Da der Vater (Ekrem Bora) zu sehr mit der Arbeit beschäftigt ist und sich nicht um ihn kümmern kann, soll der zehnjährige Finn (Miran Selcuk) sich mit dem Zug alleine auf den Weg zu seiner Mutter machen. Auf der Fahrt macht er die unfreiwillige Bekanntschaft mit dem Punker Heiko (Joachim Foerster), der ihm den Rucksack mit all seinen Habseligkeiten klaut. Leider glaubt Finn das keiner – weder die Schaffnerin (Mirja Boes), welche seine Fahrkarte sehen möchte, noch die hinzugerufene Polizei (Heiko Pinkowski, Gisa Flake) am nächsten Bahnhof, welche ihn mit auf die Wache nehmen will. Als die beiden Beamten durch einen Unfall abgelenkt sind, überredet die plötzlich aufgetauchte Jola (Lotte Engels) Finn allerdings dazu, den Streifenwagen zu verlassen. Gemeinsam ziehen die beiden auf eigene Faust los, um den Dieb zu finden …
Nicht immer nachzuvollziehen
Während der ersten zwanzig Minuten von Kannawoniwasein! muss sich der ein oder andere Zuschauer eventuell des Öfteren selbst in Erinnerung rufen, dass es sich dabei um einen Kinderfilm handelt. Zu viele Figuren verhalten sich nur so, wie sie sich verhalten, statt so wie es realistisch und angemessen wäre, weil die Handlung sonst nicht vorankäme. Nun stellt ein Kinderfilm natürlich keinen Freifahrtschein für Plotconveniences aus, innerhalb eines gewissen Rahmens kann aber doch einiges verziehen werden. Dem Genre entsprechend ist das hier dann für ein kindliches Publikum auch alles in Ordnung, was von den älteren Zuschauern eben akzeptiert werden muss.
Was hingegen überhaupt nicht akzeptabel ist, sind zwei bestimmte Szenen. In der ersten betreten Finn und Jola einen Sex-Shop. Die beiden Darsteller sind zwar älter, als sie spielen, aber immer noch im Schutzalter. Wieso es als nötig empfunden wurde, dass es ausgerechnet ein solches Geschäft sein muss und nicht ein beliebiges anderes, wird nicht ersichtlich. Immerhin weist der Besitzer (Ades Zabel) sie energisch darauf hin, dass der Zutritt erst ab 18 Jahren gestattet sei – damit sieht er seine Pflicht aber wohl schon als erledigt an, denn kurz darauf möchte er ihnen fünf Euro dafür abknöpfen, dass sie sein Telefon benutzen dürfen.
Nicht unbedingt angemessen fürs Alter
In der zweiten anrüchigen Szene bleiben Finn und Jola mit dem Trekker irgendwo im Nirgendwo liegen. Ihre Reise wäre wohl beendet gewesen, wenn da nicht zufällig ein dänisches Nudistenpaar vorbeigetuckert käme, das sich den Kindern nicht nur in voller Pracht präsentiert, sondern auch den Traktor mit ihrem eigenen Gefährt wieder auf die Straße zieht. Während diese beiden Szenen schon rein inhaltlich völlig deplatziert sind, sind sie auch filmisch betrachtet vollkommen überflüssig. Die zweite hätte verlustfrei komplett herausgeschnitten werden können, während sich bei der ersten wenigstens argumentieren lässt, dass der von Finn getätigte Anruf eine nicht zu vernachlässigende Signifikanz aufweist. Dafür hätte der Junge aber auch in einem ganz normalen Geschäft sein können.
Vielleicht gibt es diese Szenen auch in Kannawoniwasein! Manchmal muss man einfach verduften, der von Martin Muser geschriebenen Vorlage. Das kann hier nicht beurteilt werden. Wurden sie extra für den Film hinzuerfunden, ist das Ganze natürlich noch schlimmer, aber wenn nicht, wäre niemandem ein Zacken aus der Krone gefallen, wenn sie im Buch geblieben wären. Zum Zeitpunkt des Schreibens dieser Rezension ist eine Altersfreigabe noch nicht erteilt, jedoch eine ab 6 Jahren beantragt worden. Es obliegt dem Ermessen der Eltern, ob sie ihre kleinen Kinder wirklich diesen Szenen aussetzen möchten, falls die FSK in ihrer Bewertung wieder einmal versagt, nachdem die Jury der Filmbewertungsstelle bereits einstimmig das Prädikat „besonders wertvoll“ vergeben hat.
