Nimona

Es ist eine große Ehre, die Ballister Boldheart da zuteil wird, als er zum Ritter ernannt wird. Schließlich ist er der erste aus dem einfachen Volk, dem das gestattet wird. Vorher war es Tradition, dass alle Ritter von der Heldin Gloreth und den Rittern abstammen müssen, die vor 1000 Jahren ein gefährliches Monster besiegt haben. Die Freude von Ballister währt aber nur kurz, als die Königin Valerin, die diesen Wandel erst ermöglicht hat, einem Anschlag zum Opfer fällt. Und ausgerechnet Ballister wird dieses Verbrechens beschuldigt. Als dieser sich versteckt, macht er die Bekanntschaft der vorlauten Gestaltwandlerin Nimona. Gemeinsam machen sie sich an die Arbeit, seine Unschuld zu beweisen und herauszufinden, wer wirklich hinter dem Mord steckt …

Totgesagter Animationsfilm

Als Disney vor einigen Jahren den Mitbewerber 20th Century Fox aufkaufte, brachte das notgedrungen jede Menge Veränderungen für die Filmbranche mit sich. Die meisten Diskussionen drehten sich damals darum, ob das Risiken eher abgeneigte Mäuseimperium in Zukunft ungewöhnliche Filme oder solche, die sich an ein erwachsenes Publikum richten, verhindern würde. Auch die Auswirkungen auf das Marvel Cinematic Universe wurden viel besprochen. Weniger Aufmerksamkeit erhielten die großen Auswirkungen auf die Animationssparte. So wollte sich Disney auf die eigenen Studios konzentrieren, andere Titel hatten das Nachsehen. Das Studio Blue Skys, welches mit Ice Age ein eigenes enorm erfolgreiches Franchise hatte, wurde aufgelöst. Ron läuft schief wurde kaum beworben. Nimona wurde sogar ganz eingestellt, obwohl der Film fast fertig war. Erst Annapurna Pictures sorgte dafür, dass das Projekt wiederbelebt wurde, Netflix sicherte sich am Ende die Vertriebsrechte.

Dass die beiden Firmen eingesprungen sind, ist ein Glücksfall. Das gilt nicht nur für das Team, welches die harte Arbeit nicht umsonst investiert hatte. Auch das Publikum darf sich freuen, dass das Abenteuer um einen Ritter und ein Monster noch das Licht der Welt erblickte. Dabei ist die Geschichte bekannt. ND Stevenson (She-Ra und die Rebellen-Prinzessinnen), auf dessen gleichnamigen Comic der Film basiert, verwendet bewährte Elemente. Dass ein vermeintliches Monster eigentlich keins ist, ist ein nicht nur im Bereich des Animationsfilms vertrautes Motiv. Auch die Freundschaft zwischen zwei Hauptfiguren, welche zunächst kaum zusammenpassen, ist ein Klassiker. Nimona unterscheidet sich da nicht nennenswert von vielen Kollegen und Kolleginnen, die im Laufe der Zeit ganz ähnliche Szenarien entwarfen.

Unterhaltsam und emotional

Und doch gibt es einige Punkte, die für einen Wiedererkennungswert sorgen. Da ist zum einen die eigentümliche Mischung aus Fantasy und Science-Fiction, wenn mittelalterliche Ritter und Legenden von Monster auf Computer und Laser treffen. Auffällig ist zudem das starke Bekenntnis zu LGBT-Themen, wie man es bei Stevenson erwarten kann. Das soll auch einer der Gründe gewesen sein, weshalb Disney nichts mehr damit zu tun haben wollte. Zwar gab es in den letzten Jahren sichtbare Bemühungen für mehr Diversität, siehe etwa Arielle, die Meerjungfrau oder Strange World. Ganz konsequent ist diese Richtung aber nicht, im Zweifelsfall ist einfache Vermarktbarkeit wichtiger als Repräsentation. Und auch visuell zeigt man sich bei Nimona fortschrittlich. Tatsächlich ist die Kombination aus modernster 3D-Technik mit 2D-Anmutung fantastisch gelungen. Nicht ohne Grund feierte der Film auf dem prestigeträchtigen Annecy Film Festival 2023 Premiere.

Sehenswert ist der Film also auf mehrere Weise. Das Regie-Duo Nick Bruno und Troy Quane, welches zuvor auch schon die Tauben-Spionage-Persiflage Spione undercover gedreht hat, liefert ein kurzweiliges Abenteuer ab. Da gibt es viel Humor, ungewöhnliche Designs. Aber auch sehr viel Emotionalität: Gerade das Motiv eines Menschen, der sich vom Rest der Welt als Monster missverstanden fühlt, dürfte bei vielen für schwere Herzen sorgen. Netflix mag gerade im Bereich Animation viele zuletzt enttäuscht haben, indem man sich auch hier auf zunehmend sichere Titel verlässt. Dass sie Nimona ein neues Zuhause gegeben und damit einem Millionenpublikum erhalten haben, macht zumindest einen Teil der diversen Enttäuschungen der letzten Zeit wieder wett.