Seitdem sein Vater abgehauen ist und sich auch seine Schwester aus dem Staub gemacht hat, liegt es an dem 22-jährigen Bartek (Jan Hrynkiewicz), sich um den Hof seiner Familie und auch seine Mutter (Ewa Skibinska) zu kümmern. Einfach ist das nicht: Die Arbeit ist hart, das Geld ist knapp, wenn es nicht bald wieder besser läuft, werden sie sich vielleicht sogar von seinen geliebten Pferden trennen müssen. Während Bartek mit seiner Situation hadert, kehrt Dawid (Pawel Tomaszewski) nach vielen Jahren der Abwesenheit zurück, um das Haus seines verstorbenen Vaters zu verkaufen. Schnell fühlt sich der junge Mann zu ihm hingezogen, ein Gefühl, das von Dawid erwidert wird. Doch in der ländlichen Gegend in Polen sind solche Gefühle nicht gern gesehen …
Der Traum vom eigenen Leben
Aktuell gibt es im deutschen Kino wieder auffällig viele Filme, bei denen Pferde eine große Rolle spielen, aber auch junge Menschen, die ihren Platz in der Welt suchen. Den Auftakt machte dabei Zoe & Sturm, wo eine junge Pferdenärrin nach einem Unfall im Rollstuhl sitzt und nicht weiter weiß. Diese Woche sind es gleich zwei Werke, die mit den Vierbeinern werben. Da ist zum einen die deutsche Jugendbuchverfilmung Ponyherz – Wild und frei, in der eine Jugendliche sich in einer neuen Umgebung zurechtfinden muss, was ihr dank eines Wildpferdes am Ende auch gelingt. In der polnischen Produktion Elefant folgen wir hingegen, auch wenn der Titel etwas anderes vermuten lässt, einem jungen Mann, der in einer trostlosen Gegend von einem eigenen Pferdegestüt träumt.
Wobei sich die Hauptgeschichte natürlich nicht um die Tiere dreht. Die sind vielmehr das Symbol für die Sehnsüchte eines jungen Mannes, der ein ganz anderes Leben möchte. Einer der frei sein möchte von den Zwängen, die das Leben in dem Dorf mit sich bringt. Wenn er mit den Pferden ausreitet, dann hat das auch etwas Märchenhaftes an sich, ist der Lichtblick in einem ansonsten trüben Dasein. Das ändert sich in Elefant erst, als die zweite Hauptfigur hinzukommt und sich die beiden Männer näherkommen. Auch dies funktioniert als Sinnbild für einen Ausbruch aus dem Alltag. Der Musiker mit dem Ohrring ist nicht einfach nur als Sexualpartner interessant. Dawid hat die Welt gesehen, hat das alles hier hinter sich gelassen, konnte selbstbestimmt leben, anstatt nur Erwartungen anderer zu erfüllen.
Poesie inmitten der Trostlosigkeit
Diese Erwartungen beinhalten auch, dass Männer und Frauen zusammengehören. Gleichgeschlechtliche Liebe? Die hat in dem polnischen Dorf nichts zu suchen. Das ist als Geschichte natürlich nicht übermäßig originell, gleicht mehr schon einem Klischee, wenn die ländliche Bevölkerung als engstirnig beschrieben wird. Elefant hat über den antagonistischen Rest nicht viel zu sagen, der zunächst nur tuschelt, später mehr und mehr offen anfeindet. Interessant ist in dem Zusammenhang jedoch, dass die beiden sich relativ schnell füreinander entscheiden und es keine Bedenken ihrerseits gibt. Da wird nicht mit der eigenen Sexualität gehadert oder an einem schwierigen Coming-out gearbeitet. Sie fühlen sich wohl in der Anwesenheit des jeweils anderen, der Rest verschwindet im Hintergrund.
Zu diesem Zweck hat Regisseur und Drehbuchautor Kamil Krawczycki in seinem Langfilmdebüt eine Reihe schöner Szenen entworfen. Wie sich die beide näherkommen, sich gegenseitig neue Aspekte des Lebens zeigen und damit auch den eigenen Horizont erweitern, das ist schon sehr gefühlvoll inszeniert. Dabei kommt Elefant ohne viel Kitsch aus, verzichtet auch auf die oft ärgerlichen dramatischen Zuspitzungen. Das polnische Nachwuchswerk sucht die Poesie inmitten der Trostlosigkeit, der nur durch Träume, Alkohol, Flucht oder Tod entkommen werden kann. Es macht Mut zum Aufbruch, ohne Kalendersprüche zu zitieren. Es gibt auch aber nicht so viele tatsächlich prägnante Momente, wie man sie bei thematisch ähnlichen Filmen gesehen hat. Da bleibt nicht sehr viel zurück.
OT: „Slon“
Land: Polen
Jahr: 2022
Regie: Kamil Krawczycki
Drehbuch: Kamil Krawczycki
Musik: Jan Ignacy Królikowski
Kamera: Jakub Sztuk
Besetzung: Jan Hrynkiewicz, Pawel Tomaszewski, Ewa Skibinska, Wiktoria Filus, Maciej Kosiacki, Michal Pawlik
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