Sequels sind etwas, an das wir normalerweise bei fiktionalen Werken denken. Aber auch Dokumentationsfilme sind nicht gegen die „Fortsetzungswut“ gefeit. Ein prominentes Beispiel ist da etwa die Up-Reihe. Seven Up! stellte 1964 zehn Jungs und vier Mädchen vor, alle sieben Jahre alt. Ursprünglich als für sich stehender Beitrag gedacht, wurden die vierzehn Teilnehmer dann doch noch deutlich länger begleitet. So erschienen bis 2019 insgesamt neun Dokumentarfilme: Seven Up!, 7 Plus Seven, 21 Up, dann alle sieben Jahre diesem letzten Titelformat folgend bis 63 Up. Michael Apted, der seit dem zweiten Teil Regie führte, starb im Jahr 2021, und es ist immer noch ungewiss, ob ein 70 Up erscheinen wird.
Aber auch bei Dokuserien lässt sich in dieser Hinsicht fündig werden. Ein Planet vor unserer Zeit von 2022 etwa bekam dieses Jahr eine zweite Staffel. Vor allem die British Broadcasting Corporation ist dahingehend aber besonders fleißig. 2001 erschien die Miniserie Unser blauer Planet, welche 2017 mit Unser blauer Planet II fortgesetzt wurde. 2006 gab es Planet Erde (Originaltitel: Planet Earth), 2016 kam das Sequel Eine Erde – Viele Welten (Planet Earth II). Nicht ganz so viel Zeit mit einer neu aufgelegten Miniserie wurde sich zwischen Wilde Dynastien (Dynasties) von 2018 und Dynastien II von 2022 gelassen. Ebenfalls 2022 wurde Frozen Planet – Eisige Welten II veröffentlicht, welche den gleichen thematischen Schwerpunkt hatte wie Eisige Welten aus dem Jahre 2011.
Zu oft belehrend
Abgesehen davon, dass es sich dabei durch die Bank weg um Naturdokumentationen handelt, haben sie alle denselben Erzähler gemein: David Attenborough bereichert auch im hohen Alter noch jegliches Bildmaterial mit einer Stimme, der es sich zuzuhören lohnt. Was gesagt wird, ist dieses Mal aber ein wenig zwiespältig zu betrachten. Die sachlichen Informationen sind dabei natürlich weiterhin interessant. Doch viel zu oft bringt Attenborough den Klimawandel ins Spiel. Er macht das immerhin nicht auf politische Art, wie etwa Barack Obama in Unsere wunderbaren Nationalparks. Manche der Kommentare in diese Richtung fühlen sich aber oft deplatziert an, auch wenn es in Frozen Planet – Eisige Welten II durchaus Stellen gibt, an denen sie angemessen sind. Wo sonst ließe sich das Phänomen besser feststellen, als an wortwörtlich wegschmelzenden Eismassen, die Jahrmillionen überdauert haben?
In einer Zeit aber, in der aufgrund von bürokratischem Getue zigtausende Leerflüge stattfinden (von unnötigen Privat- oder Geschäftsflügen von Einzelpersonen ganz zu schweigen), während dem kleinen Mann auf der Straße in blindem Aktionismus potenziell giftige Strohhalme aufgeschwatzt werden, damit er gefälligst seinen Beitrag leistet, wirkt die übermäßige Belehrung schlicht wie an den falschen Adressaten gerichtet. Wer es unbedingt darauf anlegen möchte, kann Attenboroughs Worte hier mehr als nur einmal als ein „Siehst du dieses niedliche Tier? Süß, oder? Schade, dass es bald STIRBT, und zwar DEINETWEGEN!“ interpretieren. Das war jedoch sicher keineswegs die Intention des Briten, dem der Umweltschutz sehr am Herzen liegt.
Eindrucksvoller Bilder
Stimme und Informationen außen vor, sind die präsentierten Bilder aber doch immer noch der Hauptgrund, wieso das Gros der Zuschauer zu einer Naturdokumentation greift. In dieser Hinsicht enttäuscht Frozen Planet – Eisige Welten II erwartungsgemäß überhaupt nicht. Technisch wurden hier wieder keine Kosten und Mühen gescheut. Das der Blu-ray beiliegende Begleitbooklet listet stolz die verschiedenen verwendeten Kameras auf. Da gab es unter anderem sowohl GPS-programmierte als auch Hochgeschwindigkeits-First-Person-View-Drohnen, ferngesteuerte 4K-Kamerafallen, mit denen sich seltene und scheue Tiere filmen lassen, oder Kreislauftauchgeräte für die Unterwasseraufnahmen, welche die Luftblasenbildung verhindern und somit minimalinvasive Einblicke in die Tierwelt ermöglichen. Die Wärmebild-Drohnen zeigen eindrucksvolle Schwarz-Weiß-Bilder von Pumas bei Nacht. Da war Tiere hautnah mit Bertie Gregory wohl doch nicht ganz so innovativ wie gedacht, auch wenn die Detailgenauigkeit der entsprechenden Aufnahmen von Elefanten dort noch höher war.
Wer sich nun fragt, wie denn Pumas in der Arktis oder Antarktis vorkommen können, dem sei gesagt, dass Frozen Planet – Eisige Welten II anders als der Vorgänger von 2011 die gezeigten Eislandschaften nicht exklusiv auf die Polargebiete beschränkt. Was die Tiere angeht, bleiben wir überwiegend bei alten Vertrauten. Zu jenen, die generell mit kälteren Regionen in Verbindung gebracht werden (Orcas, Eisbären, Pinguine …) gesellen sich hier dann aber eben noch welche, die nicht sofort damit assoziiert werden würden (die erwähnten Pumas, Zebras, Reiher …).
OT: „Frozen Planet II“
Land: UK
Jahr: 2022
Regie: James Reed, Jane Atkins, Orla Doherty, Alex Lanchester, Rachel Scott
Musik: Hans Zimmer, Adam Lukas, James Everingham
Kamera: Rolf Steinmann, Joris van Alphen, Dan Beecham, Peter Cayless, Simon De Glanville, Justin Maguire, Pete McCowen, Jamie McPherson, Sam Mayrick, Mark Payne-Gill, Florian Schulz, Garath Whyte
Mitwirkende: David Attenborough
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