70 Jahre sind eine lange Zeit. Als Dieter Simon und Eva Simon (geb. Rose) sich im Winter 1952 kennen lernten, war Regisseurin Pia Lenz noch gar nicht auf der Welt. Selbst als sie sich dann doch irgendwann einmal dazu bequemte, geboren zu werden, dauerte es noch eine ganze Weile, bis sie mit den Dreharbeiten zu ihrem Dokumentarfilm Für immer begann. Während Dokumentationen wie etwa Frozen Planet – Eisige Welten II dank modernster Technik entstehen können, ermöglichen es hier ganz altmodische Dinge, den Verlauf der Ehe auch in der Vergangenheit nachzuvollziehen: Fotoalben, Briefe, Tagebücher. Greifbare Dokumente also, welche den Nachfahren (und in diesem speziellen Fall den Zuschauern) wertvolle Einblicke gewähren – während die Teilnehmerinnen in Shows wie The Ultimatum: Marry or Move On wohl bestenfalls darauf hoffen können, dass ihre eventuellen Nachkommen sich nicht zu sehr für die freizügigen Instagrambilder schämen.
Momentaufnahmen einer Ehe
Über einige Jahre hinweg in der Gegenwart begleitet Lenz mit ihrer Kamera das Ehepaar. Irgendwelche Erkenntnisse oder Lektionen darüber, wie ein Zusammenleben für so lange Zeit funktionieren kann, lassen sich in Für immer nicht finden. Die Dokumentation besteht eher aus Momentaufnahmen, die sich wie Mosaikteilchen zu einem großen Ganzen zusammenfügen. Die Simons stammen aus einer Ära, als das Gelöbnis „in guten wie in schlechten Zeiten“ noch binded war. In Für immer wird uns nicht vorgegaukelt, dass zwischen den beiden alles immer astrein lief. Trotz der schlechten Zeiten wird aber deutlich, dass die zwei sich nie aufgegeben haben.
Fast immer ist die Kamera reine Zuschauerin, fängt das Beobachtete meist von der Seite oder anderen unverfänglichen Blickwinkeln aus ein. Nur zweimal sucht sie die direkte Konfrontation. Wie Angeklagte sitzen Dieter und Eva beim ersten Mal auf der heimischen Couch, während die Kamera vor ihnen aufgebaut zwar aus einer Normalsicht auf sie blickt, durch die leicht erhöhte Position jedoch auf subtile Weise den Eindruck einer Obersicht vermittelt. Es geht um eines der dunkleren Kapitel in ihrem gemeinsamen Leben. Es scheint Eva auch heute (lies: zum Zeitpunkt der Aufnahme) noch mitzunehmen. Beim Vorlesen der entsprechenden Passage aus ihrem Tagebuch gerät Eva ins Stocken. Sogleich übernimmt Nina Hoss aus dem Off, trägt die einst geschriebenen Zeilen vor.
Teils verkünstelt
Für sich genommen passt das mit der bisherigen Präsentation zusammen, da Hoss immer wieder einmal zu hören ist. Der Unterschied ist an dieser Stelle jedoch, dass Eva zwar zunächst etwas über die Worte stolpert, dann aber direkt weiterliest. Somit sprechen nun beide Damen gleichzeitig dieselben Sätze aus. Das hat sicher einen künstlerischen Effekt, der sich aber nicht einheitlich in die ansonsten eher nicht verkünstelte Doku einzufügen vermag. Während Hoss‘ Voiceover Für immer oft bereichert, hätte hier eine externe Stille wohl besser dafür sorgen können, dass sich der Moment stärker entfaltet.
Als die Kamera das zweite Mal frontal auf das Geschehen blickt, ist Dieter alleine im Bild. Auch diesmal geht es etwas verkünstelt zu, allerdings nicht bezogen aufs Akustische. Ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen, ist der künstlerische Eingriff hier schon angemessener, aber vielleicht hätte diese Szene aus Pietätsgründen auch ganz weggelassen werden können. Andererseits ist das ähnlich wie bei Auf der Adamant eine Frage, die der Zuschauer mit sich selbst klären muss, wenn auch jeweils aus anderen Gründen.
OT: „Für immer“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Pia Lenz
Drehbuch: Pia Lenz
Musik: Alexis Taylor, Stella Sommer
Kamera: Pia Lenz, Henning Wirtz
Mitwirkende: Dieter Simon, Eva Simon, Nina Hoss
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