Mit seinem Buch Copie conforme ist der britische Autor James Miller (James Shimell) auf einer Lesereise in Italien. In der Toskana trifft er auf eine Kunstexpertin (Juliette Binoche), die ihn am Tag nach seiner Lesung einlädt, mit ihr ein nahegelegenes Dorf zu besuchen. Schon auf der Fahrt dorthin unterhalten sie sich angeregt über die zentrale These seines Buches, welches sich mit dem Wert von Kopien befasst und ob es noch möglich sei, zwischen Original, Kopie und Fälschung zu unterscheiden. Sie hat einige Probleme mit Millers Ideen und diskutiert diese mit dem Autor, kann ihn jedoch nicht von ihrer Sichtweise überzeugen. Je länger das Gespräch andauert, desto mehr kommen sie auf persönliche Themen zu sprechen, vor allem ihre Beziehung zu ihrem jugendlichen Sohn und den fehlenden Vater. Während sie in einem Café sitzen, scheint es so, als ob sie Miller in ein Rollenspiel einspannen will, in dem er ihr fehlender Mann ist. Nachdem sich der Autor eingangs noch weigert, nimmt er die Rolle schließlich an und es kommt zu einer Unterhaltung über ihre Beziehung und wie lange Liebe andauert.
Original oder Fälschung
Schon in seinem Experimentalfilm Shirin hatte sich der iranische Regisseur Abbas Kiarostami der Beziehung zwischen dem Betrachter und dem Kunstwerk (in diesem Falle einem Film) gewidmet und dabei gezeigt, wie überraschend sowie emotional die Reaktionen des Zuschauers ausfallen können. Die Liebesfälscher kann als Ergänzung zu den Ideen in Shirin gesehen werden, da Kiarostami nun der Beziehung zwischen Original und Fälschung nachgehen wollte. In einem Interview mit der Zeitschrift Cineaste von 2011 erklärt er, dass es ihn bei einem Besuch des Louvre erstaunt habe, wie die unterschiedlichen Betrachter auf die Mona Lisa reagieren, ein Bild, welches sie sicherlich schon unzählige Male in Büchern oder Filmen gesehen haben. Das Original zu besitzen ist für niemanden von uns möglich, sodass wir uns mit einer Kopie oder Fälschung zufriedengeben müssen, die wir uns ins Wohnzimmer hängen und immer wieder betrachten können. Wir geben ihr durch unseren Blick einen bestimmten Wert.
Auf die Liebe bezogen heißt das, dass wir von einem Ideal ausgehen, welches wir vielleicht niemals erreichen werden. Die Frage ist dann, wie wir mit diesem Zustand umgehen, also ob wir nun unglücklich werden, uns voneinander distanzieren oder einen vielleicht einen anderen Maßstab finden. Dies sind nur einige der Fragen und Themen, die Kiarostami in Die Liebesfälscher berührt, der von seiner Prämisse her an einen Liebesfilm zwar erinnert, doch schnell ganz eigene, überraschende Wege geht. Ähnlich dem Essay, den der fiktiver Autor James Miller geschrieben hat, verlassen wir schon bald die Welt der Kunst und finden uns wieder in einer Unterhaltung, die nicht nur viel emotionaler geführt wird, sondern bei der uns bewusst wird, welche Bedeutung deren Punkte für uns alle haben, die nach einem Ideal streben. Die Liebesfälscher changiert damit zwischen Liebesfilm und Filmessay.
Sie und er
Dabei geht Kiarostami einen ähnlichen Weg wie Richard Linklater in seinen Before-Filmen. Juliette Binoches und William Shimells Figur durchleben die verschiedenen Stadien ihrer Liebe, ihrer Beziehung und ihrer Ehe noch einmal – in Gedanken wie auch an den Orten, dir für ihre Zweisamkeit eine besondere Bedeutung haben. Der Rollentausch, den Kiarostamis Film vollzieht, ist zwar gewöhnungsbedürftig zu Beginn, jedoch gewinnt Die Liebesfälscher ungemein durch die bereits angesprochene Emotionalität der Unterhaltung. Insbesondere Binoche betont die verschiedenen Stadien, die ihre Figur durchlebt und macht uns begreiflich, wie frustriert, unglücklich und nostalgisch diese Frau ist. Shimell spielt den perfekten Gegenpart, wirkt distanziert und scheint immer wieder nach einem Ausweg zu suchen, weil ihn die Situation überfordert.
OT: „Copie conforme“
Land: Frankreich, Italien, Belgien
Jahr: 2010
Regie: Abbas Kiarostami
Drehbuch: Abbas Kiarostami
Kamera: Luca Bigazzi
Besetzung: Juliette Binoche, William Shimell, Jean-Claude Carrière, Agathe Natanson
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