Früher einmal, da mag Tarent eine schöne Stadt gewesen sein. Doch davon ist nicht viel geblieben, die Gegend in Süditalien ist heruntergekommen und verseucht, das Leben in der Geisterstadt gleicht einem täglichen Kampf. Um diesem besser begegnen zu können, versuchen die beiden Waisenjungen Pietro (Dennis Protopapa) und Christian (Giuliano Soprano), die seit Jahren schon miteinander befreundet sind, sich einer Gang anzuschließen. Geführt wird diese von Testacalda (Alessandro Borghi), der seinen Schützlingen Schutz bietet, aber auch mit großer Grausamkeit über sein Reich herrscht. Einfach ist es nicht, in diese Gang zu kommen, erst müssen sich die zwei Jungen beweisen. Das macht ihre Situation aber noch schwieriger – und gefährlicher …
Düstere Zukunftsvision
Die Zukunftsaussichten sind trübe. Wohin man auch blickt, es finden sich Krisen und Konflikte, Kriege und Katastrophen. Dabei noch den Glauben an eine bessere Welt zu bewahren, an Fortschritt und ein friedliches Miteinander, ist oft gar nicht so einfach. Bestärkt wird das noch von Filmschaffenden. Denn wann immer diese heutzutage in die Zukunft blicken, scheint dies auf besonders düstere Visionen hinauszulaufen. Oft ist die Umwelt zerstört. Manchmal werden wir zu Sklaven unserer Technologiegläubigkeit. Und wenn alles nichts hilft, schlagen sich die Menschen einfach die Köpfe ein und fallen zurück auf alte archaische Formen des Miteinanders. So auch bei Lost City – Das Gesetz der Straße, einer besonders schmutzigen Voraussagung.
Mit Details knausert Regisseur und Co-Autor Alessandro Celli jedoch. So nimmt er uns zwar mit in eine postapokalyptische Welt. Worin genau diese Apokalypse jedoch bestand, das verrät er nicht. Ob diese Zurückhaltung nun deshalb erfolgte, weil er das Publikum allein in dieser Dunkelheit aussetzen möchte oder weil er schlicht keine Idee hat, wie er diese Welt ausgestalten möchte, darüber kann man sich streiten. Auf jeden Fall ist der Italiener in Lost City – Das Gesetz der Straße wie viele seiner Kollegen und Kolleginnen mehr an einer diffusen Atmosphäre interessiert. An dem Gefühl, was es heißt, in einer solchen zerstörten Welt überleben zu müssen. Zu diesem Zweck nimmt er die Perspektive zweier junger Menschen ein, die einen Halt suchen, wo es schon lange keinen mehr gibt. Und wenn ist dieser brüchig.
Zwischen Fürsorge und Grausamkeit
So eben bei Testacalda, einer schillernden und faszinierenden Gestalt. Der gewohnt wandelbare Alessandro Borghi (Acht Berge, The Hanging Sun) legt den Bandenführer als widersprüchlich-ambivalente Figur an. Im einen Moment fürsorglich, zeigt er im nächsten seine grausame Seite. Auf der einen Seite ein typischer Gangsterboss, auf der andere ein groteskes Zerrbild desselben. Ganz so spannend sind die anderen Figuren in Lost City – Das Gesetz der Straße nicht. Die meisten sind sowieso gesichtslos, erfüllen allenfalls punktuell eine Funktion. Aber auch bei den Hauptfiguren hätte mehr geschehen dürfen. So beschreibt Celli zwar, wie die zunächst unzerstörbare Loyalität der beiden Jungs ihre Risse bekommt, aus mehreren Gründen. Vieles bleibt dabei aber Behauptung, darunter auch die Freundschaft selbst. Was sie aneinander finden, außer dass sie sich gegenseitig durch dunkle Phasen geholfen haben, wird nie verraten.
Wer konkrete Antworten oder Raster braucht, um bei einem Film glücklich zu werden, ist hier deshalb falsch. Der Science-Fiction-Krimi, der 2021 bei der internationalen Woche der Kritik in Venedig Premiere feierte, hat insgesamt keinen übermäßig großen narrativen Gehalt. Und doch ist es eben stimmungsvoll, wenn wir uns mit den beiden Jungs auf eine Reise durch das untergegangene Italien begeben. Lost City – Das Gesetz der Straße ist ein düsteres Werk, das inmitten der Gosse nach Menschlichkeit sucht und dabei doch zunehmend selbst verlorengeht. Dazu gibt es Bilder, die mal nah am Dreck sind, mal seltsam entrückt, so als wüsste man hier gar nicht, ob das nun ein Blick in den Abgrund ist oder doch nur ein Fiebertraum, in dem wir alle gefangen sind.
OT: „Mondocane“
Land: Italien
Jahr: 2021
Regie: Alessandro Celli
Drehbuch: Alessandro Celli, Antonio Leotti
Musik: Federico Bisozzi, Davide Tomat
Kamera: Giuseppe Maio
Besetzung: Dennis Protopapa, Giuliano Soprano, Alessandro Borghi, Barbara Ronchi, Ludovica Nasti, Federica Torchetti, Josafat Vagni, Francesco Simon
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