Gute bis sehr gute Schauspielleistung
Dafür dass es für beide der erste Kinofilm ist, machen die Kinderdarsteller ihre Sache gut. Es sind aber eben doch nur Kinderdarsteller, weshalb nicht zu viel erwarten werden sollte. Vor allem Jolas große Rede am Ende leidet darunter, aber auch das ist etwas, was wohl eher nur älteren Zuschauern negativ auffallen wird. Bei den erwachsenen Schauspielern hingegen sieht es schon anders aus. Die Bewertung ist natürlich im entsprechenden Kontext zu betrachten, aber Joachim Foerster liefert für einen deutschen Kinderfilm eine regelrechte Meisterleistung ab. Gerade die erste Begegnung mit Finn im Zug wird notgedrungen von ihm getragen, was er auch mühelos tut. Sie erinnert an Emil und die Detektive (die großartige Verfilmung von 1931), ohne eine stumpfe Kopie zu sein, sondern vollends auf eigenen Beinen zu stehen. Leslie Malton überzeugt ebenfalls, auch wenn ihr Charakter gegen Ende einen Bruch erfährt.
Selbst ohne die Vorlage zu kennen, mag der ein oder andere zumindest anfangs vermuten, dass die von Malton gespielte Figur im Buch männlich ist. Das stellt sich nach kurzer Recherche wenig überraschend als richtig heraus. Der erwähnte Bruch funktioniert tatsächlich besser mit einer Frau, aber er ist dennoch zu abrupt. Außerdem konnte sich Regisseur Stefan Westerwelle (Into the Beat – Dein Herz tanzt) wohl nicht entscheiden, wie die anderen denn nun ihren Namen aussprechen sollen – manche sagen Hackmack, andere Heckmeck (wobei auch nicht klar ist, ob das einfach die englische Aussprache von Hackmack sein soll). Vor allem die Storyline des Punkers jedoch wirkt unausgegoren. Warum war er überhaupt in dem Zug? Warum klaut er einem Kind den Rucksack? Der Film adressiert das sogar selbst, wenn er Heiko die Umstände infrage stellen lässt, als er sich gegen den Vorwurf des Diebstahls verteidigt. Das führt jedoch nirgendwohin und bleibt unaufgelöst.
Optisch gelungen
Die zugrundeliegende Geschichte selbst ist ganz in Ordnung. Kannawoniwasein! ist ein Roadmovie für Kinder, wie immer im deutschen Film (Knockin‘ on Heaven’s Door, Bis zum Ellenbogen, Vincent will Meer, …) geht es dabei natürlich ans Meer. Gerade weil alles andere im Film so kindgerecht ist, weil die Reise von Finn und Jola sie zusammenführt und wachsen lässt, weil vieles gekonnt aus der Sicht eines Kindes erzählt ist, wirken die weiter oben erwähnten Szenen beinahe wie gezielt reingeschmuggelt, in jedem Falle aber forciert und unnötig. Optisch ist der Film gelungen, die Kamera weiß zuweilen das Beste aus den jeweiligen Landschaften herauszuholen, um wunderschöne Bilder einzufangen.
OT: „Kannawoniwasein!“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Stefan Westerwelle
Drehbuch: Klaus Döring, Adrian Bickenbach, Stefan Westerwelle
Vorlage: Martin Muser
Musik: Stefan Maria Schneider
Kamera: Martin Schlecht
Besetzung: Miran Selcuk, Ekrem Bora, Sarina Radomski, Joachim Foerster, Mirja Boes, Heiko Pinkowski, Lotte Engels, Abes Zabel, Anna Mateur, Tristan Göbel, Tim Gailus, Leslie Malton
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