
Bester Hauptdarsteller | Tom Hanks | Sieg | ||
Bester Nebendarsteller | Gary Sinise | Nominiert | ||
Bestes adaptiertes Drehbuch | Eric Roth | Sieg | ||
Beste Musik | Alan Silvestri | Nominiert | ||
Beste Kamera | Don Burgess | Nominiert | ||
Bestes Szenenbild | Rick Carter, Nancy Haigh | Nominiert | ||
Bester Ton | Randy Thom, Tom Johnson, Dennis S. Sands, William B. Kaplan | Nominiert | ||
Bester Schnitt | Arthur Schmidt | Sieg | ||
Beste Soundeffekte | Gloria S. Borders, Randy Thom | Nominiert | ||
Beste Spezialeffekte | Ken Ralston, George Murphy, Stephen Rosenbaum, Allen Hall | Sieg | ||
Bestes Make-up | Daniel C. Striepeke, Hallie D’Amore, Judith A. Cory | Nominiert | ||
BAFTA | 1995 | Bester Film | Nominiert | |
Beste Regie | Robert Zemeckis | Nominiert | ||
Bester Hauptdarsteller | Tom Hanks | Nominiert | ||
Beste Nebendarstellerin | Sally Field | Nominiert | ||
Bestes adaptiertes Drehbuch | Eric Roth | Nominiert | ||
Beste Kamera | Don Burgess | Nominiert | ||
Bester Schnitt | Arthur Schmidt | Nominiert | ||
Beste Spezialeffekte | Ken Ralston, George Murphy, Stephen Rosenbaum, Allen Hall, Doug Chiang | Sieg | ||
Golden Globes | 1995 | Bester Film (Drama) | Sieg | |
Beste Regie | Robert Zemeckis | Sieg | ||
Bester Hauptdarsteller (Drama) | Tom Hanks | Sieg | ||
Bester Nebendarsteller | Gary Sinise | Nominiert | ||
Beste Nebendarstellerin | Robin Wright | Nominiert | ||
Bestes Drehbuch | Eric Roth | Nominiert | ||
Beste Musik | Alan Silvestri | Nominiert |
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