Kizazi Moto: Generation Fire ist eine von Disney+ in Auftrag gegebene Anthologie animierter Kurzfilme. Wer das nicht weiß und nach der ersten Folge gespannt darauf ist, wie es weitergeht, wird sich am Anfang der zweiten also erst einmal ziemlich wundern. Hier ist nämlich so gut wie alles anders: Ort der Handlung, vorkommende Charaktere, Storyverlauf und nicht zuletzt die Animation selbst. Jede der zehn Folgen besteht aus einem eigenständigen Animationskurzfilm – das alleine ist natürlich noch kein ausreichendes Kennzeichen einer Anthologie. Gemein ist ihnen allen der so genannte Africanfuturism, ein Begriff, der sich wohl nur leidlich mit Afrikafuturismus übersetzen lässt, aber eben nicht mit Afrofuturismus verwechselt werden darf.
Es handelt sich im Prinzip um das gleiche Phänomen: Vereinfacht gesagt werden afrikanische Kultur, Geschichte und Mythologie mit futuristischen Technologien in einem Science-Fiction-Setting miteinander verbunden. Der Hauptunterschied liegt darin, dass Africanfuturism seine Geschichten auch zwingend auf dem afrikanischen Kontinent spielen lässt, während der Afrofuturismus weltoffener ist. Africanfuturism darf auch nur von Leuten afrikanischer Abstammung fabriziert werden. Ganz Afrika kommt hier jedoch nicht zu Wort. Von den zehn Folgen stammen allein fünf aus Südafrika, die anderen jeweils aus Uganda, Nigeria, Kenia, Simbabwe beziehungsweise Ägypten.
Die Suche nach einer Perspektive
Wer immer noch darauf setzt, spezifische Perspektiven als Verkaufsmerkmal seiner Werke anzupreisen (siehe Tender Hearts), der hat anscheinend immer noch nicht verstanden, dass die stille Mehrheit sich nicht dafür interessiert, wer hinter einem Projekt steht – wenn es nicht gerade die ganz großen Namen sind, und selbst dann sind es immer noch die Namen, nicht die Identität, welche den Ausschlag geben. In Kizazi Moto: Generation Fire ist es also die „unique African perspective on science fiction and the future„, die uns zum Einschalten bewegen soll. Die Geschichten spielen mutmaßlich alle auf (oder im Falle der Unterwasserfolge neben) dem afrikanischen Kontinent. Die überwiegende Mehrheit der Charaktere ist dunkelhäutig und fast alle haben einen afrikanischen Akzent in ihrem Englisch. Aber wo ist die einzigartige afrikanische Perspektive? Was hier hätte nicht genau so gut von jemandem erzählt werden können, der am Nordpol wohnt? Sofern sich unter den Lesern kein Zeitreisender befindet, hat hier niemand die weit entfernte Zukunft erlebt. Das kann doch auch niemanden davon abhalten, Science-Fiction zu produzieren.
Die Serie selbst ist zum Glück nicht daran interessiert, ein bestimmtes Weltbild zu kolportieren. Die meisten der zehn Kurzfilme zeigen Situationen, die zutiefst menschlich sind. Sie können auch von jedem verstanden werden – selbst wenn sich derjenige noch nie mit einer solchen konfrontiert sah. Die Geschichten sind überwiegend simpel gehalten, was hauptsächlich daran liegen dürfte, dass jeder Folge nur zehn bis fünfzehn Minuten Zeit zur Verfügung stehen. Gerade die erste fühlt sich wie der Beginn von etwas Größerem an. Es ist der klassische Fehler, den viele Filmanfänger begehen, wenn sie einen Kurzfilm machen: Sie drehen ihn nicht als Kurzfilm, sondern als Sequenz eines Langfilms.
Verschenktes Potenzial
Der Genrebegriff ist ein sehr diffuser, Definitionsversuche scheitern ein ums andere Mal. Eine der größeren Streitfragen lautet: Ist Animation ein Genre? Die Antwortet lautet natürlich nein, auch wenn manche das nicht verstehen wollen. Kizazi Moto: Generation Fire setzt jedenfalls ganz klar auf die Animationen. In gewisser Weise sind die Animationen sogar das einzige, was die verschiedenen Episoden klar voneinander trennt. Diese können handgezeichnet, aber auch komplett am Computer erstellt sein. Das sieht alles überwiegend schon sehr gut aus, auch wenn manche Folgen deutlich hinter anderen zurückbleiben. Vor allem die letzte ist jedoch wunderschön.
Was Kizazi Moto: Generation Fire überraschenderweise fast gar nicht macht, ist aus der reichhaltigen afrikanischen Mythologie zu schöpfen. Dieses ganze Unterfangen ist doch DIE Chance, diesen narrativen Schatz mit der Welt zu teilen. Davon ist hierzulande ja nun wirklich nicht allzu viel bekannt. Eine Folge der legendären Disney-Serie Gargoyles hat uns mit der Geschichte über den Gott Anansi schon mehr darüber beigebracht als Kizazi Moto: Generation Fire. Aber vielleicht fokussiert sich eine etwaige zweite Staffel ja stärker auf diesen Aspekt.
OT: „Kizazi Moto: Generation Fire“
Land: USA, Südafrika
Jahr: 2023
Regie: Shofela Coker, Graham Gallagher, Catherine Green, Tafadzwa Hove, Raymond Malinga, Terence Maluleke, Spoek Mathambo, Tshepo Moche, Isaac Mogajane, Ng’endo Mukii, Pious Nyenyewa, Simangaliso ‚Panda‘ Sibaya, Ahmed Teilab, Lesego Vorster, Malcolm Wope
Drehbuch: Raymond Malinga, Mpho Osei Tutu, Leslie Pulsifer, Shofela Coker, Vanessa Kanu, Nthato Mokgata, Catherine Green, Phumlani Pikoli, Tshepo Moche, Tafadzwa Hove, Isaac Mogajane, Ahmed Teilab, Nonzi Bogatsu, Ng’endo Mukii
Musik: Amir Hedayah, Zethu Mashika, Zyon Black, Jordan Bridges, Darlington Chikwewo, Kojo Dodoo, Kay Faith, James Frank, Sek Hao Ho, K.ZIA, Rethabile Khumalo, Femi Koya, Olaolu Lawal, Prisca Leong, Tinashe Makura, Aero Manyelo, Joe-Louis Marques, Anton Morgan, Tapiwa Mubeda, Mpho Pholo, Poptain, Ross Sean, James Ssewakiryanga, Oliver Stotz, Pierre-Henri Wicomb, Adrienne Yong, Zap Mama
Animation: Triggerfish Animation Studios
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)