Die Zeit der Willkür ist vorbei: Dank eines eingepflanzten Chips wird bei allen Einwohnern und Einwohnerinnen von Arcadia ganz genau festgehalten, was sie tun. Wer sich regelkonform verhält und auch auf seine Gesundheit achtet, erhält Punkte. Je höher der Gesamt-Score ist, umso mehr Möglichkeiten hat man. Umgekehrt versperrt einem eine niedrige Punktezahl den Zugang zu bestimmten Berufen und Einrichtungen. Diese Erfahrung muss auch Pieter Hendriks (Gene Bervoets) machen, als er den Punktestand seiner Töchter manipuliert, um ihnen ein besseres Leben zu ermöglichen. Während er deportiert wird und nicht länger Teil der Gesellschaft ist, werden seine Frau Cato (Monic Hendrickx) und die Töchter Milly (Abigail Abraham), Luz (Lynn Van Royen), Alex (Melody Clover) und Hanna (Ellie de Lange) mit einem empfindlichen Punkteabzug bestraft. Und das ist nur der Anfang, denn der Regulator Marco Simons (Maarten Heijmans) ist fest entschlossen, auch den Rest der Familie für den Betrug zu überführen …
Regeln für das Gemeinwohl
Dass die Welt nicht gerecht ist, dürfte eine Erkenntnis sein, die so ziemlich alle irgendwann einmal machen. Dass sich manche alles erlauben können, vielleicht auch alles vom Leben geschenkt bekommen, während andere sich zu Tode schuften, ohne dabei voranzukommen, das ist etwas, das unserer Vorstellung von Fairness zuwider ist. Insofern ist das Konzept, das Arcadia zugrunde liegt, eines, das zumindest in der Theorie diese Ungerechtigkeit abmildert. Schließlich wird hier alles, was man hat und was man tun darf, davon abhängig gemacht, wie man sich verhält. Wer etwas für die Gemeinschaft tut und auf sich achtet, also wirklich aktiv ist, wird belohnt. Wer nichts beiträgt oder sich allein auf die eigene Befriedigung konzentriert, muss mit Strafen rechnen. Sollte jemand unter die Mindestgrenze fallen, darf er oder sie gar nicht mehr Teil der Gesellschaft sein.
Was genau nun alles als gut und was als schlecht gilt, wird dabei nicht so ganz nachvollziehbar verraten. Es bleibt bei einigen Beispielen wie etwa, dass Zucker schlecht ist. Ein Gesamtbild entsteht so nicht. Aber darum geht es bei der belgisch-niederländisch-deutschen Coproduktion ohnehin nicht. Arcadia überspringt auch den Part, als die Umwandlung der Gesellschaft noch aus guten Absichten heraus entstand, und geht gleich zum dystopischen Part über. Nicht nur, dass auf jegliche Privatsphäre verzichtet werden muss, weil der Chip wirklich jede Handlung und jeden Aufenthaltsort festhält. Es wird zudem Schindluder damit getrieben, wenn die Revisorin Lena Harms (Natali Broods) Regeln nach Belieben aussetzt und dabei allen Ernstes behauptet, dies geschehe zum Wohle der Regeln. Sie ist die Verkörperung eines repressiven und heuchlerischen Systems.
Dynamisch und kurzweilig
Während ihr damit die Rolle der Antagonistin zukommt, sind die anderen Figuren nuancierter beschrieben. So werden gleich mehrere davon im Laufe der acht Folgen, welche die erste Staffel ausmachen, in eine Sinnkrise geraten. Hervorzuheben ist da die Polizistin Alex, deren beruflichen Ambitionen und die familiäre Loyalität gegeneinander ausgespielt werden. Aber auch der Regulator Marco, der den Fall untersucht, wird mit unangenehmen Fragen konfrontiert und verhält sich mitunter ebenfalls nicht ganz regelgetreu. Die Figurenzeichnung mag bei Arcadia nicht die originellste sein, ist aber gut genug, um eine sich ständig wandelnde Dynamik zu ermöglichen. Man darf hier als Zuschauer bzw. Zuschauerin gespannt sein, wie sich das weiterentwickelt und wie sich die einzelnen Figuren in dieser schwierigen Situation verhalten werden.
Diese umfangreichere Figurenkonstellation ist auch deshalb nötig, weil Arcadia doch erstaunlich viele Handlungsstränge aufweist. Wo es anfangs nur um die Familie geht, die stellvertretend für die Gesellschaft steht, spielen später auch Figuren eine große Rolle, die außerhalb des Systems stehen oder sich dagegen auflehnen. Durch diese ständigen Wechsel von Strängen und Figuren ist die Entwicklung zwar manchmal nicht die größte. Zwischendurch darf man sich auch fragen, welche Geschichte die Serie überhaupt erzählen will, wenn das Ganze arg ausfranst. Viel Zeit, um die gesellschaftlichen und moralischen Fragen zu vertiefen, bleibt sowieso nicht. Aber die Serie ist doch kurzweilig genug, dazu visuell immer mal wieder ansprechend unterkühlt-futuristisch, um bis zum Schluss dranzubleiben und auf die zweite Staffel zu warten, die bereits angekündigt ist.
OT: „Arcadia“
Land: Belgien, Niederlande, Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Tim Oliehoek
Drehbuch: Philippe De Schepper, Bas Adriaensen, Zita Theunynck
Musik: Christian Henson
Kamera: Martijn Cousijn
Besetzung: Gene Bervoets, Monic Hendrickx, Abigail Abraham, Lynn Van Royen, Melody Clover, Ellie de Lange, Maarten Heijmans, Natali Broods, Wim Opbrouck
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