Nachdem Evan (Robbie Amell) durch einen Autounfall stirbt, aktiviert Faye (Jordana Brewster) eine Simulanten-Version ihres Mannes. Diese weiß zunächst nichts davon, dass sie kein echter Mensch ist und den vier Roboter-Geboten unterliegt. Zur gleichen Zeit jagt Kessler (Sam Worthington) Simulanten, die die Roboter-Gebote gebrochen haben und eine Gefahr für die Menschen darstellen. Als Simulant-Evan durch einen Programmierer (Simu Liu) die Möglichkeit erhält, die Grenzen der Gebote aufheben zu lassen und seine Codierung zu verändern, gerät auch er in das Visier des Ermittlerteams. Wird Evan nach der Umprogrammierung wieder mit seiner Frau zusammenleben können? Und welche Pläne verfolgt Casey noch?
Dialoge und die Oberflächlichkeiten
Vorsicht, die Kritik ist nicht ganz spoilerfrei. Liest man die Prämisse dieses Science-Fiction-Werkes, das aus der Drehbuchfeder von Ryan Christopher Churchill stammt und von Regisseurin April Mullen (88, Wander – Die Verschwörung ist real) zum Leben erweckt wurde, könnte man zunächst durchaus gespannt sein. Auch der Cast gäbe Anlass dazu. So erleben wir hier zum Beispiel unteranderem die Performance von Sam Worthington, der schon in Avatar: Aufbruch nach Pandora und der Fortsetzung Avatar: The Way of Water als Jake Sully zu sehen war. Sam Worthington spielt den Ermittler Kessler trotz der für das Thema eher flachen Dialoge mit viel Einsatz und trägt die Handlung auch stellenweise auf seinen Schultern.
Die Dialoge kratzen zum großen Teil aber nur an der Oberfläche dieser aktuell heiß diskutierten Thematik künstlicher Intelligenzen. Dabei finden die Figuren nur wenig neue Perspektiven oder für das Genre überraschende Gedanken. Aber auch abseits der K.I.-Thematik greift man teilweise auf typische Baukastendialoge zurück. Etwa wenn Kessler mit Supervisor Abendjor (Conrad Coates) im Treppenhaus spricht. Kessel will weiter ermitteln, der Chef sagt „Nein“.
Die Oberflächlichkeit setzt sich weitestgehend in den Bildern fort (bis auf die Action, auf die ich später noch eingehe), wodurch der Film fast keine Ecken und Kanten erhält. Simulant hat kaum etwas, das im Nachhinein aus dem großen Genre-Bild herausstechen würde. Das lässt ihn relativ schnell aus der Erinnerung verschwinden, als wären wir die Simulantin (Alicia Sanz) auf dem Operationstisch, deren Erinnerung gelöscht wird. Diese Oberflächlichkeit findet sich auch in den Figurenbeziehungen und in den Innenleben der Figuren selbst.
Figuren
Zu Beginn sehen wir immer wieder Ausschnitte des Zusammenlebens zwischen Evan und Faye, die eher generisch anmuten und so fragmentarisch präsentiert werden, dass es schwer ist, einen Funken überspringen zu lassen oder die Figuren wirklich kennen zu lernen. Auch der Unfall und der sich daraus ergebende Twist wirken, mindestens für Genrefans, leider viel zu vorhersehbar inszeniert.
Als Faye ihren Ehemann später durch einen Simulanten-Evan zu ersetzen versucht, um ihre Trauer möglicherweise besser verarbeiten zu können, wird ihr emotionaler Konflikt kaum herausgearbeitet. Auch die inneren Konflikte von Kessler werden im Laufe des Films nur am Rande thematisiert und obwohl man hier noch eher rätseln darf, bleibt die emotionale Motivation Kesslers, warum er Simulanten hasst, etc. eher blass.
Hintergrund
Zwischendurch erfahren wir etwa durch Newsmeldungen im Hintergrund etwas mehr über diese Welt. Es finden zum Beispiel Proteste statt oder kritische Stimmen in der Gesellschaft werden laut, Missbilligung der Simulanten, etc. Das verleiht der Haupthandlung eine dünne Konturlinie, die nicht uninteressant gestaltet ist, da sie wirklich eher am Rande passiert und dadurch ganz authentisch das Wordbuilding ergänzt. Hier hätte es vielleicht noch Potenzial gegeben, das etwas stärker auszuformulieren oder durch kreative Einstellungen zu komplettieren, etwa ein Simulant in einer Talk-Show oder einer Action-Live-Show, um die Einbindung der Simulanten in die Gesellschaft bzw. die Medien hervorzuheben.
Auch die kurzen Szenen mit Faye in der Galerie und ihren Zeichnungen, der Subtext, dass sowohl sie Bilder malt, als auch der Simulant, der sich verliebt hat, ist im Grunde eine interessante Parallele. Genauso wie die Erinnerungsschleifen des Simulanten eine Parallele bilden zu den Erinnerungsschleifen des Ermittlers, der sich immer wieder eine Nachricht anhört, die auf eine Tragödie hindeutet, mit welcher Kessler zu kämpfen hat und die durch einen späteren Anruf im Film bestätigt wird.
