Schon während seines Studiums merkt J. Robert Oppenheimer (Cillian Murphy), dass die Grenzen der Physik, wie er sie beigebracht bekommt, in den Hörsälen und Seminaren eine Neuordnung nötig hat. Er reist nach Europa, um an den Universitäten in Großbritannien und Deutschland zu lernen und beginnt, einen Ansatz zu formulieren, der tatsächlich als revolutionär gilt und Oppenheimer zu einem enormen Ruf in der Physik verhilft. Wieder in seiner Heimat, den USA, stehen ihm zahlreiche Posten an Universitäten offen und er zementiert seine Reputation durch verschiedene Arbeiten, unter anderem über schwarze Löcher und das Universum.
Als sein Kollege, der Atomphysiker Ernest Lawrence (Josh Hartnett), beginnt, an einem Projekt für die Regierung zu arbeiten, soll auch Oppenheimer hinzugezogen werden, jedoch werden seine Beziehungen zu liberalen und linkspolitischen Gruppierungen als Hindernis angesehen. Als er sich von diesen lossagt, wird er, mit Unterstützung von Lieutenant Leslie R. Groves (Matt Damon), als Leiter des Manhattan-Projekts eingesetzt. Mit vielen seiner Kollegen arbeitet Oppenheimer fortan an der Entwicklung der ersten Atombombe, die als Abschreckung gegenüber Hitler-Deutschland zunächst gelten soll. Es ist ein Rennen gegen die Zeit, denn die Deutschen sind ebenso mit der Forschung an einer solchen Bombe beschäftigt.
Für die Wissenschaft
Jeder, der sich näher mit den Filmen Christopher Nolan befasst, wird feststellen, dass den gebürtigen Briten eine wahre Passion für Forschung, Technik und vor allem Wissenschaft antreibt. In langen Monologen, wie etwa in Inception, wird man als Zuschauer in die Hintergründe eingeführt, die wissenschaftliche Grundlage, auf denen die Technik beruht, mit deren Hilfe die Figuren ihre Diebeszüge planen und durchführen. Bereits in Tenet, seinem letzten Film, gab es eine Referenz zu J. Robert Oppenheimer, der vielen in erster Linie als „Vater der Atombombe“ ein Begriff ist, sodass es 2021 fast schon konsequent war, dass sich Nolan in seinem nächsten Projekt dem Leben des Wissenschaftlers widmen würde. Mit Oppenheimer ist ein Film entstanden, der 45 Jahre im Leben des Physikers abdeckt, doch dabei nicht nur seine Bedeutung für das Manhattan-Projekt berücksichtigt, sondern auch die Bestrebungen, seinen Ruf zu demontieren.
Wenn es nach Nolan geht, ist der ideale Zuschauer für Oppenheimer jemand, der sich mit wenigen oder gar keinen Vorkenntnissen der Geschichte des Filmes annimmt. In drei Stunden wird dem Zuschauer, teils in schneller Abfolge, das Studium, die Einberufung Oppenheimers zum Manhattan-Projekt, die Entwicklung der Atombombe sowie die politischen Grabenkriege als Folge davon erzählt. Dies geschieht mit einer für Nolan typischen Detailversessenheit, die bisweilen sehr ermüdend ist, aber der Komplexität des Themas gerecht wird. Gerade der wissenschaftliche Aspekt, beispielsweise das Diskutieren der Berechnungen oder der neuesten Zahlen nach einem weiteren Test, sind packend inszeniert und die ersten Indikatoren dafür, dass sich Nolan distanziert von dem Filmemacher der großen Bilder hin zu einem, der das dramaturgisch und schauspielerisch ansprechende Kammerspiel bevorzugt. Natürlich gelingen hin und wieder beeindruckende Aufnahmen, doch wer ein visuelles Feuerwerk wie Tenet erwartet, wird enttäuscht werden.
Forschung und Verantwortung
Eine Sache, die man als Zuschauer in jedem Falle von den drei Stunden Oppenheimer mitnimmt, ist die Anerkennung für Cillian Murphy, der nach der Serie Peaky Blinders als J. Robert Oppenheimer die beste Darstellung seiner Karriere gibt. Insbesondere im ersten Teil, der Oppenheimer noch als Studenten zeigt, kommt der Zuschauer diesem Menschen nahe, der ein Universum sieht oder vielmehr eine Sicht auf die Welt hat, für die es noch keine Worte gibt, aber deren Sprache er bald formulieren wird. Die Nahaufnahmen, das Erzittern des Bildes und der wummernde Sound machen deutlich, was in diesem Mann vorgeht und sich immer wieder hinter einer undurchdringlichen Maske versteckt. Wie für Nolan üblich ist auch Oppenheimer eine Ensemble-Leistung, wobei jede noch so kleine Rolle mit namhaften Darstellern besetzt ist. Doch letztlich ist dies Murphys Film und bei all der Kritik, die man an Oppenheimer führen kann, wäre es doch eine Schande, wenn diese Leistung nicht anerkannt wird.
Tragisch und bisweilen sehr zäh ist vor allem der letzte Teil des Films nach dem ersten erfolgreichen Atombombentest sowie dem Abwurf einer solchen über Japan. Viel Zeit wird investiert um das politische Ringen, die langen Verhöre sowie das Intrigenspiel hinter den Kulissen, wobei der von Robert Downey Jr. gespielte Lewis Strauss eine zentrale Position einnimmt. Das Konzept der moralischen Verantwortung sowie die Frage, inwiefern Forschung sich von dieser lossagen kann, sofern eine militärische Nutzung dieser zumindest möglich ist, wird thematisiert. Die Tatsache, dass Nolan auch diesen Teil der Biografie Oppenheimers berücksichtigt, ist interessant. Aber das Auserzählen, das sich nicht länger auf Bilder verlässt, ist auch sehr anstrengend.
OT: „Oppenheimer“
Land: USA
Jahr: 2023
Regie: Christopher Nolan
Drehbuch: Christopher Nolan
Musik: Ludwig Göransson
Kamera: Hoyte van Hoytema
Besetzung: Cillian Murphy, Robert Downey Jr., Matt Damon, Emily Blunt, Florence Pugh, Josh Hartnett, Rami Malek, Casey Affleck, Kenneth Branagh, Benny Safdie
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