The Football Aficionado

The Football Aficionado

The Football Aficionado
„The Football Aficionado“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Bekleidet mit einer weiten Hose, einem schlichten schwarzen T-Shirt und einem unauffälligen Hemd läuft ein Mann in einer kleinen Gruppe auf das Azadi-Stadion in Teheran zu. Es ist Spieltag und tausende Fans strömen in Richtung des Sportkomplexes, um den FC Persepolis bei einem der wichtigsten Spiele des Jahres anzufeuern. Die Stimmung ist ausgelassen und ein wenig aufgeheizt – eine gewisse Nervosität liegt in der Luft. So auch bei der Person mit den schlichten, weiten Klamotten und dem Schnauzbart, wenn auch die Gründe andere sind. Bei genauerer Betrachtung fällt nämlich schnell auf, dass der Bart falsch ist, die Kleidung wie ein Kostüm wirkt und auch die Gesichtsbemalung nur als Ablenkung fungiert.

Die 27-Jährige Zahra ist leidenschaftlicher Fußballfan und geht liebend gerne ins Stadion – als iranische Frau ist ihr das allerdings nicht erlaubt, weshalb sich immer wieder Frauen als Männer verkleidet in iranische Stadien schleichen. Zahra erlangt durch ihre Taten virale Bekanntheit und findet viele Anhänger. Die Dokumentation The Football Aficionado folgt dabei der jungen Iranerin bei ihrem Alltag und ihrer neu erlangten Berühmtheit, portraitiert das Leben als Frau im Iran, die Widerstände aber auch die Unterstützung die sie erfährt und zeichnet so ein eindrucksvolles Bild über den Kampf für Gleichberechtigung und Selbstbestimmung.

Fußball ist für (fast) alle da

Die feindliche und ungerechte Lage voller Diskriminierung und konstitutioneller Unterdrückung in der sich iranische Frauen seit der islamischen Revolution 1979 befinden ist hinlänglich bekannt. Vor allem seit den 2022 immer stärker aufkommenden Protesten gegen das Regime gelangt die Thematik über Unterdrückung und Ungleichheit wieder vermehrt in den Vordergrund. Auch filmisch wurden die schwierigen Verhältnisse im Iran schon häufiger bearbeitet und kritisch hinterfragt. So sorgten preisgekrönte Filme, wie die Comicadaption Persepolis aus dem Jahr 2007, bei der die Autorin Marjane Satrapi das Leben als Mädchen und Frau in der ausgerufenen islamischen Republik schildert oder der Film Offside von 2006 für eine filmische Aufmerksamkeitssteuerung des Themas. Speziell letzterer Film scheint wie eine spielfilmische Version von The Football Aficionado. Protagonistinnen sind hierbei nämlich zahlreiche als Männer verkleidete Frauen, die sich bei einem entscheidenden Qualifikationsspiel der iranischen Nationalmannschaft für die Weltmeisterschaft 2006 ins Stadion schleichen.

Vor diesem gesamten Hintergrund der Unterdrückung, Gewalt und geschlechtlichen Ungleichheit folgt die Dokumentation The Football Aficionado rund 90 Minuten dem Alltag von Zahra. Sie ist extrem aktiv auf Instagram und anderen sozialen Netzwerken und teilte damals ihren ersten Stadionbesuch mit ihren Followern. Schnell ging ihr Vorgehen viral, ließ ihr Gesicht mit aufgeklebten Bart einmal um die Welt gehen und förderte zahlreiche Unterstützer*innen und Imitatorinnen zu Tage. Zahra ist schon lange keine Einzelkämpfern mehr, sondern hat eine beachtliche Bewegung ins Leben gerufen, die durch das Vorhaben, Stadien im Iran für alle zugänglich zu machen, zeitgleich extrem wirkungsvoll für die Gleichberechtigung der Frau ankämpfen.

Wo liegt der Fokus?

Im Vergleich zu ihrer Bekanntheit und ihren aufregenden Taten ist ihr Leben dagegen relativ unspektakulär. Als Bankangestellte verdient sie nicht viel Geld und muss sich oft finanzielle Sorgen machen. Da sie für ihre Stadionbesuche auch immer wieder in neue Klamotten und Accessoires investieren muss, erfährt sie gerade von Ihrer Mutter auch reichlich Kritik. Dabei wird auch ein gewisser Generationskonflikt zwischen den Frauen deutlich. Während Zahra viel Unterstützung und Aufmunterung von Frauen ihres Alters erfährt, scheint ihre Mutter dagegen nicht zu verstehen, warum die Stadiongänge so wichtig für sie sind – für sie sind diese eher einfach nur teuer und gefährlich. Das Zahra aber eigentlich grundlegend für Gleichberechtigung im Iran ankämpft, scheint sie nicht zu sehen oder nicht sehen zu wollen.

Neben diesen Abschnitten versäumt es die Dokumentation dann aber, wirklich interessant und spannend zu bleiben. Alles, was mit den Stadionbesuchen zu tun hat, sei es der Kauf von Klamotten, das Verkleiden und Frisieren, das Schminken und auch der Gang ins Stadion selbst, sind unfassbar fesselnd und sorgen vor dem Hintergrund der eigenen in Deutschland herrschenden liberalen Verhältnisse immer wieder für Kopfschütteln und Fassungslosigkeit. Zwischendrin schweift der Fokus dann aber immer wieder ab, zeigt Zahra in Situationen, die weder etwas mit der Thematik zu tun haben noch den Kampf für Gleichberechtigung oder die Unterdrückung auf einer anderen Ebene darstellen. Diese Abschnitte scheinen dann aus dem Gesamtbild herauszufallen und fühlen sich ein wenig wie Lückenfüller an. Alles in allem ist die Geschichte rund um Zahra aber eine durchaus faszinierende, die zu verfolgen sich allemal lohnt.

Credits

OT: „The Football Aficionado“
Land: Iran
Jahr: 2022
Regie: Sharmin Mojtahedzadeh, Paliz Khoshdel
Drehbuch: Sharmin Mojtahedzadeh, Paliz Koshdel
Musik: Mohammad Mousavi
Kamera: Sharmin Majtahedzadeh
Mitwirkende: Zahra Khoshnavaz, Kobra Baghi Pour, Reyhaneh Rezaie, Leili Ghanbari, Leili Maleki

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The Football Aficionado
fazit
Verkleiden um ins Fußballstadion zu gelangen ist hier in Deutschland eigentlich undenkbar. Für iranische Frauen ist dieses Vorgehen leider bitterer Alltag. Die Dokumentation „The Football Aficionado“ folgt dabei der jungen Zahra, die durch ihre Stadionbesuche internationale Bekanntheit erlangt hat und spiegelt damit auf kleiner Ebene den großen Kampf um Gleichberechtigung und Selbstbestimmung wider. Dabei fallen leider einige Abschnitte immer wieder heraus und scheinen nicht ins Gesamtbild der Doku zu passen, so als wollte man sie unbedingt auf eine gewisse Länge strecken.
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