Regina Schilling (Regisseurin von Diese Sendung ist kein Spiel – Die unheimliche Welt des Eduard Zimmermann): „Die Leute hinterfragen sowieso nichts, da kann ich auch eine unsinnige Doku drehen und davon profitieren, auf so eine Idee kommt sicher niemand.“
Emma Cooper (Regisseurin von Johnny Depp gegen Amber Heard): „Hold my Mega Pint.“
Formal erinnert Johnny Depp gegen Amber Heard zunächst am ehesten noch an Gladbeck: Das Geiseldrama. Das neueste auf Netflix präsentierte Schrotterzeugnis besteht fast nur aus Archivmaterial – allenfalls ist hier und da ein zusammenfassender oder wertender Kommentar in Form von Texteinblendungen eingeschoben. Auch wird das Archivmaterial manchmal auf Smartphones oder Laptops abgespielt, während irgendwelche engagierten Darsteller es sich anschauen. Diese Sendung ist kein Spiel war sicher ein übles Machwerk, aber wenigstens steckte eine gewisse Arbeit darin. Es ließe sich natürlich argumentieren, dass ein aus einer bestimmten Ideologie heraus entstandener Film schlimmer ist als ein unverhohlener Cashgrab, und in Bezug auf die Auswirkungen mag das sicher auch stimmen. Im Falle der Dokuminiserie Johnny Depp gegen Amber Heard handelt es sich aber schon um ein ganz besonders freches Vorgehen, welches zudem ebenfalls ein bestimmtes Narrativ kolportiert.
Scheiß auf die Fakten
Die Gerichtsverhandlung John C. Depp, II v. Amber Laura Heard fand zwischen April und Juni 2022 statt. Johnny Depp verklagte dabei seine Ex-Frau Amber Heard wegen Verleumdung. Das wissen wir alle. Wir waren dabei. Die Verhandlung wurde nämlich live im Internet übertragen, die Videoaufzeichnungen sind bis heute auf YouTube verfügbar. Zumindest 26 der 27 Videos in der entsprechenden Playlist. Wenn diese Verhandlung – wie auch jene gegen Kyle Rittenhouse im November 2021 – eines gezeigt hat, dann dass viele Leute kein Interesse daran haben, ihr Weltbild aufgrund von Fakten zu ändern. Zugegebenermaßen kann sich niemand in allen Bereichen auskennen, daher sind wir notgedrungen in vielen Bereichen auf die Meinungen anderer angewiesen. Abgesehen von der damit einhergehenden Zeitersparnis ist es natürlich viel komfortabler, eine leicht verdauliche Überschrift als Wahrheit zu akzeptieren, als sich durch insgesamt fast zehn Tage langes Videomaterial zu wühlen.
Wann immer die Medien von Trollen, Frauenfeindlichkeit und weiteren Kampfbegriffen dieser Art reden, lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Generell kann nichts die Eigenrecherche ersetzen. Wer den Prozess nicht selbst mitverfolgt und nur über die kolportierte öffentliche Meinung darüber informiert wurde, der setzte sich natürlich vehement (wie auch in Johnny Depp gegen Amber Heard zu sehen ist) dafür ein, dass Amber Heard nur ein armes Opfer ist. Mit Fakten dagegen zu argumentieren hilft nicht, da niemand mit Logik überzeugt werden kann, der sich nicht überzeugen lassen will. Die erste Folge von Johnny Depp gegen Amber Heard ist noch verhältnismäßig neutral gehalten, vor allem ab der zweiten Hälfte der zweiten Episode fängt die Serie jedoch an, eindeutig Stellung zu beziehen und mit längst widerlegten Scheinargumenten oder schlichtweg falschen Aussagen weiter das Narrativ zu nähren, dass sich die Welt gegen Frauen im Allgemeinen und Heard im Besonderen verschworen hätte.
Die Wahrheit der sozialen Medien
Johnny Depp gegen Amber Heard zeigt nicht nur Aufnahmen der Gerichtsverhandlung, sondern auch Archivmaterial aus Fernsehsendungen, YouTube- oder TikTok-Videos. Das wäre ein interessanter Ansatz für so eine Dokumentation gewesen: Inwieweit beeinflusst Social Media die öffentliche Wahrnehmung? Dieser Frage kann Johnny Depp gegen Amber Heard aber natürlich nicht nachgehen, zumindest nicht auf ehrliche Weise. Sonst müsste nämlich festgestellt werden, dass diese ganzen YouTube- und TikTok-Leute, die letzten Endes natürlich auch nur der Klicks wegen mit von der Partie waren, trotz allem deutlich objektiver und näher an der Wahrheit berichteten als die so genannten etablierten Medien. Gab es darunter Personen, die clicktbaitmäßig übertrieben haben, Tatsachen verdrehten, einfach nur irgendetwas erfunden haben? Mit Sicherheit. Machten sie die Mehrheit aus? Nein.
Wie immer in solchen Situationen werden die wenigen Einzelfälle genommen und als repräsentativer Querschnitt präsentiert, um das eigene Narrativ aufrechtzuerhalten. Es ist eine bekannte Verteidigungsstrategie, die vor allem in letzter Zeit zum Glück immer öfter den gegenteiligen Effekt hat, weil sie auf Dauer doch durchschaut werden kann. Das heißt aber nicht, dass sich nicht immer noch viele davon hinters Licht führen ließen. Aufgrund von Zeitmangel und/oder Unwillen nicht durchgeführte Eigenrecherche öffnet solchen Maschen eben die Türe, da lässt sich wenig dagegen unternehmen.
Das Beste an Johnny Depp gegen Amber Heard sind einige der gezeigten Memes, die damals entstanden sind und unterhaltsames Zusatzmaterial zur Verhandlung lieferten. Es ist aber leider nur eine kleine Auswahl, da hätte ruhig mehr davon gezeigt werden können. Wer die etwa drei Stunden Laufzeit sinnvoller verbringen möchte, kann sich die ganzen alten Memes noch einmal im Internet anschauen.
OT: „Depp V Heard“
Land: USA
Jahr: 2023
Regie: Emma Cooper
Musik: Edmund Butt
Kamera: Jeff Hutchens
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