Last Contact (Kinostart; 27. Juli 2023) nimmt uns mit in eine düstere Zukunft, in der ein Großteil der Welt überflutet wurde und die wenigen noch lebenden Menschen sich im Krieg befinden. In dieser Zeit harren vier Leute auf einer abgelegenen Plattform aus, wo sie eine mächtige Waffe bewachen, die alles entscheiden könnte. Als die Ablösung, auf die sie schon länger warten, ausbleibt, stellen sie sich die Frage: Was ist in der Zwischenzeit geschehen? Wir haben Regisseur Tanel Toom bei der Deutschlandpremiere des Science-Fiction-Thrillers beim Filmfest München 2023 getroffen und sprachen mit ihm über den Film und düstere Zukunftsvisionen.
Könntest du uns mehr über Last Contact verraten? Wie kamst du zu dem Projekt?
Man kam schon vor etwa zehn Jahren auf mich zu mit einem ersten Entwurf des Drehbuchs. Ich habe damals in London gelebt und man suchte einen Regisseur für den Film. Das hätte damals mein erster Langfilm sein sollen und klang nach einer guten Gelegenheit. Das Projekt war einerseits überschaubar, weil es nur vier Figuren gab und dieses intime Setting. Gleichzeitig hatte es diese epische Vision und bot sich daher für einen Kinofilm an. Wir haben damals angefangen, diese Idee noch weiterzuentwickeln und an dem Drehbuch zu arbeiten. Da ich aber wie gesagt vorher noch keinen Langfilm gedreht hatte und es auch der erste Film für unseren britischen Produzenten war, war das mit der Umsetzung nicht ganz einfach. Wir haben zwar Jahre an dem Stoff gearbeitet, kamen aber nicht voran mit dem tatsächlichen Projekt. Erst als auch estnische und deutsche Produzenten hinzukamen, nahm das Ganze an Fahrt auf. Zu dieser Zeit arbeitete ich aber schon an einem anderen Projekt, dem epischen Drama Truth and Justice. Das hätte eigentlich mein zweiter Film werden sollen. Da er aber mit einer Deadline verbunden war, gab es keine Chance, Last Contact vorher noch zu drehen.
Das heißt, ihr hat zehn Jahre an dem Film gearbeitet. Das ist schon ziemlich lang.
Stimmt. Es hat sich auch viel geändert. Beim Film selbst, aber auch drumherum. Es ist heute zum Beispiel sehr viel schwieriger, so einen kleinen Film noch in die Kinos zu bekommen. Außerdem ist unsere Geschichte heute – leider – sehr viel aktueller als zu der Zeit, als wir damit angefangen haben. Heute gibt es ein sehr viel stärkeres Bewusstsein für die Klimaveränderungen, was natürlich positiv ist. Und auch so Sachen wie Trump oder Putins Angriff auf die Ukraine, das war damals alles noch in weiter Ferne. Wir hätten damals nicht gedacht, dass wir tatsächlich wieder über eine nukleare Bedrohung sprechen müssten. 2010, als das Projekt begonnen hat, war ein Atomkrieg eine reine Fantasie.
Und wie war es für dich, an diesem Film dann letztendlich zu arbeiten? Nach dem Historiendrama Truth and Justice so weit in die Zukunft zu springen, muss schon eine ziemliche Umstellung gewesen sein.
Das war großartig! Mir gefällt es, dass Last Contact komplett anders war und ich war schon sehr gespannt auf die Reaktionen. „Truth and Justice“ war in Estland recht erfolgreich und unser Beitrag für die Oscars. Da wird wohl niemand erwartet haben, dass danach ein Science-Fiction-Thriller kommt. Generell fände ich es schön, wenn ich bei jedem Film etwas Neues ausprobieren kann. Aber auch der Dreh war ganz anders. Last Contact haben wir am Stück innerhalb von 13 Tagen gedreht. Bei „Truth and Justice“ waren es zwei Jahre, weil die Geschichte über 24 Jahre spielt und wir die ganzen Jahreszeiten mitnehmen wollten. Da wäre es unmöglich gewesen, das am Stück zu drehen.
