Viele Male schon hat Pam (Naomi Watts) den Mount Washington bestiegen, kennt seine Gefahren und Tücken. Und so lässt sie sich auch nicht von dem angekündigten Sturm abhalten: Sie will hinauf, will den Kopf freibekommen und allein sein. Doch sie ist nicht allein. Als sie sich durch die unwirtliche Gegend kämpft, entdeckt sie am Boden Fußspuren von jemandem, der offensichtlich nicht die notwendige Ausrüstung dabei hat. Fest entschlossen, derjenigen Person zu helfen, macht sie sich auf die Suche und wird kurze Zeit später fündig. Ein junger Mann (Billy Howle), dem sie den Namen John gibt, liegt halb erfroren im Schnee, ist kaum mehr ansprechbar. Für Pam ist klar, dass sie den verwirrten Fremden irgendwie wieder vom Berg herunterbekommen muss. Einfach ist das nicht. Nicht nur dass das Wetter zunehmend schlimmer wird, John verhält sich zudem eigenartig …
Die Tortur eisiger Berge
Survivalthriller leben oft davon, dass sich Menschen in einer Gegend aufhalten, die ganz offensichtlich nicht für Menschen gedacht ist. Ganz oben auf der Liste besser zu vermeidender Orte sind eingeschneite Berge: schwer zugänglich, weit entfernt von der Zivilisation, abgeschnitten von Kommunikation, kaum Nahrung, dazu noch die eisigen Temperaturen. Kein Wunder also, dass so viele Filme ein derartiges Setting wählen. Ob es nun die auf wahren Katastrophen basierenden Beispiele Everest und Überleben! sind oder fiktionale Werke wie 6 Below – Verschollen im Schnee, Beyond the Summit und The Father Who Moves Mountains, sie alle verdeutlichen, dass man sich besser von einem solchen Schauplatz fernhalten sollte. Und auch Infinite Storm macht nicht unbedingt Lust darauf, sich diese Tortur anzutun.
Und doch ist der Film nur bedingt mit den obigen Titeln zu vergleichen, er geht zumindest teilweise in eine etwas andere Richtung. Das sollte beim Blick auf das Regieduo niemanden überraschen. Das polnische Gespann Małgorzata Szumowska und Michał Englert ist eigentlich im Arthouse zu Hause, hat gemeinsam schon an Body und Der Masseur gearbeitet. Wenn sie sich nun eines Survivalthrillers annehmen, darf man neugierig sein, was sie genau denn dazu veranlasst hat. Gut möglich, dass es eine reine Auftragsarbeit war, zumindest geht der Inhalt nicht auf die beiden zurück. So stammt das Drehbuch dieses Mal nicht von ihnen, sondern Josh Rollins. Dieses wiederum basiert auf dem Zeitungsartikel High Places: Footprints in the Snow Lead to an Emotional Rescue von Ty Gagne.
Zwischen Survivalabenteuer und Trauerdrama
Der Titel ist dabei tatsächlich Programm, wenn der Film im weiteren Verlauf eine dramatische Wendung nimmt. Schon früher werden erste Hinweise gegeben, dass die beiden Figuren mit ganz viel emotionalem Ballast auf den Berg gestiegen sind. Während bei Pam mithilfe von Flashbacks ein kleiner Einblick in ihr Vorleben gegeben werden, bleibt John zunächst ein Rätsel. Wir erfahren ja nicht einmal, wie er wirklich heißt. Erst spät legt Infinite Storm die Karten auf den Tisch und tut dies auch nur teilweise. Die Zuschauer und Zuschauerinnen müssen sich aus den Hinweisen selbst zusammenbauen, was geschehen ist und was die beiden angetrieben hat. Während des Survivalparts wird notgedrungen wenig geredet. Aber auch im überraschend langen Folgeteil sind die Dialoge etwas spärlich. Für ein Publikum, das tiefgründige Psychogramme erwartet, ist das natürlich zu wenig.
Ein bisschen sitzt Infinite Storm damit zwischen den Stühlen. So wird während des Survivalabschnitts eine emotionale Anteilnahme eingefordert, die erst im Nachhinein begründet wird. Der Film will Thriller und Trauerdrama im einen sein, ohne die einzelnen Bestandteile miteinander zu verknüpfen. Doch auch wenn das etwas holprig ist, hat der Film sehenswerte Passagen, bei beiden Hälften. Zum einen ist das Setting natürlich stimmungsvoll: Es geht schon eine eigene Faszination von der kargen, menschenleeren Natur aus. Mit der zuletzt thrilleraffinen Naomi Watts (Goodnight Mommy, The Desperate Hour) wurde zudem jemand für die Hauptrolle verpflichtet, die sowohl die harten wie auch leisen Momente beherrscht. Auch wenn einem der Film nicht so nahegeht, wie das von den Verantwortlichen geplant war, ist er zumindest phasenweise immer wieder sehenswert.
OT: „Infinite Storm“
Land: UK, Polen
Jahr: 2022
Regie: Małgorzata Szumowska, Michał Englert
Drehbuch: Josh Rollins
Vorlage: Ty Gagne
Musik: Lorne Balfe
Kamera: Michał Englert
Besetzung: Naomi Watts, Billy Howle
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)