Action
Bei den Actionszenen mit den Simulanten kommt Spannung auf – Sprünge aus großer Höhe, Flucht über die Dächer –, an diesen Stellen nimmt der Film neue Fahrt auf. Diese Momente bleiben aber zeitlich recht kurz. Mit dem elektromagnetischen Impuls, der die Simulanten erstarren lässt, hätte man potenziell auch noch andere inszenatorische Wege gehen können. Was wäre z.B., wenn ein Simulant nur so tut, als wäre er erstarrt, da ihn der EMP aus irgendeinem Grund nicht beeinflusst hätte, um dann im nächsten Augenblick wieder abzuhauen?
Es wird Kessler zudem relativ am Anfang des Films nahegelegt, dass dieser Impulsangriff nur im äußersten einzusetzen wäre, aber später scheint diese Warnung dann keine große Rolle mehr zu spielen und man könnte sich fragen, warum es dann überhaupt die großangelegten Einsätze bräuchte, wenn ein EMP ausreichend wäre? Im Zuge dessen können allerdings die Effekte positiv hervorgehoben werden, die gut funktionieren und sich authentisch in diese Zukunftsvision einfügen.
Fehlende Brisanz
Die Handlung plätschert teilweise vor sich hin, obwohl Figuren und Musik oft etwas anderes suggerieren. Die Tragweite des Falls, mit dem Kessler beauftragt wurde, kommt kaum so richtig hervor, wodurch dann auch das Gefühl der Gefahr, die eventuell von Simulanten ausgeht, zunächst sehr schwammig ist. Dadurch hat der Film mit seiner Laufzeit von ca. 1 Stunde und 35 Minuten einige Längen.
Verschenktes Potenzial
Neben den eher blassen Figurenzeichnungen, könnte man die Servierrobotern erwähnen, die man als eine Art Vorstufe der Simulanten lesen könnte. Hier gibt es zwar Momente, aber es hätte noch mehr Möglichkeiten gegeben, auch hier gedanklich anzusetzen, etwa ob der Programmierer diese Roboter auch befreien will oder ob Simulant-Evans vielleicht denken könnte, er wäre auch nur ein Service-Roboter. Haben vielleicht auch Service-Roboter eigene Gedanken?
Zu erwähnen ist auch die Disco-Szene. Es wird fast nichts mit dieser Location entwickelt, dass die Figur des Simulant-Evans großartig weiterbringt oder etwa auf den Ort gemünzte Konflikte, die auftauchen und welche die Figur zu lösen versucht, die gerade erst befreit wurde durch den Programmierer. So verpufft nicht nur die Wirkung des Ortes, der mit seiner lauten Musik und den blinkenden Lichtern ja spannend gewesen wäre, es schwächt auch die Bedeutung der Befreiung des Simulanten Evan.
Am Ende gibt es aber noch einen ganz interessanten Moment zwischen Kessler und Simulant-Evan. Die Geschichte von Kessler und seine Beziehung zu Simulanten wird hier zwar etwas weiterformuliert, da fehlt jedoch die schlagkräftige Pointe. Die Kamera findet hier noch schöne Bildausschnitte einer schneebedeckten Landschaft, dieser prinzipiell gute Moment verliert sich dann im weiteren Verlauf.
Das Ende
Das Ende der Evan-Faye-Geschichte ist sehr vorhersehbar gestaltet und wirkt in seinen Horrormomenten eher effekthascherisch, als dass hier eine Nuance der Gefühlswelt des Simulanten-Evan herausgearbeitet wurde, die sich dann auch wie eine Pointe anfühlt. Diese ganze Identitätssuche des Simulanten hätte gerne noch stärker herausgemeißelt werden dürfen.
Etwas später werden Simulanten feilgeboten wie Sklaven, was mit Bezug auf die Umprogrammierung inkonsistent erscheint. Durch die Aktivierung des freien Willens dürften die Simulanten dort ja bereits in der Lage sein, beispielsweise einfach zu gehen oder sich zu wehren. Zumal ihre Fähigkeiten, etwa aus großer Höhe ohne Schaden auf dem Boden landen, sie gegenüber ihren menschlichen Gegnern ziemlich überlegen macht. Das nimmt dann gleichzeitig etwas die Fahrt bzw. wieder ein stückweit die Brisanz aus der Befreiungsaktion, die visuell durch das gleichzeitige Heraustreten der Simulanten aus den Häusern in einer Straße ganz gut gemacht ist. Ironischerweise wirkt diese Synchronität wieder wie ein einprogrammierter Prozess.
OT: „Simulant“
Land: Kanada
Jahr: 2023
Regie: April Mullen
Drehbuch: Ryan Christopher Churchill
Musik: Blitz//Berlin
Kamera: Russ De Jong
Besetzung: Robbie Amell, Jordana Brewster, Simu Liu, Sam Worthington, Alicia Sanz, Masa Lizdek, Christine L. Nguyen, Emmanuel Kabongo
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