Rodeo
© Plaion Pictures

Rodeo

„Rodeo“ // Deutschland-Start: 13. Juli 2023 (Kino) // 28. September 2023 (DVD / Blu-ray)

Inhalt / Kritik

Im Leben der Teenagerin Julia (Julie Ledru) geht es vor allem um Geschwindigkeit. Am Rande von Bordeaux, inmitten einer Sozialbausiedlung groß geworden, weiß sie, wie man sich behauptet in einer Welt, in der die Eltern quasi nicht anwesend sind und vor allem die Männer das Sagen haben. Eine Arbeit konnte die junge Frau bislang nicht halten, sodass sie sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält und das meiste, was sie braucht, sich stiehlt, vor allem Motorräder. Die braucht sie nämlich, wenn sie in der Motocrossszene Fuß fassen will, deren Mitglieder sich zu illegalen Rennen und Turnieren, sogenannten „Rodeos“ treffen. Als Anfängerin und obendrein noch als Frau hat sie da schlechte Karten und es schwer, überhaupt beachtet zu werden.

Doch eines Tages gelingt es ihr bei den „Wings“, einer Gruppe von Fahrern, Eindruck zu machen, als sie versucht einem ihrer Mitglieder zu helfen, jedoch ohne Erfolg. Dennoch wird sie mithilfe von Kaïs (Yannis Lafki) aufgenommen, bekommt einen Schlafplatz in der Werkstatt der Gang und wird in deren Geschäfte eingeweiht. Ihr Talent, sich zu verstellen, sowie ihre Jugend kommt der Gruppe dabei zugute, als es darum geht, neue Motorräder zu klauen, wobei Julia die Besitzer ablenkt und das Gefährt schließlich vor deren Nase stiehlt.

Ein Weg der Vergeltung

Die Dirt Bike-Szene, wie sie Rodeo darstellt, ist eine sehr verschlossene und maskuline Gemeinde, in der sich Regisseurin Lola Quivoron bestens auskennt, denn sie hat vier Jahre lang deren Mitglieder und Treffen beobachtet und sogar eine Dokumentation über sie gedreht. An Faszination hat die Szene bei der französischen Filmemacherin jedoch keinesfalls eingebüßt, auch nach so vielen Jahre nicht, vor allem, weil sie in ihre eine politisch-gesellschaftliche Komponente sieht, welche die Basis für Rodeo, der auf den Filmfestspielen in Cannes 2022 mit dem Coup de cœur Preis der Sektion Un certain regard ausgezeichnet wurde. Für viele junge Menschen ist das Motorrad nicht bloß ein Statussymbol, sondern vielmehr eine Möglichkeit, Rache an einer Gesellschaft zu nehmen, die sie an den Randbezirk und in die Perspektivlosigkeit drängte.

Vergeltung ist zunächst einmal kein Konzept, was man mit einer Protagonistin wie Julia verbindet, auch wenn die junge Frau zweifelsohne eine nicht geringes Maß an Wut und Verachtung in sich trägt. Quivorons Inszenierung sowie die Darstellung Julie Ledrus betonen vielmehr das Bild einer Frau, die sich mit dem Status als Außenseiterin abgefunden hat und diesen nutzt, um sich zu holen, was sie will, von einem bisschen Benzin, damit sie an den Rennen teilnehmen kann, bis hin zu den vielen Motorrädern, die sie stiehlt. Die deprimierende Umgebung scheint die bestenfalls nur am Rande wahrzunehmen, als einen Weg, den sie gehen und bestreiten muss, um letztlich an ihr Ziel zu kommen. Ledru gibt Julie eine Würde und Stärke, sogar eine gewisse Unabhängigkeit, weil sie sich nicht durch Äußerlichkeiten definieren will und nach Dingen strebt, die ihr eigentlich aufgrund ihrer Herkunft und ihres Geschlechts versagt bleiben, doch auf die sie all ihre Kräfte konzentriert.

Rausch der Geschwindigkeit, Rausch der Freiheit

Entsprechend der Szene und der Figuren, die ihre Geschichte ausmachen, ist Lola Quivorons  Rodeo ein temporeicher Film, der eigentlich nie wirklich zur Ruhe kommt. Atemlos folgt die Kamera der Protagonistin und schneidet man zur nächsten Einstellung, um eine Welt einzufangen, die niemals wirklich zur Ruhe kommt sowie eine Hauptfigur, die jene Geschwindigkeit braucht. Das Glück, so scheint es, sind jene Momente, in denen man den Fahrtwind in den Haaren spürt und alles um sich herum vergessen kann. Zugleich ist man sich der Wurzeln der Regisseurin in Fotojournalismus und des Dokumentarfilms bewusst, besonders in den Momenten, wenn es darum geht, den Mikrokosmos der Dirt Bike-Rennen und ihrer Fahrer einzufangen oder später die Hierarchie der „Wings“.

Das Drehbuch Quivorons und Antonia Buresi beleuchtet diese Parallelwelt, den Kampf um Geltung, die Konkurrenz, die Gefahr und die Freiheit, für die einige eingesperrt bleiben müssen, wie man anhand der Beziehung zwischen Julia und Ophélie (gespielt von Buresi selbst) sieht. Hier scheint der Film so etwas wie eine andere Option für die Protagonistin aufzuzeigen, bevor es dann wieder auf die Piste geht und Rodeo zu einem Heist-Movie wird.

Credits

OT: „Rodéo“
Land: Frankreich
Jahr: 2022
Regie: Lola Quivoron
Drehbuch: Lola Quivoron, Antonia Buresi
Kamera: Raphaël Vendenbussche
Musik: Kelman Duran
Besetzung: Julie Ledru, Yannis Lafki, Antonia Buresi, Cody Schroeder, Lois Sotton, Junior Correia

Bilder

Trailer

Filmfeste

Cannes 2022
Filmfest Oldenburg 2022
Internationales Filmfestival Mannheim-Heidelberg 2022
Around the World in 14 Films 2022

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Rodeo
fazit
„Rodeo“ ist ein beachtlicher Spielfilm der Französin Lola Quivoron. Inszenatorisch sicher und zwischen surrealen sowie dokumentarischen Sequenzen schwankend erzählt der Film von einem Drang nach Freiheit und dem Rausch der Geschwindigkeit, was auch dank der darstellerischen Leistung Julie Ledrus begeistert.
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