Bei Familie Erlemann geht es gerade drunter und drüber. Erst bekommt Jochem Erlemann (Torben Liebrecht) Ärger mit der Staatsanwaltschaft, der Unternehmer steht unter Betrugsverdacht. Infolgedessen kommt er in Untersuchungshaft, während sämtliche Kontenten eingefroren werden. Noch während die Familie versucht, irgendwie mit dieser Situation klarzukommen, wird der erst elfjährige Sohn Johannes (Cecilio Andresen) auf dem Heimweg von Unbekannten entführt. Die Forderungen lassen nicht lange auf sich warten. Drei Millionen Mark soll Mutter Gabi (Sonja Gerhardt) als Lösegeld auftreiben, wenn sie ihren Jungen wiedersehen will. Doch wie soll das gehen, wenn die Familie pleite ist und sogar ihre Besitztümer gepfändet werden sollen?
Die Geschichte eines wahren Verbrechens
Die Lust an wahren Verbrechen scheint nicht abzunehmen. Waren sogenannte True Crime Geschichten längere Zeit eine überwiegend US-amerikanische Angelegenheit, hat man auch hierzulande inzwischen erkannt, wie profitabel dieses Segment sein kann. So zeigte RTL letztes Jahr den Thriller Das weiße Schweigen, der sich an dem Fall des mordenden Krankenpflegers Niels Högel orientierte. Nun versucht sich der Sender an einem weiteren Titel mit wahrem Kern. Das zunächst auf dem RTL+ Streamingdienst verfügbare Entführt – 14 Tage Überleben erzählt, wie im März 1981 der Junge Johannes Erlemann entführt wurde und anschließend – der Titel nimmt es vorweg – zwei Wochen in der Hand der Entführer blieb.
Ob es so schlau ist, das Ergebnis bereits im Vorfeld zu verraten, darüber kann man geteilter Meinung sein. Auf der einen Seite liegt der Fall mehr als vierzig Jahre zurück, womit die Spoiler-Frist inzwischen verjährt sein dürfte. Für ein Publikum, das nichts über die Geschichte weiß, ist das dennoch nicht wirklich ratsam. Schließlich weiß dieses dadurch, dass der Junge am Ende wieder freikommen wird. Üblicherweise beziehen Entführungsthriller ihre Spannung daraus, dass die Zuschauer und Zuschauerinnen mitzittern sollen, weil eben völlig offen ist, ob das Opfer am Leben bleibt. Entführt – 14 Tage Überleben verzichtet komplett darauf. Die Folge: So richtig spannend ist das hier nicht. Allenfalls die Frage, ob der Vater etwas mit der Sache zu tun haben könnte – eine Theorie, die zwischendurch mal impliziert wird – sorgt noch für etwas Neugierde.
Viel Stoff, wenig Spannung
Ansonsten konzentriert sich der Film, der beim Filmfest München 2023 Premiere feierte, über weite Strecken darauf, wie sich der Junge mit den Entführern arrangiert, während die Mutter versucht, das nötige Geld aufzutreiben. Ein kleinerer Nebenstrang befasst sich zudem mit den Ermittlungen und den damit einhergehenden Meinungsverschiedenheiten zwischen OHK Albers (Ronald Kukulies) und dem ihm untergebenen Polizisten Herbert Fischer (Jonas Nay). Denn wie so oft will der Chef alles besser wissen und interessiert sich nicht für die Meinungen des Fußvolks. Daraus wird bei Entführt – 14 Tage Überleben aber keine wirkliche Anklage an eine unfähige Polizei, ein in True Crime Dokus sehr beliebtes Motiv. Vielmehr ist es ein Bestandteil unter vielen, während Regisseur Marc Rothemund versucht, die Ereignisse zu rekonstruieren.
Das ist einerseits viel Stoff. So viel, dass es kein Wunder ist, wenn Entführt – 14 Tage Überleben eigentlich als Miniserie konzipiert war, die dann aber auf Spielfilmformat zusammengekürzt wurde. Es bedeutet aber auch, dass man nie wirklich weiß, was genau der Thriller nun eigentlich beabsichtigt. Durch die ständigen Sprünge gibt es keinen Fokus. Es gibt aber auch keine Gelegenheit, irgendeins der Themen mal zu vertiefen. Die Figuren bleiben schemenhaft. Beim Ablauf der Geschichte gibt es keine Überraschungen, selbst wenn man mit dem Fall nicht vertraut sein sollte. Schlecht ist das Ergebnis dann nicht, ist aber in etwa so mitreißend wie ein Wikipedia-Eintrag. Trotz eines guten Ensembles und 80er-Jahre-Atmosphäre hinterlässt der Film keinen wirklichen Eindruck.
OT: „Entführt – 14 Tage Überleben“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Marc Rothemund
Drehbuch: Béatrice Huber
Musik: Andrej Melita
Kamera: Ahmet Tan
Besetzung: Sonja Gerhardt, Cecilio Andresen, Torben Liebrecht, Jonas Nay, Klaus Steinbacher, Ronald Kukulies
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