Die Zukunft, die ihr in Last Contact beschreibt, ist schon sehr düster. Und irgendwie gilt das für die meisten Science-Fiction-Titel, die ich in den letzten Jahren gesehen habe. Wie kommt es, dass diese Zukunftsvisionen alle so finster sind?
Wenn du dir die Welt da draußen anschaust und die aktuelle Entwicklung, gibt es nur wenig Grund für Optimismus. Ich hätte es einfach unehrlich gefunden, eine Geschichte zu erzählen, wo alles ganz toll und wunderbar ist. Wobei ich mit meinem Film aber auch keinen moralischen Anspruch verfolge. Ich wollte mit Last Contact nicht sagen, wie sich die Menschen zu verhalten haben, um eine Katastrophe zu verhindern. Und ich will auch nicht sagen, dass es kein Happy End geben kann. Tatsächlich haben wir das Ende auch umgeschrieben, da war früher noch düsterer. Aber ich finde es schon wichtig, dass man sich über all das zumindest Gedanken macht.
Wenn jedoch alle solche düsteren Visionen haben, läuft man dann nicht Gefahr, dass dies zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung wird? Nach dem Motto: Wir können sowieso nichts mehr daran ändern.
Es kann schon sein, dass manche dann einfach aufgeben. Aber ich persönlich bin der Meinung, dass man immer etwas tun kann und seinen Beitrag leisten kann, damit es anders ist. Da sind immer noch die anderen Menschen und unsere Beziehungen zu ihnen. Wir könnten netter zueinander sein. Die Welt wäre vielleicht schon besser, wenn wir mehr aufeinander hören würden oder früher miteinander sprechen, bevor es zu spät ist. Das hört sich vielleicht alles ein bisschen simpel und naiv an. Aber ich bin davon überzeugt, dass es schon einen Unterschied macht, wie wir im Kleinen miteinander umgehen.
Kommen wir zu einem anderen Thema. Ich mochte das Setting des Films mit dieser abgelegenen Plattform. Wo habt ihr das denn gedreht?
Wir haben das alles in Estland gedreht, in Tallin und in der Nähe von Tallin. Beispielsweise haben wir einige Szenen auf einem Boot in der Nähe der Küste gedreht und anschließend digital die Hintergründe entfernt, damit man den Eindruck hatte, dass wir mitten auf dem Ozean sind. Das Gleiche gilt für die Szenen, die unter der Plattform spielen, also wo die Boote sind. Die ganzen Innenräume haben wir für den Film gebaut. Die Spitze von dieser Plattform ist real, der Rest digital. Wir hatten bei dem Film nicht wirklich viel Geld, deshalb mussten wir schauen, wie wir das Budget am besten nutzen konnten.
Und könntest du uns noch ein wenig zur Besetzung verraten? Du hast selbst von einem intimen Setting gesprochen und dass es nur wenige Figuren gibt. Da ist es besonders wichtig, die richtigen Leute zu finden.
Absolut, ja, das war mir sehr wichtig. Wir wollten ganz unterschiedliche Figuren haben. So unterschiedlich, dass sie unter anderen Umständen, wenn sie nicht gezwungen wären zusammen zu sein, wohl keine Freunde wären. Da sie aber durch die Situation miteinander klarkommen müssen, müssen sie sich irgendwie arrangieren. Das war unser Anfangsgedanke und wir brauchten jemanden, der das auch ausdrücken kann. Gleichzeitig musst du mit den Leuten auch selbst klarkommen, weil du im Anschluss so viel Zeit mit ihnen verbringst auf engem Raum. Mir bringt der beste Schauspieler nichts, wenn die Zusammenarbeit nicht funktioniert. Der erste aus dem Cast, der fix war, war Thomas Kretschmann. Sobald du jemanden fest hast, musst du schauen, wer würde dazu passen. Auf diese Weise haben wir vom einen zum nächsten weitergehangelt. Das war ein spaßiger Prozess.
Vielen Dank für das Gespräch!
(Anzeige)